Gefühlter Wandel

Veränderungen meistern: Change Cycle von Ann Salerno und Lillie Brock.
Text: Annegret Nill

Zweifel, Verunsicherung, Unbehagen. Veränderungen lösen bei den Betroffenen Gefühle aus, die den Erfolg des Wandels gefährden können. Sie sollte man kennen, wenn Veränderungen gelingen sollen.

salerno_brock_cv_140.jpg

In einer Sprachschule stehen nach einem Eigentümerwechsel Veränderungen an. Ein neues Lehrbuch wird eingeführt, und die Unterrichtsmethode wechselt. Statt des Sprechens soll nun das Schreiben der Sprache im Mittelpunkt stehen. Die Folge: Die Lehrer sind verunsichert. „Ich hegte Zweifel, wenn ich den Kursraum betrat, und fragte mich besorgt, ob meine Schüler das bekommen würden, was sie brauchten“, berichtet einer.
Zweifel und Verunsicherung gehören zu den Grunderfahrungen, die Beschäftigte machen, wenn sie mit Veränderungen konfrontiert werden. Wird ein Veränderungsprozess schlecht gemanagt, kann das bei den Beschäftigten zu einer Blockadehaltung oder sogar zur Kündigung führen. Das muss aber nicht sein. Denn die Gefühle von Menschen, die einen Veränderungsprozess durchlaufen, folgen einem festen Schema, meinen die Trainerinnen Ann Salerno und Lillie Brock in ihrem Ratgeber Change Cycle. Wie Sie berufliche und private Veränderungen meistern. Und wer den Veränderungskreis kennt, kann gegensteuern.
In sechs Phasen teilen die beiden Autorinnen den Kreis ein. Die erste Phase ist die des Verlusts. Die Mitarbeiter haben das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren und den Veränderungen ohnmächtig gegenüberzustehen. Sie haben Angst und verhalten sich wie gelähmt: „Die erste Phase kann schwierig sein, denn wir fahren dann gewissermaßen durch Nebel: Es gibt viel, was wir über die Phase vor uns noch nicht wissen, doch um unserer Sicherheit willen müssen wir in Bewegung bleiben.“ Es ist wichtig, die Veränderungen zu analysieren und persönliche Sicherheit zu finden – und nicht einfach loszubrausen.


Produktiver Zweifel.


Gelingt dies, folgt die zweite Phase: der Zweifel. Die Beschäftigten lehnen die Veränderungen ab oder stehen ihnen skeptisch gegenüber und verhalten sich offen oder verdeckt aggressiv und wütend. Es kursieren Fehlinformationen, die Gerüchteküche kocht über. Manche Mitarbeiter organisieren offen oder verdeckt Widerstand. Aber halt, nicht den Zweifel verdammen, denn er erfüllt eine Funktion: „Zweifel sind eine Programmierung unseres Gehirns, die uns in unbekannten Situationen langsamer machen soll – wir sollen uns die Zeit nehmen, uns Informationen zu beschaffen, bevor wir aktiv werden“, schreiben die Autorinnen. Schlüsselziel in dieser Phase ist also, sich mehr Wissen anzueignen. Wut ist auch eine Form von Energie. Wird sie in dieser Phase produktiv eingesetzt, kann sie den Beschluss befeuern, mit den Veränderungen fertig zu werden – und aktiv nach Bewältigungsstrategien zu suchen.
Das katapultiert einen direkt in Phase drei: das Unbehagen. Die Wut ist verpufft, die Beschäftigten haben ihren Frieden mit der Veränderung gemacht. Das heißt: Jetzt steht die Umsetzung an. Die Motivation fehlt aber noch, die Mitarbeiter fühlen sich von den Veränderungen erdrückt, sie sind verwirrt und geistesabwesend. Es ist wie bei einem Puzzlespiel, meinen die Autorinnen: Man hat inzwischen das Bild besorgt, das sich aus den Puzzleteilen ergeben soll. Aber die Teile liegen noch ungeordnet vor einem. Die Herausforderung in dieser Phase: umdenken. Aus: „Ich kann einfach nicht alles schaffen, was ich erledigen muss“ wird dann: „Ich habe schon mehr als die Hälfte geschafft.“ Es geht darum, eine positive Einstellung zu finden und Motivation zu schöpfen.
Die Belohnung für die Anstrengung: Phase vier – Entdeckung – mit ihrem Erfindungsreichtum. Die Beschäftigten haben sich die Instrumente und Ressourcen erarbeitet, die sie für die Weiterentwicklung brauchen. Sie erlangen wieder Freude an der Arbeit, sind energiegeladen und erfindungsreich. Die Interaktion funktioniert auch wieder. In dieser Phase sollten sich Manager zurückhalten, raten die Autorinnen, und keine kleinschrittigen Vorgaben machen. Die Gefahr in dieser Phase ist, dass man zwar weiß, was zu tun ist, aber bei Entscheidungen noch gehemmt handelt. Es geht dann darum, die eigene Entscheidungsfindung zu erforschen.
Im Verlauf der fünften Phase gelingt es, Vergangenheit und Gegenwart zu verstehen. Und das bedeutet: Mehrdimensionales Denken wird wieder möglich. Die Beschäftigten bemühen sich aktiv, die Veränderungen von allen Seiten zu betrachten: „In der fünften Phase akzeptieren wir jedoch, dass wir uns letztlich irgendwie vorwärtsbewegen – ob es uns nun gefällt oder nicht“, meinen Brock und Salerno.


Integration ins Leben.


Die sechste Phase setzt schließlich einen Schlusspunkt hinter den Veränderungsprozess. Die Erfahrung wird ins eigene Leben integriert. „Jetzt sind wir vom reinen ‚Überleben‘ zum produktiven ‚Gedeihen‘ gelangt“, schreiben die Autorinnen. Und: „Wenn Organisationen sich als Ganzes konsistent bis zur sechsten Phase bewegen können, haben sie über den Markt hinaus Erfolg.“ Das ist jedoch keineswegs sicher: Viele Menschen bleiben in einer der Phasen stecken, die alle ihre Gefahren bergen. Damit man die erkennen und umschiffen kann, geben Salerno und Brock den Lesern jede Menge Tipps und Anstöße zur Selbsterforschung. Sie erklären, wie Manager und Beschäftigte erkennen können, in welcher Phase sie oder die anderen sich befinden. Sie geben Fallbeispiele, erklären, welche Kommunikations- und Managementstrategien in welcher Phase am besten funktionieren und wie die Beschäftigten sich selbst unterstützen können.
Das Buch ist hilfreich für alle, die beruflich mit Veränderungen zu tun haben. Es trägt sowohl zum Selbstverständnis als auch zum Verständnis der anderen bei und veranschaulicht, welche Welten aufeinanderprallen können, wenn Management und Belegschaft sich in unterschiedlichen Phasen befinden.


changeX 12.10.2009. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

Artikeltools

PDF öffnen

gabal

GABAL Verlag

Weitere Artikel dieses Partners

Zzzzzzzzzzz

Ein Hoch auf den Kurzschlaf - fünfeinhalb Fragen an Stefanie Demmler zum Kurzinterview

Öfter mal die Perspektive wechseln

Fünfeinhalb Fragen an Frauke Ion zum Interview

Von der Generation Y lernen

Fünfeinhalb Fragen an Martina Mangelsdorf zum Interview

Zum Buch

: Change Cycle. Wie Sie berufliche und private Veränderungen meistern. Gabal Verlag, Offenbach 2009, 186 Seiten, ISBN 978-3-86936-007-2

Buch bestellen bei
Osiander
genialokal
Amazon

Autorin

Annegret Nill
Nill

Annegret Nill arbeitet als freie Journalistin, Autorin und Moderatorin in Berlin. Sie schreibt als freie Autorin für changeX.

nach oben