Erfolgsgeschichten
Familienunternehmen profitieren von Werten, die ihre Firmenkultur prägen. Und es sind Geschichten, die diese Werte tradieren. Ein Buch verschafft dieser These eine solide wissenschaftliche Basis. Und bietet Beispiele erfolgreicher Firmennarrative.
In der großen Wissenschaftserzählung über Unternehmensformen und ihrer Charakteristika taucht seit zwei, drei Jahrzehnten als fester Bestandteil das Familienunternehmen auf. Anders als rein kapitalmarktorientierte Konzerne und Firmen werden Familienunternehmen dabei immer wieder im Zusammenhang mit der Bedeutung der Unternehmenskultur diskutiert, die im spezifischen Fall von Werten geprägt sei. Doch wie werden diese Werte tradiert? Und welche praktische Bedeutung hat eine wissenschaftliche Untersuchung dieser Weitergabemechanismen?
"Die kulturellen Werte von Familienunternehmen markieren einen der entscheidenden Unterschiede zu kapitalmarktorientierten Unternehmen. Sie sind die Basis ihrer Einzigartigkeit und werden als unimitierbarer Wettbewerbsvorteil gehandelt", schreibt Mirko Zwack in der Einleitung zu seinem Buch Die Macht der Geschichten. Zwack, Organisationspsychologe und Berater, gibt mit dieser Aussage den Stand der Forschung wieder. Ihn interessiert jedoch, was noch kaum untersucht ist: Die Frage nach der Entstehung und dem Erhalt dieser Werte "führt zur Frage der Vermittlung der kulturellen Werte in diesem Unternehmenstyp".
Geschichten, die Werte tradieren
Zwacks Hypothese: Es sind Geschichten, die Werte tradieren. Nun ist "Storytelling" seit einigen Jahren das große Ding, wenn es um die Vermittlung von Inhalten, Aussagen und - ja - auch "Werten" geht, nach außen ebenso wie nach innen. Intuitiv - das sagt auch Zwack - werden viele seiner Hypothese zustimmen. Doch erforscht ist die Sache noch nicht. Anlass genug, die Sache zum Thema einer Doktorarbeit zu machen.
Die bietet Gewinn für den akademischen Leser ebenso wie für jene, die nach praktischer Orientierung suchen. Zunächst der wissenschaftliche Gewinn: Ja, Geschichten eignen sich tatsächlich besonders gut, Werte zu transportieren. Etwa die vom Firmengründer, der sich nach der Wende nicht zu schade war, "auf Sofas in Plattenbau-Wohnungen zu übernachten", während er neue Geschäftspartner in den neuen Bundesländern suchte - und so den Erfolg fand. Ganz im Gegensatz zu Konzernen, deren Vorständen so etwas nicht im Traum eingefallen wäre. Oder die vom Gründer, der als "einfacher Kaufmann" auf einem Forum die versammelten Professoren und Doktoren mit seinem Vortrag an die Wand redete und auf diese Weise seine Kompetenz unter Beweis stellte. Geschichten vermitteln eben nicht nur Begebenheiten, sie sind Träger von Kommentaren und eben Wertungen.
Geschichten leben von der Wiederholung, das gilt für Firmengeschichten ebenso wie für die Gutenachtgeschichte oder den Nationalmythos. Erst Wiederholung macht Inhalte lebendig und präsent. Das unterscheidet Geschichten von einem "Mission Statement" auf der Website oder regelbasierten Entscheidungsbäumen für das Management. Geschichten halten Abwesendes - und Abwesende! - lebendig. Nicht nur der deutsche Mittelstand, für nicht wenige deckungsgleich mit Familienunternehmen, lebt vom Mythos des Gründers und seines Umfeldes. Was wäre das Automobil ohne die Geschichte von Cäcilie Benz, die als Führungsmitglied eines Familienunternehmens 1888 eine gut 100 Kilometer lange Fahrt mit dem Motorwagen unternahm und so der Erfindung ihres Mannes Carl Benz zum Durchbruch verhalf?
Gelungene Firmennarrative
Zwack gelingt es, anhand von Fallbeispielen gelungene Firmennarrative zu charakterisieren. So zeichnen diese sich unter anderem dadurch aus, von vielen verschiedenen Befragten gleich oder ähnlich interpretiert zu werden. Übertragen auf die "Plattenbau-Sofa"-Geschichte dürfte das bedeuten: "Wir pflegen keinen Dünkel - und haben deswegen Erfolg." Essenziell auch Zwacks Erkenntnis, dass "Geschichten" dazu dienen, von ihnen abweichendes Verhalten nicht nur zu ahnden, sondern zunächst einmal als Abweichung zu identifizieren - um dann die Möglichkeit zu eröffnen, neben der Ahndung auch die Inkorporierung jener Abweichung als nützliche Weiterentwicklung, gar Korrektur denkbar zu machen.
Genau das schlägt Zwack unter anderem im letzten Teil seiner Dissertation vor. Dort führt er sieben Fragen auf, welche sich neu ins (Familien-)Unternehmen gekommene Manager stellen können, die sich die Macht der Geschichten zunutze machen wollen. Etwa: Als ich neu ins Unternehmen kam, welche Geschichte hat mich beeindruckt, welche Geschichte würde ich weitererzählen? Oder: Welche Geschichten werden mit Stolz, welche mit Abscheu erzählt? Oder: Welche Geschichten werden über Führungskräfte erzählt, die vorzeitig gehen mussten, welche über Führungskräfte, die sich trotz Fehler halten können? Und auch: Welche Geschichten werden im Unternehmen eigentlich über mich erzählt?
Grundlage geteilter Welterfahrung
Geschichten, das ist gefühlte Wahrheit, sind schon immer Grundlage unserer mit anderen geteilten Welterfahrung gewesen. Zugleich behaupten Bewegungen wie "Database Journalism", die Welt sei rational und faktenorientiert zu begreifen. Die Macht der Geschichten wagt den Versuch, empfundene Wahrheit mit Empirie zu verbinden. Das gelingt. Und ist, am Beispiel der unsere Wirtschaft zum Gutteil tragenden Familienunternehmen, eine Analyse eben jenes Geheimnisses, das diese Unternehmensform so erfolgreich macht.
changeX 07.02.2013. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Zum Buch
Mirko Zwack: Die Macht der Geschichten. Erzählungen als Form der Wertevermittlung in Familienunternehmen. Carl-Auer Verlag, Heidelberg 2011, 275 Seiten, 24.95 Euro, ISBN 978-3896709486
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Autor
Jost BurgerJost Burger ist freier Journalist in Berlin. Er schreibt als freier Mitarbeiter für changeX.