Führung im Tandem
Jobsharing. Arbeiten im Tandem. Zwei teilen sich eine Stelle und arbeiten gemeinsam. Das geht auch in einer Führungsrolle. Dafür muss aber nicht nur die Arbeitsteilung klappen, es ist auch eine Frage der Haltung: dass beide Partner:innen das Arbeiten im Tandem wirklich wollen, sich aufeinander einstellen, einander vertrauen, sich regelmäßig Feedback geben - und in die Beziehungsebene investieren.
Tina Seeger und Katharina Schorling-Wolf arbeiten als Tandem. Sie sind in Jobsharing Senior Experts Leadership & Führungskräfteentwicklung bei der Robert Bosch GmbH in Reutlingen.
Im Interview erzählen die beiden, wie sie ihre Arbeitsteilung gestalten, wie sie dazu gekommen sind und worauf es ankommt, wenn Jobsharing gelingen will. Wie die beiden Partnerinnen antworten, ist zugleich lebhafter Ausdruck ihrer Zusammenarbeit als Führungstandem. Im Bild: links Tina Seeger, rechts Katharina Schorling-Wolf.
Wie sind Sie beide zum Jobsharing gekommen? Also zu der Lösung, sich als Tandem eine Stelle zu teilen?
Katharina Schorling-Wolf: Wir haben uns bereits vor ein paar Jahren über unser Netzwerk der Weiterbildungsleiter:innen in unserem Unternehmen kennengelernt und sind dann in Kontakt geblieben. Später waren wir dann parallel in Elternzeit. Als wir uns einmal bei einem Kaffee ausgetauscht hatten, wann wir aus der Elternzeit zurückkommen wollen, fanden wir den Gedanken sehr charmant, uns eine Stelle zu teilen. Wir wollten beide zum gleichen Zeitpunkt in den Job zurückkehren und haben das Thema dann konkret weiterverfolgt.
Tina Seeger: Ich habe dann bei unserem heutigen Chef einmal vorgefühlt … Gemeinsam haben wir eine Entscheidungsvorlage erstellt - das war der erste Test, wie unsere Zusammenarbeit klappen kann. Dies wurde mit einer Zusage honoriert. :-)
Es gibt ja unterschiedliche Formen, den Job zu teilen. Wie teilen Sie sich Rollen und Arbeit?
Katharina Schorling-Wolf: Wir haben sowohl gemeinsame als auch einzelne Arbeitstage. Ich decke montags ganztägig ab, Tina dienstags. Mittwochvormittag arbeiten wir dann beide, und ich stehe nachmittags noch zur Verfügung. Donnerstags sind wir den gesamten Tag beide bei der Erwerbsarbeit. Dabei arbeiten wir viel mobil, sind aber immer dann vor Ort, wenn es Termine oder Themen erfordern.
Tina Seeger: Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass wir uns die Rolle "Senior Expert Leadership" teilen. Wir sind zusammen für die Führungskräfteentwicklung an unserem Standort verantwortlich und führen sowohl fachlich als auch ein kleines Team. Daher haben wir exakt die gleichen beruflichen Ziele, das gleiche Gehalt und treiben die Themen gemeinsam voran. Dabei teilen wir uns auf, gehen aber auch ins konzeptionelle Sparring - je nachdem, wie es die Arbeitsaufgabe erfordert und zeitlich darstellbar ist.
… konzeptionelles Sparring?
Katharina Schorling-Wolf: Konzeptionelles Sparring bedeutet für uns, dass wir zum Beispiel Konzepte zur Führungskräfteentwicklung zunächst selbständig bearbeiten und auf dem Arbeitsstand der jeweils anderen inhaltlich aufsetzen. Richtig "rund" werden diese dann aber durch gemeinsames Besprechen und einen Feinschliff, bei welchem wir unsere unterschiedlichen Perspektiven und Schwerpunkte austarieren und in Einklang bringen.
Ist es eine besondere Herausforderung, sich die Führungsaufgabe zu teilen?
Tina Seeger: Sich eine Führungsaufgabe zu teilen, hat viele positive Facetten, bringt aber natürlich auch besondere Herausforderungen mit sich. Um eine Stelle gemeinsam professionell auszufüllen, braucht es regelmäßige gegenseitige Abstimmung. Das ist wichtig, damit beide Tandempartnerinnen jederzeit aussagefähig sind. Dafür ist es erforderlich, dass beide sich über das "Wie" verständigen und organisieren, dass genügend Abstimmung stattfinden kann.
Katharina Schorling-Wolf: Zudem ist es eine Herausforderung, weil verschiedene Arbeitsweisen aufeinandertreffen. Auch hierbei ist es wichtig, sich über Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu verständigen und gemeinsame Spielregeln aufzustellen. Ich sehe es aber auch als Chance, weil ich mich und meinen Arbeitsstil ganz anders reflektieren kann und von Tina lerne, wie ich es auch anders machen könnte.
Tina Seeger: Dem stimme ich voll und ganz zu. ;-) Wenn man bereit ist, voneinander zu lernen, kann Jobsharing einen echten Mehrwert für die persönliche Weiterentwicklung bringen, gerade wenn man unterschiedlich tickt und arbeitet. Wie in jeder guten Partnerschaft. :-)
Was muss gegeben sein, damit Jobsharing gelingt?
Tina Seeger: Das ist schon auch eine Frage der Haltung. Beide Jobsharing-Partner:innen müssen das Arbeiten im Tandem auch wirklich wollen und bereit sein, sich aufeinander einzustellen und einander zu vertrauen.
Katharina Schorling-Wolf: Genau. Es ist extrem wichtig, laufend in die Beziehungsebene zu investieren. Außerdem sollte man sich regelmäßig gegenseitig Feedback geben.
Tina Seeger: Und es ist auch wichtig, dass man Freude am Arbeiten mit einem anderen Menschen hat. Wer lieber für sich arbeitet, tut sich im Tandem womöglich schwer.
Es braucht konkrete Rahmenbedingungen, die vonseiten der Organisation als auch von den Jobsharing-Partner:innen untereinander eingehalten werden müssen?
Katharina Schorling-Wolf: Absolut. Es braucht klare Vereinbarungen mit der Führungskraft und den Tandempartner:innen, wie die Arbeitsaufgabe organisiert und zeitlich verteilt wird. Themen wie Erreichbarkeit, Vertretungssituationen et cetera gehören genauso dazu wie eine transparente Kommunikation. Wenn nur einseitig mit einer der Tandempartner:innen kommuniziert wird, führt das zu Ungleichheit und möglichen Konflikten.
Tina Seeger: Auch die gegenseitigen Erwartungen sollten miteinander abgeglichen werden. Und in der Organisation braucht es Transparenz, wer wann da ist. Wir wurden schon mal mit der Erwartung konfrontiert, dass zwei Köpfe auch für doppelte Kapazität stehen - doch das ist ein Trugschluss! Deshalb sollte jedes Tandem gleich zu Beginn klarstellen, wie viel Kapazität es abdeckt.
Wenn Sie sagen, es sei eine Frage der Haltung - welche Grundhaltung braucht es, damit Jobsharing gelingt?
Tina Seeger: Freude an der engen Zusammenarbeit mit dem/der Tandempartner:in - und eine gewisse Gelassenheit und Anpassungsfähigkeit.
Katharina Schorling-Wolf: Genau - Kompromissbereitschaft und die grundsätzliche positive Unterstellung, dass der/die andere in bester Absicht handelt, sind unerlässlich. Ohne gegenseitiges Vertrauen geht es nicht.
Geht es vor allem um Vertrauen und Kooperation, wenn Sie die Bedeutung der Beziehungsebene betonen? Wie sieht das konkret aus: laufend in die Beziehungsebene investieren?
Tina Seeger: Dieses "Investment" hat unterschiedliche Facetten. Es fängt bei regelmäßigem gegenseitigem Feedback an …
Katharina Schorling-Wolf: … und mündet in gemeinsamen Treffen, beruflich als auch privat. Auch der persönliche Austausch sollte dabei nicht zu kurz kommen, um gegenseitig einen guten Eindruck davon zu haben, wie es der Tandempartnerin gerade geht, was sie bewegt und was sie braucht. Dadurch kann emotionale Sicherheit im Tandemteam entstehen.
Was verlangt es, sich - wie Sie sagen - auf das Arbeitsmodell Jobsharing wirklich einzulassen?
Tina Seeger: Es ist wichtig, dass man bereit ist, sich sehr eng abzustimmen - und dafür auch Zeit zu investieren. Zudem gibt man sehr viel von sich und seiner Arbeitsweise preis. Das sollte einem bewusst sein.
Und welche Vorteile bietet es, wenn man sich darauf einlässt?
Katharina Schorling-Wolf: Ich würde sagen, Jobsharing ermöglicht auch in Teilzeit sehr verantwortungsvolle und interessante Arbeitsaufgaben wie zum Beispiel Führung - eben dadurch, dass eins plus eins größer zwei ist. Und gleichzeitig kann man anderen Verpflichtungen als Mutter oder Vater wie Carearbeit besser gerecht werden, weil Tandempartnerschaft zeitliche Flexibilität ermöglicht.
Was kann Jobsharing bewirken - für die Organisationen wie für die Mitarbeitenden, die nach diesem Modell arbeiten?
Tina Seeger: Jobsharing ist kein Allheilmittel - aber eine Möglichkeit, die verschiedenen Anforderungen wie Beruf, Familie et cetera unter einen Hut zu bringen. Eine höhere Zufriedenheit in diesen Bereichen zahlt sich unserer Erfahrung nach auch in einer höheren Motivation und besseren Performance aus. Zudem führen unterschiedliche Blickwinkel zu durchdachteren Arbeitsergebnissen.
Katharina Schorling-Wolf: Ich glaube, Jobsharing ist eine Chance für Mitarbeitende in Teilzeit, beruflich trotz limitierter Arbeitszeit herausfordernde, spannende Tätigkeiten wahrzunehmen. Das kommt auch den Organisationen zugute. Gerade mit Blick auf die demografische Entwicklung der nächsten zehn Jahre kann Jobsharing einen Beitrag leisten, um mehr Potenziale in Teilzeit zu heben und unsere Anforderungen an künftige Führungspositionen zu erneuern.
Das Interview haben wir schriftlich in einer Frage- und einer Nachfragerunde geführt. Der Beitrag entstand in Kooperation mit: Live & Learn | Events by Fachmedien Otto Schmidt.
Zitate
"Sich eine Führungsaufgabe zu teilen, hat viele positive Facetten, bringt aber natürlich auch besondere Herausforderungen mit sich." Tina Seeger und Katharina Schorling-Wolf: Führung im Tandem
"Wenn man bereit ist, voneinander zu lernen, kann Jobsharing einen echten Mehrwert für die persönliche Weiterentwicklung bringen, gerade wenn man unterschiedlich tickt und arbeitet." Tina Seeger und Katharina Schorling-Wolf: Führung im Tandem
"Der persönliche Austausch sollte dabei nicht zu kurz kommen, um gegenseitig einen guten Eindruck davon zu haben, wie es der Tandempartnerin gerade geht, was sie bewegt und was sie braucht. Dadurch kann emotionale Sicherheit im Tandemteam entstehen." Tina Seeger und Katharina Schorling-Wolf: Führung im Tandem
"Jobsharing ist kein Allheilmittel - aber eine Möglichkeit, die verschiedenen Anforderungen wie Beruf, Familie et cetera unter einen Hut zu bringen. Eine höhere Zufriedenheit in diesen Bereichen zahlt sich unserer Erfahrung nach auch in einer höheren Motivation und besseren Performance aus. Zudem führen unterschiedliche Blickwinkel zu durchdachteren Arbeitsergebnissen." Tina Seeger und Katharina Schorling-Wolf: Führung im Tandem
"Jobsharing ist eine Chance für Mitarbeitende in Teilzeit, beruflich trotz limitierter Arbeitszeit herausfordernde, spannende Tätigkeiten wahrzunehmen." Tina Seeger und Katharina Schorling-Wolf: Führung im Tandem
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