Produktiv faul
Projektmanagement ist harte Arbeit. Stimmt nicht, sagt ein britischer Autor. Er empfiehlt: Entspannt zurücklehnen, statt sich im Klein-Klein des Projektalltags aufzureiben. Hinter dem Paradigma der Faulheit aber verbirgt sich das Prinzip der Effizienz: Es gilt, das Richtige zu tun, und das gescheit.
Man soll die schwierigsten Projekte ja immer den besten Leuten geben. Den Fleißigen und Klugen, die sich aufgrund ihrer Beharrlichkeit und Methodenkenntnis am besten zum Projektmanager eignen. Denn nur mit ständiger, harter Arbeit schafft es der gute Projektmanager, sein Projekt erfolgreich zu Ende zu führen.
Stimmt nicht!, sagt der Engländer Peter Taylor in seinem Buch Projektmanagement für Faulenzer, und führt als Zeugen niemand anderen als Helmuth Karl Bernhard Graf von Moltke an. Der soll in seiner Zeit als oberster preußischer Heerführer im 19. Jahrhundert ein System zur Klassifizierung seiner Offiziere ersonnen haben, das bis heute in den Armeen dieser Welt bekannt ist. Auch von Moltkes Streben war es, die besten und tüchtigsten seiner Leute auszuwählen, um mit ihnen die wichtigsten Stellen zu besetzen. Das tat er, indem er seine "Human Resources" in eine Matrix nach den Kategorien klug/nicht klug und fleißig/nicht fleißig einteilte. Das Erstaunliche: Für die höchsten Führungsaufgaben bestimmt hielt er die Leute, die zwar klug - aber auch faul waren. Und mit dieser Strategie des intelligenten Faulenzens bringe man Projekte eben auch heute noch am besten durch, findet Taylor.
Faktor Mensch
Warum um Himmels willen singt Taylor, selbst äußerst erfolgreicher Projektmanager für weltweite Konzerne, Coach und Vortragsreisender in Sachen Projektmanagement, scheinbar das Hohelied der Faulheit im Projektmanagement? Ganz einfach. Taylor hat ein Buch geschrieben, das um eine einzige Erkenntnis kreist - das aber äußerst amüsant und lehrreich: "Lediglich 20 Prozent der täglichen Tätigkeiten sind wirklich wichtig. Aus diesen 20 Prozent resultieren 80 Prozent der Ergebnisse. Finden Sie heraus, woraus diese 20 Prozent bestehen, und konzentrieren Sie sich auf diese Tätigkeiten."
Projektmanagement für Faulenzer ist also ein Buch über Effizienz. Ein Buch über die Tatsache, dass allen - dem Projektleiter, den Projektmitarbeitern und natürlich dem Projekt selbst - am besten gedient ist, wenn jeder nach dem Prinzip "minimaler Einsatz für maximalen Gewinn" handelt. Wer sich das eine Weile durch den Kopf gehen lässt, der erkennt, dass dies ein zutiefst menschlicher Ansatz ist. Niemand tut gern mehr, als wirklich nötig ist - es sei denn, er habe vergessen, dass Projekte nicht um ihrer selbst willen durchgeführt werden. Sondern um des Nutzens willen, den sie Organisationen bringen.
Und entsprechend menschelt es deshalb auch bei Taylor. Er schreibt aus der Erfahrung heraus, dass Dinge dann klappen, wenn man an die Menschen denkt, die sie ausführen. So wichtig es laut Taylor ist, all die gängigen "technischen" Werke zum Projektmanagement zu kennen (von denen er in den Literaturtipps eine sehr kleine, sehr durchdachte Auswahl angibt), so entscheidend ist es für ihn, den menschlichen Faktor zu begreifen und zu beherzigen.
Um beim Paradigma der Faulheit zu bleiben, hinter dem sich das Prinzip der Effizienz versteckt: Taylor sagt ganz klar, dass gute Projektmanager hart arbeiten müssen. Sie sollten nur wissen, wann es sich lohnt: am Anfang und am Ende eines Projekts. Zu Beginn geht es begreiflicherweise darum, die Grundlagen für einen reibungslosen Ablauf zu legen. Je besser gute - weil "produktiv faule" - Projektmanager hier ihre Hausaufgaben machen, desto leichter wird es "im Mittelteil". Das bedeutet beispielsweise, zunächst jedes noch so kleine Informationsfitzelchen zum Projekt zu kennen. Es bedeutet, seine Mitarbeiter ebenso gut kennenzulernen wie den "Projektpaten", also in der Regel den Partner auf Kundenseite. Und es heißt auch, sich von Beginn an klarzumachen, welche die wirklich wichtigen 20 Prozent sind, um die es sich zu kümmern gilt - und was man getrost dem Rest des Teams überlassen kann.
Am Anfang und am Ende dick
"Ein Projekt ist am Anfang dick, in der Mitte dünn, und am Ende wieder dick", schreibt Taylor, und umreißt damit den Arbeitsaufwand eines guten Projektleiters. Damit ein Projekt nicht in nervenaufreibendes Klein-Klein ausfranst und erfolgreich abgeschlossen wird, müssen faule, aber kluge Projektleiter vor allem an dessen dicken Enden mehr Zeit und Aufmerksamkeit investieren.
Dann bleibt auch die Muße, morgens erst mal die Zeitung zu lesen und Mails zu checken. Und mit den Mitarbeitern zu reden, denn neben der Einsicht, dass gute Projekte ein gutes Fundament und ein gutes Dach brauchen - den Rest besorgen die erfahrenen Handwerker schon von alleine -, erinnert uns Taylor auch daran, dass Projektmanagement vor allem Kommunizieren bedeutet. Kluges und überlegtes Kommunizieren, denn: "Eine gute Führungskraft hat reichlich Zeit für ihr Team, denn indem sie dafür sorgt, dass alles wie am Schnürchen klappt, herrscht an Zeit kein Mangel."
Gutes Projektmanagement ist eben, das ruft aus diesem Buch, ein gutes Balancehalten zwischen all dem prozessualen Know-how, all dem Streben, sich um jedes Detail kümmern und ständig erreichbar sein zu wollen, und dem Wissen, dass Prozesswissen alleine nichts reißt, dass fehlende Distanz zum Projekt diesem auch schaden kann.
Auf Managerdeutsch heißt das: Gezielt lateral denken. Und von oben. Es ist der klassische "Helikopterblick", den Taylor auf das Thema Projektmanagement wirft, und den er jedem Projektmanager für seine Projekte auch empfiehlt. Während des Fluges muss man nicht alles selbst machen, aber Start und Landung müssen gelingen.
Warum etwas getan werden sollte
Dabei serviert Taylor auch eine Menge nützlicher Tipps - zum Beispiel die berühmte "post mortem"-Phase, also die Auswertung nach dem Projektabschluss, schon am Anfang in den Projektplan aufzunehmen. Aber im Unterschied zur Masse anderer Projektratgeber, die zumeist eine Unmenge kleiner Wichtigkeiten aufzählen, spricht Taylor eben auch von den Gründen, wegen derer diese Dinge getan werden müssen. Und die liegen für ihn in den menschlichen Dynamiken, die in der Projektarbeit entstehen und die in vielen Fachbüchern allzu oft vor lauter prozessualer Anweisungsfreude vergessen werden. Klingt zu einfach? Auf die einfachen Dinge kommt man erst, wenn man all die Theorie gekaut hat, das erfährt man aus diesem Buch, das sich so charmant-schlitzohrig mit einem scheinbar allzu lässigen Titel tarnt und mit einer humorvoll-menschlichen Sprache daherkommt. Im Grunde klingt Taylors Buch wie ein launiger Vortrag - aber von jemandem, der aus der Erfahrung von Jahrzehnten spricht.
Wem das zu jovial erscheint - Lernen, und auch noch Spaß dabei haben -, der kann sich ja an der Unzahl knochentrockener Lehrbücher erfreuen, die es zum Thema gibt. Für alle anderen gilt: Schließen Sie das Gantt-Diagramm, legen Sie die Füße auf den Tisch und lesen Sie ganz entspannt dieses wunderbare Buch.
changeX 29.08.2011. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Peter Taylor: Projektmanagement für Faulenzer. Wie Sie Ihre Produktivität verdoppeln und dennoch früher Feierabend machen können. GABAL Verlag, Offenbach 2011, 200 Seiten, 24.90 Euro, ISBN 978-3-86936-234-2
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Jost BurgerJost Burger ist freier Journalist in Berlin. Er schreibt als freier Mitarbeiter für changeX.