Alternativen im Kleinen

Einfach ein gutes Leben - das neue Buch von Peter Plöger
Text: Heike Littger

Weitermachen wie bisher? Immer mehr Menschen wollen das nicht. Suchen nach Alternativen. Aber sie warten nicht auf eine große, neue Idee, sondern fangen einfach an. Im Kleinen, vor Ort, in der alltäglichen Praxis.

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Im vergangenen Jahr rumorte es gewaltig in Deutschland. Stuttgart 21. Demonstration gegen die dritte Startbahn im Erdinger Moos. Zelten gegen die Bankokratie. Und es wird, so vermutet Peter Plöger, auch in diesem Jahr mit den Protesten weitergehen. Denn es sind nicht die üblichen Verdächtigen, die neuerdings mit Rasseln, Pfeifen und Transparenten auf die Straße gehen. Die Protestwelle zieht sich quer durch alle Schichten und politischen Lager.  

Was sie eint, so Peter Plöger in seinem neuen Buch Einfach ein gutes Leben. Aufbruch in eine neue Wirtschaft, sei das Gefühl, dass das Wachstumsmantra zu unserer endlichen Welt nicht mehr so recht passen mag. Und eine zunehmende Unlust, trotzdem weiterzumachen wie bisher. Und diese Unlust steigt weiter an. Nur: Was sind die Alternativen?


Alternativen im Kleinen, vor Ort, in der alltäglichen Praxis


Peter Plöger war mehrere Jahre im Vorstand der Vereinigung für Ökologische Ökonomie (VÖÖ). Heute ist er ein selbst ernannter Multijobber, der unter anderem Bücher schreibt. Für Einfach ein gutes Leben hat er in ganz Deutschland nach Menschen gesucht, die "der kapitalistischen Marktwirtschaft bereits ein Schnippchen schlagen". Und er hat etliche gefunden. Sie warten nicht auf eine große, neue, intellektuelle Idee. Auf eine Trendwende in Politik und Wirtschaft. "Jeder von ihnen tut einfach, was er für richtig und notwendig hält", schreibt Plöger. "Alternativen im Kleinen, vor Ort, in der alltäglichen Praxis."  

Der eine kauft Bett und Tisch nicht länger bei irgendeinem Möbelgiganten, sondern baut es in einem Haus der Eigenarbeit selbst. Die andere stellt Läufer aus alten Plastiktüten her und verkauft sie über ein trendiges Heimwerkerportal. Der eine geht unter die Hausbesetzer, um ein ganzes Viertel vor Investoren zu schützen. Die andere zieht aufs Land, um künftig Getreide, Kartoffeln und Gemüse selbst anzubauen. Der eine gründet einen Umsonstladen in seinem Viertel. Die andere schließt sich einer Gruppe von Guerilla-Gärtnern an und pflanzt auf verdreckte Grünstreifen Krokusse und Narzissen.  

"Keiner der hier Vertretenen stellt sich gänzlich außerhalb der ökonomischen Zusammenhänge", schreibt Plöger. "Sie machen einen oder zwei entscheidende Schritte heraus, entledigen sich damit aber schon der diffusen Unzufriedenheit, die viele andere ebenso empfinden." Eine Unzufriedenheit gegenüber dem für Plöger gängigen Lebensstil: Arbeiten, Geld verdienen, konsumieren, noch mehr arbeiten, noch mehr Geld verdienen, noch mehr konsumieren. Weil Konsum kein Selbstzweck ist, so der Autor, und echter Wohlstand nicht an der Höhe des Bruttosozialproduktes messbar. Zu einem guten Leben gehört auch, etwas selber zu machen, kreativ zu sein, die Stadt, in der man lebt, mitzugestalten, sich zu engagieren, sich einzubringen und mit anderen zu verbinden.


Den Alltag entmarkten


Plöger greift verschiedene Fäden auf, beschreibt, verwebt. Was verbindet die alten und neuen Spielarten des Konsumverzichts? Was hat das Münchner Haus der Eigenarbeit mit dem Berliner Gemeinschaftsgarten Rosa Rose gemein? Tauschringe, Peer Production und Urban Gardening, Do-it-yourself-Portale, Selbstversorgerhöfe und Fabbing, Freerunner, Mülltaucher und die Glücklichen Arbeitslosen - wo liegen die Parallelen?  

Seite um Seite entsteht so eine durchaus spannende Deutschlandkarte, über die sich ein fein gesponnenes Netzwerk aus bislang versprengten Initiativen, Organisationen, Unternehmen und Einzelakteuren legt. Ihnen allen geht es um mehr Freiheit, mehr Unabhängigkeit, mehr Selbstbestimmung. Um weniger Markt, weniger Konsum, mitunter auch weniger Geld. Insofern eine Fülle an Ideen, Anregungen und Möglichkeiten, für alle, die, wie Plöger schreibt, "ihren Alltag entmarkten" wollen.  


changeX 17.01.2012. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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Zum Buch

: Einfach ein gutes Leben. Aufbruch in eine neue Gesellschaft. Carl Hanser Verlag, München 2011, 256 Seiten, 17.90 Euro, ISBN 978-3-446-42684-9

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Autorin

Heike Littger
Littger

Heike Littger ist selbständige Journalistin und wohnt in Mountain View, Kalifornien. Sie schreibt als freie Autorin für changeX.

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