Zwitschern lernen
Immer mehr Menschen nutzen Social Media. Doch viele andere haben Berührungsängste oder fürchten die Entblößung ihrer Privatsphäre. Der 30-Minuten-Reader zeigt, wie man Social Media richtig nutzt. Tipp für Beginner: Langsam anfangen!
Die Nutzerzahlen sozialer Netzwerke nehmen weiter zu. Jeder vierte Deutsche nutzt bereits Netzwerke wie Facebook. 13 Millionen deutsche Nutzer sind dort angemeldet, 2,9 Millionen bei Twitter. Unter den Jugendlichen sind 70 Prozent Mitglied bei einem sozialen Netzwerk. Experten halten 20 Millionen Facebook-Nutzer in Deutschland für „locker erreichbar“. Der Trend ist also ungebrochen.
Dennoch sind viele skeptisch, haben Berührungsängste oder fürchten gar die Entblößung ihrer Privatsphäre. Genährt werden solche Zweifel von Zeitungsberichten über gravierende Mängel beim Datenschutz oder öffentlich gewordene peinliche Fotos. Nicht zuletzt heizen Warnungen vor einer Bedrohung von Mensch und Kultur die Debatte immer wieder an. Gerade erst schlugen der Unternehmer Wolfgang Grupp und der Hirnforscher Ernst Pöppel mit ihren Äußerungen – Grupp: „Twitterer sind Idioten!“, Pöppel: „Facebook ist Selbstprostitution“ – heftige Wellen, kaum hatte sich die Aufregung um Frank Schirrmachers Warnung vor einer Gehirnerweichung ein wenig gelegt.
Dabei täte der Debatte ein Schuss Nüchternheit gut. Und, so könnte man hinzufügen, ein wenig mehr Respekt vor den Motiven der Menschen, die im Netz ihr Leben mit anderen teilen möchten. Vor allem aber bedarf es sachlicher Information über die Möglichkeiten und Risiken der sozialen Netzwerke. Genau das bieten Tim Schlüter und Michael Münz in ihrem kleinen Bändchen Twitter, Facebook, Xing & Co. aus GABALs 30-Minuten-Reihe, die sich immer schon durch präzise und knappe Information auszeichnet. Das trifft auch auf diesen Band zu. Das Buch eignet sich sowohl für Menschen, die noch keine Erfahrungen mit Social Media gesammelt haben und sich erst einmal mit dem neuen Medium vertraut machen wollen, wie auch für jene, die mehr über Nutzungsmöglichkeiten und Risiken erfahren wollen.
„Fangen Sie langsam an.“
Die beiden Autoren sind Medienprofis – Tim Schlüter ist Journalist, TV-Moderator und Medienberater, Michael Münz Experte für strategische Medienentwicklung. Und sie benennen klar, welchen dramatischen Wandel in der Mediennutzung das Web 2.0 gebracht hat. Jeder Einzelne kann nun zur „Stimme im Netz“ werden, kann auf praktisch unendlich viel Information zugreifen, sich mit Gleichgesinnten über Themen seiner Wahl austauschen und sein Wissen mit anderen teilen. Jeder kann selbst zum Sender von Information werden und dabei potenziell ein weltweites Publikum erreichen.
Kann – muss aber nicht. Das ist die wichtige Einschränkung dieses Socia-Media-Grundsatzes, die Münz und Schlüter geltend machen. Und damit ein häufig vertretenes Missverständnis korrigieren: Die für Einsteiger wichtige Botschaft lautet: „Man muss nicht zwingend selbst senden, um empfangen zu können.“ Jeder kann Nachrichten auf Twitter lesen, ohne selbst Mitglied zu sein oder gar selbst zu twittern. Und genau das empfehlen die Autoren Neueinsteigern. Und zeigen, wie sie das „langsam, vorsichtig und risikoarm tun können“.
Klar und prägnant arbeiten die Autoren die Nutzungsmöglichkeiten und Risiken der bekanntesten Social Networks Xing, Twitter und Facebook heraus und informieren über die wichtigsten Kniffe, die man wissen muss, um sinnvoll damit arbeiten zu können. Wohltuend ist auch, dass sie im Fall Twitter nicht die Masse an getwitterten Belanglosigkeiten in den Vordergrund rücken, sondern die Funktion des Mediums als individuell konfigurierbarer Nachrichtenkanal und Abbildung der aktuell im Netz ablaufenden Gespräche und Diskussionen.
Sehr hilfreich sind vor allem die Tipps im Umgang mit Facebook, denn dieses Netzwerk hält bekanntlich die meisten datenschutztechnischen Fallstricke bereit. Leicht wird nämlich übersehen, dass die Standardeinstellungen von Facebook alle Aktivitäten, die ein Nutzer auf der Seite unternimmt, einem weiteren Nutzerkreis zugänglich machen. Lässt sich das durch eine einfache Änderung der Grundeinstellungen korrigieren, wird ein anderes Thema mit der zunehmenden Verbreitung von Social Networks wohl erst richtig virulent werden: die Vermischung von privater und beruflicher Sphäre. Mit dem Boom von Facebook verwischen sich die Grenzen. Xing = Business | Facebook = privat, diese Unterscheidung funktioniert zunehmend weniger, seit die Geschäftswelt Facebook für sich entdeckt hat. Darauf haben die Autoren nicht wirklich eine Antwort. Wahrscheinlich werden gerade Social Networks die Auflösung der Grenzziehungen vorantreiben.
Den Umgang mit neuen Medien lernen
Und die ganze aufgeregte Debatte? Kommt in dem Buch nicht vor. Glücklicherweise. Die Autoren sind sich sicher, dass in Zukunft nicht nur die Bedeutung und Verbreitung von Social Media weiter zunehmen werden, sondern auch das Verständnis der Menschen für die Erfordernisse ihrer Präsenz in der digitalen Öffentlichkeit. „Wir haben unser Verhalten noch an jedes neue Medium angepasst und im Umgang damit gelernt. Und das wird auch bei Social Media so sein.“
Zitate
"Wir haben unser Verhalten noch an jedes neue Medium angepasst und im Umgang damit gelernt. Und das wird auch bei Social Media so sein.“ Tim Schlüter, Michael Münz: 30 Minuten Twitter, Facebook, Xing & Co.
changeX 14.05.2010. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Zum Buch
Tim Schlüter, Michael Münz: 30 Minuten Twitter, Facebook, Xing & Co. GABAL Verlag, Offenbach 2010, 80 Seiten, ISBN 978-3-86936-077-5
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Autor
Winfried KretschmerWinfried Kretschmer ist Autor, Redakteur & Macher bei changeX.