Praktisch führen

Führung leben – eine praktische Einführung in die Führungspraxis.
Text: Sascha Hellmann

Wie kann Führung gelingen? Es ist die alte Frage, die ein mehrköpfiges Wiener Autorenteam neu denkt. Sie plädieren für mehr Offenheit, Vertrauen, Motivation. Und Verantwortung: So zu handeln, als wäre das Unternehmen das eigene.

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Das Spektrum ist breit gefächert: Was macht die eigene Rolle als Führungskraft aus? Wie wird Veränderung gestaltet? Wie soll mit Emotionen umgegangen werden? Und wie sieht die Führung spezieller Organisationstypen und -einheiten aus? Zu diesen vier Fragenkomplexen hat ein unter C/O/N/E/C/T/A firmierendes Autorenteam zehn Aufsätze verfasst und in dem neuen Buch Führung leben. Praktische Beispiele – praktische Tipps – praktische Theorie zusammengeführt. Die Autoren sind Berater und Beraterinnen des gleichnamigen Wiener Beratungsunternehmens, das als „Wiener Schule der Organisationsberatung“ firmiert und in über 30 Jahren praktisches Führungswissen erworben und nun in diesem Band vereint hat.  

Doch nicht nur die in der Breite und Tiefe erworbenen Erfahrungswerte machen das Buch zu einem Gewinn. Darüber hinaus fußt das Buch auf einem theoretisch untermauerten Fundament bestehend aus Bausteinen aus Systemtheorie, Gruppendynamik, psychologischen Konzepten und zusätzlichen unterschiedlichen Fachkompetenzen. Bei dem weiten Spektrum, das die im Buch versammelten Aufsätze abdecken, ist es zudem bemerkenswert, dass jeder Beitrag so konzipiert und formuliert ist, dass er in sich schlüssig und eigenständig lesbar ist. Den Leser in seinem alltäglichen Tun als Führungskraft praktisch zu unterstützen, ist die gemeinsame gedankliche Klammer dieses Buches, das einen wichtigen Beitrag zur Führungspraxis liefern möchte – was zweifellos gelingt. Anschaulichkeit und Praxisorientierung stehen im Vordergrund. So sind am Ende eines jeden Beitrags die wesentlichen Punkte in Form konkreter „Rezepte“ zusammengefasst.


Handeln, als wäre das Unternehmen das eigene


Doch was meinen die Autoren, wenn sie von Führung sprechen? „Auf den Punkt gebracht, bedeutet Führung, für Ziele und ihre Erreichung, für Entscheidungen und für Leistungen zu sorgen. Dies geschieht über die Steuerung von Rahmenbedingungen, über die Definition von Rollen, Funktionen, Strukturen und Prozessen, über die Prägung handlungsleitender Werte sowie über die Vorgabe konkreter Aufgaben, die die Mitarbeiter tagtäglich zu erfüllen haben.“  

In diesem Sinne widmet sich Martin Carmann im ersten Kapitel „Die eigene Rolle als Führungskraft“ der Frage, wie mit Macht, Entscheidungskompetenz und Verantwortung professionell umzugehen ist. Er beschreibt, wie eine Führungskraft zielgerichtet Verantwortung übernimmt und Entscheidungen trifft. Darüber hinaus erläutert er, wie man sich der eigenen Werte und der Wertewelt des Unternehmens bewusst wird, sich seine innere Unabhängigkeit erhält und bei internen Machtspielen gut durchsetzen kann. Den Aspekt der Verantwortung bringt er dabei wie folgt auf den Punkt: „Wir behandeln das, was uns anvertraut ist, so pfleglich, als würde es uns gehören. Genau das meint ‚Intrapreneurship‘. Wir handeln als Unternehmer im Unternehmen und gehen mit Aufgaben, Ressourcen, Mitarbeitern so um, als wäre das Unternehmen das eigene.“ Im gleichen Kapitel beschreiben Martina und Michael Schulte-Derne im Gespräch mit Peter Wagner, „Wie Sie symmetrische Verhandlungsstrukturen und eine passende Verhandlungskultur etablieren.“  

Im zweiten Kapitel „Das Gestalten von Veränderung“ zeigt Ferdinand Schmid Schmidsfelden in seinem Beitrag „Wie Sie radikale Veränderungen schlank und schnell gestalten“, dass die meisten Veränderungsprozesse der Akzeptanz der betroffenen Personen bedürfen. Eine klare Zielorientierung bei gleichzeitiger Transparenz hilft auf diesem Weg. Wichtig ist auch ein differenziertes Erwartungsmanagement, das den differenzierten Umgang mit Erwartungen erlaubt, die erfüllt oder enttäuscht werden oder zu verhandeln sind. Erfüllte Erwartungen, die oftmals als selbstverständlich gelten, sollten als Erfolge gefeiert werden: „Dass dieser Erfolg aber das Ergebnis besonderer Leistungen einiger Menschen ist, wird oft weniger gesehen und noch weniger angesprochen. Von außen oder vonseiten der Führungskräfte kann daher viel bewirkt werden, wenn diese Erfolge wirklich benannt werden und die Leute, die dazu beigetragen haben, gewürdigt werden.“ Zwei weitere Beiträge im gleichen Kapitel stammen von Monika Veith, die sich mit der Frage beschäftigt, wie Mitarbeiterbefragungen bereichsintern ausgewertet und sinnvoll genutzt werden können, sowie von Karl Prammer, der beschreibt, „Wie Sie Entwicklung in Organisationen nachhaltig sicherstellen“. Seine These: „Je mehr es in einem Entwicklungsprozess gelingt, relevante Aspekte – also öffentlich sichtbare, ‚laute‘, aber auch ‚stille‘ und verdeckte Ansprüche relevanter Akteure, ihre Ideen, Emotionen, Bedenken et cetera – aufzuspüren und konstruktiv aufzuarbeiten, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass man als Führungskraft mit einer gefundenen Veränderungslösung nachhaltig erfolgreich ist.“


Mehr Offenheit, Vertrauen und Motivation


Im dritten Kapitel „Der Umgang mit Emotionen“ widmet sich Susanne Mingers der Frage, wie Führungskräfte ihr Gefühlsleben und das ihrer Mitarbeiter umsichtig managen. In ihrem Beitrag geht es ihr zunächst um den bewussten Umgang der Führungskraft mit den eigenen Gefühlen, um in einem zweiten Schritt den Umgang mit den Gefühlen anderer zu beleuchten. Sie zeigt insbesondere, wie die Führungskraft mit negativen Gefühlen wie Ängsten, Wut, Trauer und Resignation bei Mitarbeitern umgehen kann. Mathias Weyrer erörtert dann, wie Führungskräfte für mehr Offenheit, Vertrauen und Motivation sorgen können. Gerade der Offenheit ordnet er einen hohen Wert zu: „Ist Offenheit da, funktionieren viele Prozesse der Kommunikation, der Koordination und Entscheidung besser und effektiver.“ Gerardo Drossos beschäftigt die Frage der empathischen Führung. Diese Form der Führung ist für ihn die „andere“ Seite der Führungsarbeit. Sie steht neben der selbstverständlichen Seite, nämlich Autorität auszuüben. Für empathische Führung, die ein hohes Maß an Selbstreflexion fordere, identifiziert er vier Säulen: Selbstachtung, Zuwendung, Respekt und Fairness.  

Im vierten und letzten Kapitel „Die Führung spezieller Organisationstypen und Organisationseinheiten“, erläutert Ingrid Kreuzer, wie die Führungskraft Human Resources als attraktiven Partner für das Business positionieren kann. Und Alfred Janes zeigt, wie Führungskräfte in Expertenorganisationen erfolgreich führen können. Hierbei liefert er die Brille, mit der autonomieorientierte Experten die sie umgebende Organisation betrachten, und schildert, welche Führung Experten benötigen. Entscheidender Punkt ist hierbei, wie Experten jenseits von Geld an die Organisation gebunden werden können: „Führungskräfte binden Experten an ihre Organisation, indem sie ihnen Arbeitsräume zur Verfügung stellen, die inhaltlich ausgerichtet, durch qualitätsbezogene, wirtschaftliche und organisatorische Rahmensetzungen und Standards definiert und dabei inhaltlich-professionell frei gestaltbar sind.“


changeX 19.04.2010. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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Zum Buch

: Führung leben.. Praktische Beispiele – praktische Tipps – praktische Theorie.. Carl-Auer Verlag, Heidelberg 2010, 314 Seiten, ISBN 978-3-89670-728-4

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Autor

Sascha Hellmann
Hellmann

Sascha Hellmann ist freier Journalist in Heidelberg. Er arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.

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