Kreative gründen anders
Die Kulturwirtschaft boomt, dennoch tun sich viele eher geisteswissenschaftlich oder künstlerisch geprägte Menschen mit der Existenzgründung schwer. Speziell für sie gibt es jetzt einen Gründungsratgeber.
Kultur und Wirtschaft passen nicht zusammen. Das mag man in Zeiten, in denen selbst Banken und Standortförderer von einer boomenden Kreativwirtschaft sprechen, nicht mehr ganz so oft zu hören bekommen. Doch dass Kreativität, künstlerischer Anspruch gar, sich nicht mit dem bösen Kommerz oder weltlichen Vermarktungskonzepten verträgt, diese Vorstellung ist gerade in Deutschland immer noch tief verwurzelt. Dabei wusste doch schon Goethe: "Wer aber nicht eine Million Leser erwartet, sollte keine Zeile schreiben."
Dieses Zitat führen Andrea Rohrberg und Alexander Schug in der Einleitung ihres Buches Die Ideenmacher an. Sie haben einen Gründungsratgeber geschrieben, der sich speziell an die sogenannte Kultur- und Kreativszene richtet. Wieso das denn - gründen Kreative etwa anders?
Auf ein Argument verweist das Goethe-Zitat: Obwohl es mittlerweile sogar Venture-Capital-Fonds speziell für die Klientel gibt, hegen immer noch viele Kreative und Kulturschaffende eine Abneigung gegen einigermaßen geregelten Broterwerb. Dabei geht es nicht darum, Firmenimperien aufzubauen oder den Innovationspreis zu bekommen. Es ist doch einfach so: Das unabhängige, freie Leben als Projektemacher entpuppt sich schnell als ein Hangeln von Job zu Job, die viel besprochene Hybridexistenz schlicht als unsicher und dauerprekär - und von wenig (Lebens-)Planung gezeichnet.
Dem setzen die Autoren ihr Buch entgegen, und also ist sehr viel von Planung die Rede, wie überhaupt die ganz normale Palette an Themen und Instrumenten einer Gründung recht ausführlich behandelt wird. "Rechtsform", "Finanzierung", "Markt und Marketing" heißen die Kapitel etwa. Dazwischen gibt es Interviews mit erfolgreichen Gründern, mit Finanzierern und Beratern. Am Schluss findet sich das obligatorische Verzeichnis weiterführender Links und Literatur. Nicht zu vergessen die ganzen Endnoten, mit denen die Kapitel gespickt sind, um die Aussagen der Autoren zu untermauern - kurzum: Sieht ganz schön (kultur)wissenschaftlich aus.
Genau das macht das Buch besonders. Denn ja, es geht auch um den Businessplan und um die ominöse "Gründerpersönlichkeit". Doch was das Buch von vielen anderen unterscheidet, ist der reflektierte Blick auf diese Phänomene. Vom klassischen Bild des gottähnlichen Gründers halten die Autoren wenig. Es beruhe auf einem Bild von Existenz- und Unternehmensgründung, das der Realität nicht mehr entspreche - "... schon gar nicht der Realität von Gründungen in der Kultur- und Kreativwirtschaft". Und auch der allheilige Businessplan wird hier eher als Organisations- und Planungsgrundlage gesehen.
Es herrscht sehr viel Abwägung und Reflexion, Distanziertheit und Abstraktion. Es gibt auch ziemlich viele Buchstaben und wenig Infohäppchen in diesem Buch. Das verleiht ihm fast einen geisteswissenschaftlichen Touch in Inhalt und Duktus, der sich klar vom Ton anderer Ratgeber abhebt. Von den Autoren ist das klar gewollt, um all den Kreativen und Kulturschaffenden den Weg in die Gründung leichter zu machen. Also, ihr DJs, Wall-Art-Künstler, Texter oder Game-Designer: Ran an dieses Buch. Denn Kultur und Wirtschaft passen ganz hervorragend zusammen.
changeX 06.12.2011. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Zum Buch
Andrea Rohrberg, Alexander Schug: Die Ideenmacher. Lustvolles Gründen in der Kultur- und Kreativwirtschaft. Ein Praxis-Guide. Transcript Verlag, Bielefeld 2010, 235 Seiten, 24.80 Euro, ISBN 978-3-8376-1390-2
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Autor
Jost BurgerJost Burger ist freier Journalist in Berlin. Er schreibt als freier Mitarbeiter für changeX.