Mit Menschen rechnen

Wie Zahlenmenschen ticken - das neue Buch von Angelika Leder
Rezension: Sascha Hellmann

Wir leben in einer Welt, in der zählt, was sich zählen lässt. Kein Wunder, dass Menschen mit einer besonderen Affinität zu Zahlen den Ton angeben. Doch geht ihre Zahlenorientierung oft mit mangelnder Beziehungsorientierung einher. Zeit, den Menschen wieder in den Mittelpunkt zu rücken.

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Sie sind mitten unter uns, geistig brillant und erfolgreich. In Unternehmen sind sie es, von denen man erwartet, dass sie die Sache schon richten werden. Und das tun sie auch. Doch sie geben oft mit einer Kühle den Ton an, der es schwer macht, mit ihnen warm zu werden. Was ihnen meist nichts weiter ausmacht, da für sie nur zählt, dass am Ende die Zahlen stimmen. Die Rede ist von Zahlenmenschen.  

Ihnen hat Angelika Leder, die seit über zehn Jahren als Executive Coach auf die Zusammenarbeit mit zahlenorientierten Senior- und Topmanagern spezialisiert ist, ein ganzes Buch gewidmet: Wie Zahlenmenschen ticken - Stärken, Grenzen, Potenziale. Es ist ein Buch für Zahlenmenschen und diejenigen, die mit Zahlenmenschen umzugehen haben.  

Unter zahlenorientierten Managern versteht Leder nicht diejenigen, die notgedrungen mehr auf Zahlen achten als früher, sondern jene, "die sich selbst als Zahlenmenschen bezeichnen". Sie können hervorragend mit Zahlen umgehen, haben auch gern mit Zahlen zu tun, denken vorwiegend in Zahlen und drücken sich in Zahlen aus.


Zahlen und Sachverhalte statt Beziehungen und Emotionen


Neben dieser Zahlenorientierung haben Zahlenmenschen nach Leder noch weitere zwölf Merkmale gemeinsam: "Sie sind (1) überdurchschnittlich analytisch begabt, (2) schnell im Denken und Handeln, (3) ausgeprägt ergebnisorientiert, (4) sachorientiert, (5) zielorientiert und (6) erfolgsorientiert. Sie brauchen (7) wenig Anerkennung, sind (8) sehr unabhängig vom Urteil anderer und (9) man kann sich auf das verlassen, was sie sagen. Doch sind sie zugleich auch (10) wenig beziehungsorientiert, neigen (11) zum kritischen Hinterfragen und (12) kommunizieren lieber über Zahlen und Sachverhalte als über Beziehungen und Emotionen."  

Dieses Potpourri an Eigenschaften macht mindestens zweierlei deutlich: Zahlenmenschen beherrschen die Sachebene, doch mit der Beziehungsebene haben sie ihre Probleme. Nicht alle, aber viele, räumt die Autorin ein. Ein Problem ist das nicht nur für Zahlenmenschen, sondern auch für Unternehmen. Denn trotz der kognitiven Brillanz, trotz toller Zahlen komme es immer häufiger vor, dass Topmanager gehen müssen, weil sie unter den Mitarbeitern keinen Rückhalt gefunden haben.  

Hier setzt Leder an. Mit ihrem Buch will sie Zahlenmenschen auf der Beziehungsebene auf die Beine helfen. Zahlenorientierte sollen mehr Zufriedenheit durch intakte Beziehungen erleben. Gleichzeitig ist damit natürlich auch den Menschen und Unternehmen geholfen, die mit Zahlenmenschen zu tun haben. Denn es sind nicht nur die Zahlen, auf die es ankommt, sondern auch die Menschen. Am Ende ist es beides, was zählt.


Wertschätzung erfahren


Leder hat ihr Buch in drei große Kapitel gegliedert: Im ersten, mit dem Titel "Schwarz", wird "schwarzgesehen und schwarzgemalt": Es geht darum, was bei den Zahlenmenschen alles so schiefläuft; im zweiten, mit dem Titel "Weiß", zeigt die Autorin auf, welche Aspekte von Management und Führung gerade für zahlenorientierte Manager besonders wichtig sind; und im dritten und letzten Kapitel "In Farbe" zeigt sie auf, wie zahlenorientierte Manager sich persönlich verändern können. Unterhaltsam dabei: Neben sachlichen Analysen und Erklärungen erzählt die Autorin viele kleine, frei erfundene Geschichten, in denen sie die Zahlenmenschen mit ihren besonderen Eigenheiten anschaulich auftreten lässt.  

Aber was läuft nun bei ihnen schief? In erster Linie ist es der Mensch, mit dem die Zahlenmenschen nicht gerechnet haben. Grund dafür seien nach Leder oft Grundannahmen wie: "Es geht um die Sache und nicht um die Person", oder: "Emotionen gehören nicht ins Unternehmen." Doch diese Perspektive rächt sich. Die meisten Menschen wollen nicht nur sachorientiert arbeiten, sondern auch Wertschätzung erfahren. Nur dann sind sie auch bereit, einen vorgegebenen Plan umzusetzen und dem zahlenorientierten Manager den Rücken zu stärken. Ein weiteres Bündel an Problemen von Zahlenmenschen: "ungebremster Konfrontationswille, fehlende Flexibilität, Ungeduld anderen gegenüber und - als Resultat dieser Eigenschaften - mangelnder Rückhalt im Unternehmen, sowohl durch die Mitarbeiter als auch durch die Kollegen und Vorgesetzten".


Sich selbst sanieren


Doch gibt es einen Weg, aus diesem Schatten wieder ins Licht zu treten: Zahlenmenschen müssen eben neben den Zahlen den Menschen in den Blick bekommen. Sowohl sich selbst als auch ihren Nächsten. Leder schreibt: "Ein guter Leader baut Beziehungen auf, zeigt seinen Gesprächspartnern Interesse an ihrer Person, zollt ihnen Anerkennung, nimmt die emotionalen Botschaften von anderen ernst und schafft ein Vertrauensverhältnis." Das ist zwar zunächst leichter gesagt als getan. Aber was den Zahlenmenschen laut Leder bei Veränderungen zugutekommt, ist ihre Beharrlichkeit. Sind sie erst mal davon überzeugt, nicht nur das Unternehmen, sondern auch sich selbst zu sanieren, darf Hoffnung aufkeimen. Ein zentrales Moment auf dem Weg zur Besserung ist die Kommunikation: Denn gerade hier hakt es oft bei Zahlenmenschen, die häufig oft nur auf den Inhalt dessen achten, was sie sagen. Dabei kommt es in kommunikativen Prozessen bekanntlich auch stark auf Stimme, Betonung, Gestik und Mimik an. Sie vermitteln dem Gegenüber wichtige Botschaften. Insofern will auch die Selbstwahrnehmung geschult werden.  

Zahlenmenschen sind nicht nur zum Perspektivwechsel in Bezug auf sich und ihr Umfeld aufgerufen, sondern auch dazu, verschiedene Perspektiven zu begrüßen: "Erfolgreiche Leader fordern und fördern die Diversität ihres Umfelds. Unterschiedliche Perspektiven zu ein und derselben Sache fördern bessere Lösungen zutage. Erfolgreiche Leader betrachten Unterschiedlichkeit nicht als Last und Hemmnis, sondern als Chance für Innovation." 

Wer Zahlen mag, vielleicht sogar ein bisschen mehr als Menschen, für den wird das Buch ein Gewinn sein. Aber auch Menschen, die mit Zahlenmenschen zu tun haben, sich aber mit ihnen schwertun, werden profitieren: Die Autorin taucht nämlich die Kühle dieser Menschen in ein wärmeres Licht, indem sie ihre Beweggründe transparent und sie damit menschlicher macht. Kurzum: Ein Buch für Menschen diesseits und jenseits der Zahlen.  


changeX 28.09.2012. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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Zum Buch

: Wie Zahlenmenschen ticken. Wie Zahlenmenschen ticken. Carl Hanser Verlag, München 2012, 240 Seiten, 18.90 Euro, ISBN 978-3-446-42423-4

Wie Zahlenmenschen ticken

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Autor

Sascha Hellmann
Hellmann

Sascha Hellmann ist freier Journalist in Heidelberg. Er arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.

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