Vertrauen macht schnell
In wirtschaftlich schwierigen Zeiten erlangen bewährte Führungsprinzipien noch mehr an Bedeutung. Das neue Buch von Stephen R. Covey, wie Manager ihre Teams durch Stürme bringen und am Ende sogar noch als Gewinner aus der Krise hervorgehen können.
Krisenzeiten stellen die gleichen Führungsanforderungen wie wirtschaftlich ruhige Phasen, aber sie verschärfen zweifellos die Bedingungen, unter denen Manager ihre Teams führen, motivieren und auf gemeinsame Ziele einschwören müssen. Stephen R. Covey, einer, den auch erfahrene Managementberater als weltweiten „Führungs-Guru“ bezeichnen würden, stellt zusammen mit seinem Co-Autor Bob Whitman in dem Buch Führen unter neuen Bedingungen nun dar, wie die veränderten Rahmenbedingungen in unruhigen Zeiten aussehen und wie erfolgreiche Führung dennoch gelingen kann. Das Ergebnis liest sich wie ein Tagebuch der Tour de France: Zu Beginn freundliches Interesse hervorrufend, weckt es am Schluss ungewohnte Begeisterung und will gar nicht mehr aus der Hand gelegt werden. Das passiert einem Managementratgeber nicht alle Tage.
Vier Risikofaktoren sehen die Autoren in Krisenzeiten für Unternehmen. Erstens sind das Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Strategie.
Risiken in Krisenzeiten
Sie beginnen schon damit, dass oft nicht alle Mitarbeiter die Unternehmensstrategie kennen. Viele mittelmäßige Mitarbeiter könnten außerdem mehr zur Umsetzung der Ziele beitragen – allein, ihnen fehlt die rechte Motivation und Anleitung. Covey und Kollegen bemühen das Bild einer erfolgreichen Radrennsport-Mannschaft während einer Bergetappe der Tour de France: „Die Krise in den Bergen – das ist der schwere Teil des Rennens, bei dem sich alles entscheidet.“ Sie postulieren schlicht, dass Strategien dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn sich Unternehmen an Siegerteams orientieren. Das bedeutet: Klare Aufgabenverteilung, langfristige Ziele, die immer wieder kontrolliert werden, und eine ständige Überprüfung der Strategie.
Zweites Problemfeld in schwierigen Zeiten sind tiefe Vertrauenskrisen. Sie befallen alle Marktteilnehmer, lähmen die Wirtschaft, rauben Motivation und Zuversicht. Interessanterweise bringen die Autoren an dieser Stelle Vertrauen mit Schnelligkeit in Verbindung. Teams, die sich gegenseitig blind vertrauen, arbeiten schneller, machen weniger Fehler und reagieren besser auf Herausforderungen. Gerade in der Krise gelte, wer schneller ist, macht mehr Gewinn: „Erfolgreiche Unternehmen werden bei einer Verlangsamung der übrigen Wirtschaft sogar noch schneller.“ Vertrauen schaffen ist allerdings keine leichte Übung. Führungskräfte erreichen das zum Beispiel dadurch, dass sie für Transparenz im Team sorgen, offen kommunizieren, die eigenen Versprechen halten und nicht zuletzt ihren Teammitgliedern einen Vertrauensvorschuss geben.
Drittens droht – ob in wirtschaftlich guten oder schlechten Zeiten – stets der Verlust der Fokussierung. Doch in Krisenzeiten ist es wichtiger denn je, sich auf wenige machbare Ziele zu konzentrieren. Müssen diese auch noch von weniger Mitarbeitern erreicht werden, darf umso weniger Energie an Unwichtiges verschwendet werden: „Wenn man versucht, mehr mit weniger zu erreichen, lautet die entscheidende Frage: ‚Mehr wovon?‘“ Die gute alte Kundenorientierung – also die Konzentration auf das, was dem Kunden wirklich nützt – soll dann helfen, die wenigen Dinge zu identifizieren, um die man sich ausschließlich kümmern sollte.
Viertens sind weitverbreitete Ängste, verstärkt durch die Vertrauenskrise, sicher das Feld, das in der Krise am meisten Bedeutung gewinnt. Ängste machen mutlos und lähmen – einzelne Angestellte ebenso wie ganze Unternehmen. Die Autoren weisen darauf hin, dass Erfolg ganz generell nicht vom Himmel fällt. Optimismus und „Glück“ machen Menschen sich selbst – indem sie dort handeln, wo sie das auch können. „Wann immer wir glauben, das Problem sei ‚da draußen‘, ist genau dieser Gedanke das Problem“, formulieren Covey und Co. auf fröhlich zupackende Weise. Sie empfehlen, Mitarbeitern die Augen zu öffnen für die Felder, in denen sie diese Kontrolle über ihre Handlungen haben. Nur wer sich nicht fühlt wie ein vom Schicksal Getriebener, verliert in schwierigen Zeiten nicht die Hoffnung.
Führen durch die Krise
Wenn es um Vertrauensverluste und Ängste geht, zeigt das Buch seine großen Stärken. Psychologische Faktoren stellen Führungskräfte vor die größten Herausforderungen und werden in der Managerausbildung und der Praxisliteratur doch meist nur oberflächlich behandelt. Was Covey und sein Co-Autor über Vertrauensbildung und Selbstermächtigung schreiben, hat Hand und Fuß, kommt ohne wissenschaftlich-dozierenden Duktus aus und zeigt doch Mut zur Tiefe.
Stephen R. Covey ist Mitgründer der praxisorientierten Managementberatung FranklinCovey, die seit Jahrzehnten Unternehmen auf der ganzen Welt in Sachen Führung berät. Diese Erfahrung atmet auch der Text – dem Buch gelingt es, einfach zu sein, ohne simpel zu werden. Da macht es wenig, dass hier kaum etwas aufgeschrieben wurde, was man nicht schon einmal von Covey gelesen hat. Der leicht lesbare Band arbeitet sehr klar heraus, dass bewährte Führungsprinzipien gerade in einer Krise zur Anwendung kommen müssen, und bietet dadurch durchaus Neues.
Zudem können die Autoren mit den Erfahrungen aus Tausenden von Beratungsprojekten und jeder Menge Zahlenmaterial aufwarten. Hinzu kommt – immerhin weist das relativ schmale Buch 83 Quellenhinweise auf – eine Fülle von Verweisen und Zitate aus eigenen und fremden Studien, Artikeln und Reden anderer Experten, die oft sehr aktuell sind. Ganz nebenbei bekommt der Leser so auch Einblicke, wie Unternehmen in der aktuellen Krise reagiert haben.
Covey und sein Co-Autor kommen aus der Praxis, und so schließt sich jedem der Hauptkapitel ein Übungsteil an. Wer sich darauf einlässt, kann hier seinen Lernerfolg überprüfen – indem er aufgefordert wird, essenzielle Aussagen und Konzepte anderen zu erklären. Natürlich gibt es auch die unvermeidlichen Checklisten zur Überprüfung der Situation im eigenen Team und zur Entwicklung von Aktionsplänen zur Verbesserung der Lage. Doch auch hier zeigen sich die erfahrenen Praktiker. Alles ist aufs Nötigste beschränkt, kein Arbeitsblatt wird aus Selbstzweck angeführt. Angenehme Zurückhaltung, Praktikabilität und ganz offensichtlich große Erfahrung – Eigenschaften, die man so manchem Praxisratgeber wünschen würde, können das Buch tatsächlich zu einem brauchbaren Führer durch die Krise machen.
changeX 07.06.2010. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Zum Buch
Stephen R. Covey, Bob Whitman, Breck England (Mitarbeit): Führen unter neuen Bedingungen. Sichere Strategien für unsichere Zeiten. GABAL Verlag, Offenbach 2010, 138 Seiten, ISBN 978-3-86936-050-8
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Autor
Jost BurgerJost Burger ist freier Journalist in Berlin. Er schreibt als freier Mitarbeiter für changeX.