Motivation heißt ich will
Hartnäckig hält sich die Meinung, man könne Menschen "motivieren", sie zu Leistung treiben. Doch Menschen sind nicht steuerbar. Motivation kommt immer von innen. Motivation heißt: "Ich will!" Die Essenz über Motivation und Arbeit.
Immer wieder - immer noch! - liest und hört man davon, man könne, solle, müsse Menschen motivieren. Gerade im Unternehmenskontext. Im Management. Management scheint geradezu konstituiert von der Vorstellung, Menschen zu etwas bewegen zu wollen, zu dem sie von sich aus nicht in der Lage seien. Und sie im Unternehmen so zu positionieren, dass sie dies möglichst effizient tun könnten.
Dabei sollte spätestens seit 1992 - damals erschien Reinhard K. Sprengers zum Bestseller gewordenes Buch Mythos Motivation - klar sein, dass das nicht geht. Dass man Menschen nicht motivieren kann. Hochgelobt, x-fach aufgelegt und immer wieder zitiert, ist die Botschaft von Mythos Motivation dennoch nicht in der Praxis angekommen, jedenfalls nicht in der Breite.
Sie dorthin zu tragen, ist das Ziel eines kleinen Buches, das Sprenger quasi als Kurzform seines Motivationsklassikers verfasst hat. Erschienen ist es 2008 in der 30-Minuten-Reihe von GABAL und wurde auch dort zum Auflagenrenner, ganz so wie der Originaltitel bei Campus - das schmale Büchlein erscheint bereits in der 17. Auflage, und so ist zu hoffen, dass das Buch seine Wirkung nicht verfehlt.
Motivation heißt wollen
30 Minuten Motivation heißt es schlicht und scheint so zu versprechen, was sich viele insgeheim erhoffen: die Mitarbeiter endlich zu voller Leistung zu bringen. Das Buch ist also gewissermaßen U-Boot in fremden Gewässern, es spricht (auch) Motivierungs-Fans an und sucht sie zu überzeugen. Entsprechend behutsam geht Sprenger vor. Während er in Mythos Motivation schon in der Einleitung von der "Antreiber-Praxis" in Unternehmen spricht, beginnt er im 30-Minuten-Buch zunächst einmal mit der Uneindeutigkeit des Begriffs "Motivation", um dann umso klarer zu definieren: "Bringen wir es entschlossen auf eine kurze Formel, dann heißt Motivation ‚Ich will!‘." Das kommt von innen. In deutlicher Abgrenzung davon verwendet der Autor für den Versuch der Fremdsteuerung den Begriff der "Motivierung". Und macht klar: "Vergeblich: Menschen sind zwar beeinflussbar, aber nicht steuerbar." Motivierung kann manchmal kurzfristig Wirkung zeigen, aber niemals dauerhaft Motivation erzeugen. "Denn Motivation ist immer Einzelleistung des Einzelnen, ist immer selbstinitiativ." Auf wenigen Seiten umreißt Sprenger klar und präzise die Grundlagen einer Motivationstheorie, die den Menschen als Individuum annimmt und respektiert. Und darauf baut.
Arbeit als Freiheit
Diese Autonomie des Individuums ist auch Voraussetzung für Leistung, dem Thema des zweiten Kapitels: "Der Mensch muss also wollen, können und dürfen, wenn Leistung aus seinem Handeln resultieren soll." Verantwortlich zu machen ist er dabei nur für das Wollen, für die "Leistungs-Bereitschaft". Das Können und Dürfen, die "Leistungs-Fähigkeit und Leistungs-Möglichkeit" werden dagegen ganz wesentlich von der Führungskraft beeinflusst.
Diese drei Faktoren Leistungs-Bereitschaft, Leistungs-Fähigkeit und Leistungs-Möglichkeit, jeweils bezogen auf die Person und ihr Umfeld, die Situation, ergeben eine Matrix mit sechs Handlungsfeldern der Leistungs-Motivation. Sie sind Gegenstand des dritten und vierten Kapitels: Zunächst geht es um die persönliche Einstellung, dann um die Rahmenbedingungen. Das Buch wendet sich somit sowohl an den einzelnen Mitarbeiter und seine Verantwortung für seine persönliche Haltung zu seiner Arbeit wie auch an die Führungskräfte, die die Rahmenbedingungen setzen und verantworten.
Für beide hat Sprenger unangenehme Wahrheiten parat. Wer sich immer nur als Opfer der Umstände erlebt, wird nie wirklich motiviert sein können. Schluss mit dem Gejammer also! "Sie haben Ihre Arbeit, so wie sie jetzt ist, frei gewählt." Das Bewusstsein der Wahlfreiheit und die Wahl der passenden Tätigkeit, die genau den eigenen Fähigkeiten entspricht, sind Voraussetzung dafür, dass Arbeit als sinnvoll empfunden wird. Voraussetzung also für wirkliche Motivation.
Von Liebe gesättigt
Was bleibt da noch für Führungskräfte zu tun? Wenn Motivation entscheidend von innen kommt und sich daran nicht drehen und schrauben lässt? Zunächst sollten sie aufhören, ihre Mitarbeiter zu demotivieren, zum Beispiel durch Anreize, sagt Sprenger. Und dann daran arbeiten, die Bedingungen der Möglichkeit von Motivation zu schaffen, indem sie (erstens) die Aufgabenbereiche der Mitarbeiter so gestalten, dass diese ihre Arbeit als Herausforderung erleben, und (zweitens) Freiräume im Unternehmen eröffnen, die selbstverantwortliches Handeln und Eigeninitiative möglich machen. Dazu braucht es Führungskräfte, die nicht von Egomanie getrieben sind, sondern gerne mit Menschen arbeiten. Die - Sprenger wagt es - "von Liebe gesättigt sind".
Der zentrale Begriff ist Verantwortung. Verantwortung als Pendant zu Freiheit. Hier liegt der Kern jeglicher Motivation: Arbeit in eigener Verantwortung als Freiheit erfahren zu können. Sprenger macht dies unmissverständlich deutlich, klar und präzise. Überhaupt, an diesem kleinen Buch ist kein Wort zu viel. Es ist, wenn man so will, die Essenz von Reinhard K. Sprengers Denken über Motivation und Arbeit.
Zitate
"Bringen wir es entschlossen auf eine kurze Formel, dann heißt Motivation ‚Ich will!‘." Reinhard K. Sprenger: 30 Minuten Motivation
"Vergeblich: Menschen sind zwar beeinflussbar, aber nicht steuerbar." Reinhard K. Sprenger: 30 Minuten Motivation
"Sie haben Ihre Arbeit, so wie sie jetzt ist, frei gewählt." Reinhard K. Sprenger: 30 Minuten Motivation
changeX 21.06.2013. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Zum Buch
Reinhard K. Sprenger: 30 Minuten Motivation. GABAL Verlag, Offenbach 2013, 96 Seiten, 8.90 Euro, ISBN 978-3-86936-257-1
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Winfried KretschmerWinfried Kretschmer ist Autor, Redakteur & Macher bei changeX.