Arbeit, Wert und Sinn
Wann erleben Menschen ihre Arbeit als wertvoll? Woran bemisst sich in unserer Gesellschaft der Wert von Arbeit? Und wo endet Arbeit und beginnt Freizeit? Fragen zum Wert von Arbeit, dem Thema der Freiräume-Unkonferenz in diesem Jahr. Zur Vorbereitung haben Mitglieder der Freiräume-Community sich zu Fragen wie diesen Gedanken gemacht und kurze Texte geschrieben. Als Einstimmung und Gedankenanregung. Die erschienenen Beiträge im Überblick.
Arbeit, Wert und Sinn - Gedanken und Impulse zum Wert von Arbeit. Ein Projekt, entstanden in Kooperation mit der Freiräume-Unkonferenz in Graz, die sich in diesem Jahr dem Thema "Der Wert von Arbeit" widmet. Ein vielschichtiges und facettenreiches Thema, das wir auf changeX zusammen mit Mitgliedern der Freiräume-Community ausloten wollen. Manuela Grundner und Gregor Karlinger (Freiräume) und Winfried Kretschmer (changeX) haben einen Schwung an Fragen zum Thema zusammengestellt und an den Kreis der Freiräume-Botschafter/innen verschickt. Das sind meist langjährig Teilnehmende, die sich der Veranstaltung besonders verbunden fühlen und nun im Vorfeld eingeladen waren, ihre Gedanken zum Thema Wert von Arbeit beizusteuern. In einem wachsenden Beitrag entsteht so ein vielschichtiges Potpourri von Perspektiven. Als Einstimmung für die Teilnehmenden und als Gedankenanregung für Leserinnen und Leser.
Autorinnen und Autoren: Elisabeth Petracs, Gottfried Epp, Johannes Jahn, Sonja Strohmer, Claudia Oster, Claudia Reithner, Caroline Rotter, Bettina Bickel, Barbara Dohr, Susanne Gensinger, Redaktion: Winfried Kretschmer
Wann Arbeit wertvoll ist
Wann empfinden Menschen ihre Arbeit als wertvoll? Dieser Frage geht Susanne Gensinger nach.
Menschen empfinden ihre Arbeit als wertvoll, wenn sich ihre persönlichen Werte mit den Werten des Unternehmens weitestgehend decken und ihr Arbeitserfolg auch für sie persönlich relevant und sinnvoll ist. Sie nehmen wahr, dass sie ihre persönlichen Stärken gewinnbringend in ihre Arbeit einbringen können und erleben sich im Arbeitsprozess als authentisch. Auch eine adäquate Entlohnung, die finanzielle Sicherheit bietet, steigert das subjektive Empfinden, einer wertvollen Arbeit nachzugehen. Für viele Menschen spielt zudem die Erfahrung, ein sinnvoller Teil eines größeren Ganzen zu sein, eine wichtige Rolle, und sie erleben sich als bedeutsam für das Unternehmen.
Vonseiten der Arbeitgeber wird der Wert der Arbeit oft mit Leistung gleichgesetzt, also der Qualität und Quantität von Arbeit, die ein Mensch in einer bestimmten Zeit erbringt. Doch so lässt sich der wirkliche Wert von vielen Arbeiten nicht umfassend messen. Insbesondere in der heutigen disruptiven Arbeitswelt braucht es kreative Menschen mit hoher Innovationskraft, die neuartige Lösungen suchen und finden. Dieser Prozess erfordert es, zu experimentieren - und somit auch immer wieder zu scheitern. Nur so kann wirklich Neues entstehen. Fehlversuche schmälern also keinesfalls den Wert der Arbeit, sondern sie machen kreative Arbeit erst bedeutsam.
Um Innovationskraft in einem Unternehmen zu fördern, braucht es eine entspannte Arbeitsatmosphäre und eine Unternehmenskultur, die Müßiggang und Kontemplation nicht nur zulässt, sondern fördert. Aus eigener Erfahrung wissen wir: Die besten Ideen fallen uns unter der Dusche oder beim Laufen ein - dann, wenn wir gerade eben nicht über ein Problem nachdenken. Das belegt auch die Hirnforschung: Wenn wir "nichts tun", schaltet unser Gehirn in ein anderes Netzwerk, das sogenannte Default Mode Network, um. Der intensive Informationsaustausch in diesen anderen Hirnregionen bewirkt, dass wir manchmal plötzlich eine Idee oder eine Lösung haben.
Daher gilt es, auch dieses "Nichts-tun" als wertvolle und vollwertige Arbeit anzuerkennen. Das beginnt schon bei spontanen inspirierenden Flurgesprächen und kurzen Pausen direkt am Schreibtisch beziehungsweise Arbeitsplatz. Bewusst eingesetzt, können kurze Achtsamkeitsübungen zu Beginn eines Meetings für mehr Fokus und Ideenreichtum sorgen. Ebenso können ein Walking Meeting oder eine Laufrunde in der Mittagspause Kreativität und Lösungsorientierung fördern. Die Mitarbeitenden arbeiten so nicht nur ideenreicher und produktiver, sondern sind auch gesünder, haben weniger Krankentage und fühlen sich an das Unternehmen gebunden.
Zur Person: Dipl. Päd. Univ. Susanne Gensinger stellt sich vor als "Authentizitäts-Schatz-Hebe-Helferin" und Kommunikationsgestalterin. Ihr Kurzporträt: "In meinen Kommunikationstrainings für Unternehmen lernen Menschen, sich authentisch zu präsentieren, um so als glaubwürdig und vertrauensvoll wahrgenommen zu werden und andere spielend leicht überzeugen zu können. Motto: Überzeugen statt überreden."
Folge 9
Vom Wert der Arbeit des Lernens
Barbara Dohr fragt, ob Lernen Arbeit ist und ob auch Müßiggang und Nichtstun dazugehören.
Lernen im Rahmen einer Weiterbildung oder einer Schulbildung ist meiner Meinung nach als Arbeit zu sehen. Denn Lernen ist ein aktiver Prozess: Ich "erarbeite" mir mein Wissen. Eine Frage, die zu Beginn jedes Lernprozesses, jeder Ausbildung, die ich beginne und jeder neuen Klasse, in die unsere Kinder starten, zu klären ist, lautet: "Wozu?" Welchen Wert hat es für mich persönlich, im weitesten Sinn Arbeit in meine Bildung zu stecken?
Unser Hirn kann bei diesem Thema ziemlich bockig sein. Ohne überzeugende Argumente, wenn wir ihm also den Sinn der Anstrengung, Neues zu lernen, nicht schlüssig und überzeugend erklären können, verweigert es. Und je älter wir werden, hat mir eine befreundete Ärztin erklärt, desto besser müssen die Argumente werden. Wenn wir also Lernen als Arbeit betrachten, ist der allererste Schritt, sich klar zu werden, welchen Wert diese Arbeit für einen selbst hat: Wie bringt mich dieses Training, diese Investition in mich selbst, meinen Zielen näher?
Bei der Frage, wann sich nun erbrachte Arbeit, zum Beispiel ein geschriebener Aufsatz, eine ausgefüllte Grammatikübung oder eine Präsentation vor der Klasse oder Gruppe als wertvoll anfühlt, fällt mir sofort Folgendes ein: Wenn sie gesehen wird! Wie oft haben sich meine Töchter beschwert, dass eine aufgegebene Aufgabe von der Lehrperson nicht angeschaut wurde. Und wie motivierend war es auf der anderen Seite, wenn zum Beispiel das politische Journal meiner jüngeren Tochter vom Geschichtslehrer mit wertschätzenden Worten kommentiert wurde. Ich habe ihr strahlendes Gesicht noch heute vor Augen, wie sie mir davon erzählt hat. Die Arbeit, die sie in ihre Präsentation gesteckt hat, wurde gesehen und anerkannt.
Aus der Sicht einer Lehrerin fühlt sich für mich erbrachte Arbeit als wertvoll an und erfüllt mich mit Stolz, wenn ich zum Beispiel einen jungen Afghanen, den ich im Rahmen eines Hauptschul-Abschlusskurses in Englisch unterrichtet habe, nach Jahren treffe und er mir erzählt, dass er nun eine Lehre abschließen konnte und als Tischler arbeitet. Mein Englischunterricht hat vielleicht nur einen kleinen Teil dazu beigetragen, aber ich war in einem Team, das einem jungen Menschen geholfen hat, Fuß zu fassen in der Arbeitswelt.
Abschließend noch zur Frage "Ist Müßiggang auch Arbeit beziehungsweise Teil von ihr?": Wenn wir Arbeit aus dem Blickwinkel des Lernens sehen, auf jeden Fall. Beim Lernen ist viel los im Hirn, es wird umgebaut, neu aufgebaut, Synapsen werden aktiviert, Nervenzellen miteinander verbunden. Das läuft dann so ab wie auf einer Baustelle, wo zum Beispiel eine Bodenplatte betoniert wird. Zuerst wird vermessen, dann ausgegraben, die Verschalung gebaut, die Baustahlmatten werden verlegt, und dann kommt der flüssige Beton rein. Und nun braucht es eine Pause, bis der Beton aushärtet, sonst war die Arbeit umsonst. Ähnlich ist es im Gehirn. Beim Entspannen, vor allem aber im Schlaf, nutzt unser Gehirn die Ruhezeit, um das Gelernte zu festigen, Wichtiges abzuspeichern und Unwichtiges wieder zu löschen. Sehe ich Müßiggang nicht als essenziellen Teil des Lernprozesses, so stapfe ich immer wieder in nassen Beton und habe nie eine tragfähige Grundlage, auf die ich aufbauen kann. Müßiggang heißt also nicht: nichts Neues lernen.
Zur Person: Barbara Dohr ist Sprach- und Soft-Skills-Trainerin in Graz und begleitet junge und junggebliebene Menschen auf ihren ganz persönlichen Lernreisen.
Folge 8
Zu Wert und Bedeutung von Arbeit
Bettina Bickel sagt: Beim Wert und der Bedeutung von Arbeit gibt es noch viel Entwicklungs- und Gestaltungspotential.
Zum Wert von Arbeit fällt mir als gebürtiger Vorarlbergerin zuerst der Spruch "Schaffa, schaffa, Hüsle baua" ein. Er unterstreicht den hohen Stellenwert von Arbeit im Leben. Dennoch wird unter Arbeit ganz Unterschiedliches verstanden. Unterschiedliche Definitionen von Arbeit und Leistung zeigen sich dabei abhängig von der geographischen Verortung, von der soziokulturellen Herkunft, dem beruflichen Umfeld bis hin zur Lebenssituation eines Menschen. Bereits als Schülerin erlebte ich unterschiedliche Einschätzungen von Arbeit und Arbeitszeit im Unterschied zu gleichaltrigen Lehrlingen. Vor allem stellt sich die Frage, wo Arbeit endet und wo Freizeit beginnt. Arbeit hat in dieser Gegenüberstellung den eher negativen Beigeschmack von Pflicht, Mühsal und Notwendigkeit. Doch wenn ich nun großes Interesse an meinem Tun habe und meine Arbeit mir Spaß macht? Ist sie dann mehr oder weniger wert?
Arbeit wird von uns mit vielen Erwartungen und Wünschen verknüpft. Für mich als Mutter zweier Kinder stellt sich auch und gerade die Frage, wie ich meine Zeit nutze und für wen und wozu ich sie sinnvoll einsetze. Dabei bin ich in einer privilegierten Situation und muss mich nicht vorrangig um die Sicherung meiner Existenz kümmern. Als Person in prekärem Arbeitsverhältnis wären meine Fragen und Erwartungen an Arbeit und ihren Wert ganz sicher andere.
Dem gegenüber steht die ökonomische Perspektive im Sinne von gesellschaftlicher Wertschöpfung. Der Begriff Arbeit wird dabei in aller Regel auf Erwerbsarbeit reduziert. Dabei gibt es in unserer Gesellschaft eine Vielzahl von Tätigkeiten und Formen des Engagements, die ein Zusammenleben möglich machen oder einen Beitrag zur gesellschaftlichen Weiterentwicklung leisten. Ich denke dabei neben Care-Arbeit an ehrenamtliche Tätigkeiten, die in "systemrelevanten" Bereichen die Versorgung von Menschen gewährleisten, wie zum Beispiel beim Roten Kreuz. Und es gibt zahlreiche Initiativen, Vereine und Organisationen, in denen sich Menschen für ihre Nachbarschaft, ihren Stadtteil, die Umwelt, für mehr Fairness et cetera engagieren und Zeit, Ideen, Erfahrungen und Wissen einbringen.
Eine Berücksichtigung dieser Tätigkeiten und dieses Engagements könnte für eine zukunftsorientierte Weiterentwicklung unserer Gesellschaft neue Perspektiven eröffnen. Wie können diese Tätigkeiten in ihrem Wert gesellschaftlich sichtbarer werden? Welchen Niederschlag sollten Sie in volkswirtschaftlichen Überlegungen bekommen? Gesellschaftlich liegen die Wertschätzung und die Entlohnung dieser Arbeit weit auseinander. Wer einen "systemrelevanten" Beruf ausübt, kann nicht davon ausgehen, auch entsprechend entlohnt zu werden. Doch was Arbeit wie Erwerbsarbeit wirklich wert ist, kann ich für mich selbst nicht so einfach beantworten. Sind es in meiner Beratungstätigkeit meine analytischen Fähigkeiten, die bezahlt werden oder mehr meine innovativen Ideen oder meine Pragmatik bei der Suche nach Handlungsspielräumen? Wie können Ergebnisse von Beratung denn "gemessen" werden? Geht es um die Zufriedenheit von Kundinnen und Kunden um deren Weiterentwicklung? Und wem ist eine positive Veränderung zuzuschreiben - mir als Beraterin oder meinem Gegenüber?
Zum Wert und der Bedeutung von Arbeit gibt es noch viel Entwicklungs- und Gestaltungspotential. Um gut und wertvoll arbeiten zu können, ist die wichtigste Frage für mich: Wofür interessiere ich mich und wie kann ich mit meinem Tun etwas bewirken?
Bettina Bickel stellt sich vor als "Architektin für Möglichkeiten und Ordnungscoach mit interessanten Fragen". Sie sagt: "Ich bin eine neugierige Psychologin mit vielen Interessen und Spaß an Kreativität."
Folge 7
Wertschätzung und Wertschöpfung
Über den Zusammenhang Wertschätzung und Wertschöpfung hat Caroline Rotter einen kurzen Impuls beigesteuert. Sie fragt: Wo liegt der Ursprung der Wertschöpfung?
Wertschätzung hat für mich eine direkte Verbindung zur und Einfluss auf die Wertschöpfung in einem Team, einer Abteilung, einem Unternehmen. Denn wo liegt der Ursprung der Wertschöpfung? Wenn der Mensch als das wertvollste Gut der Organisation gesehen und geachtet wird, kann sich Wertschöpfung auf allen Dimensionen entfalten: nämlich in der Verbindung zwischen Mensch, Unternehmen und Gesellschaft. Wenn der Mensch "Mensch sein" darf in seiner Natürlichkeit, Menschlichkeit, mit seinen individuellen Bedürfnissen und Superpowers, erzeugt dies eine immense Schubkraft nach vorne. Gelebte Wertschätzung beginnt für mich in der täglichen Zusammenarbeit in den Teams, geht ein in die Herstellung der Produkte und Dienstleistungen, in die Beziehungen mit Geschäftspartnern - und sie erreicht den Kunden und die Kundin durch die Qualität der Leistung, der Produkte und eine wertschätzende Beziehung.
Zur Person: Caroline Rotter stellt sich vor als "Meisterin, die übt". Mit ihren Superpowers, Humor und Begeisterung, basierend auf ihrer langjährigen Erfahrung als Führungskraft & Coach, begleitet Caroline Teams beim Meistern besonderer Herausforderungen.
Sinnstiftender Teil des Lebens
Claudia Reithner widmet sich zwei Fragen: zum Wert von Arbeit und zur Unterscheidung von Arbeit und Freizeit.
Erstens: Wann fühlt sich erbrachte Arbeit als wertvoll an?
Immer mehr Mitarbeiter:innen sehnen sich danach, einer wert- und sinnvollen Tätigkeit nachzugehen, anstatt lediglich Lebenszeit gegen Geld zu tauschen. Aus meiner Sicht sind folgende Aspekte sehr wesentlich, damit Mitarbeitende Arbeit als wertvoll erfahren können:
- Die Firma schafft durch ihre Produkte oder Dienstleistungen einen echten Mehrwert für Mensch und Umwelt, anstatt beispielsweise nicht-nachhaltigen Konsum zu fördern.
- Die persönlichen Werte decken sich mit den Werten der Firma.
- Den Mitarbeiter:innen wird greifbar vermittelt, welches ihr Beitrag zum Unternehmenserfolg ist.
- Die Mitarbeiter:innen können sich gemeinsam mit der Firma entwickeln.
Wenn es arbeitgebenden Unternehmen gelingt, ökologische, ökonomische sowie soziale Facetten gleichermaßen zu berücksichtigen, entsteht ein Arbeitsumfeld, in dem alle Beteiligten - auch über die Firma hinaus - eine wertvolle Win-Win-Situation erfahren können.
Zweitens: Warum unterscheiden wir zwischen Arbeit und Freizeit?
Lange Zeit wurde die Work-Life-Balance als das erstrebenswerte Ziel schlechthin angesehen und wird es zum Teil auch noch heute. Dahinter steht die Gegenüberstellung:
- Arbeit ist energiezehrend und bedeutet Anstrengung und Mühe.
- Life ist energiegebend und bedeutet Erholung und Entspannung.
Wenn wir das als Basis nehmen, dann braucht es eine Balance.
Wenn Arbeit aber als ein erfüllender, sinnstiftender Teil des Lebens gelebt wird, dann braucht es keine Balance mehr zwischen Arbeit und Nicht-Arbeit. Dann sind wir mit unserem Leben insgesamt in Balance.
Aus diesem Gedanken heraus entwickelte sich der Ansatz der Life Dimension Balance. Wahre Erfüllung wird nicht durch den Ausgleich der zwei Pole Arbeit und Leben erreicht, sondern durch eine Balance aller Lebensdimensionen wie beispielsweise Familie, Freunde, Gesundheit, persönliche Entwicklung, Finanzen et cetera.
Zur Person: DI Claudia Reithner nennt sich "singende New-Work-Enthusiastin". Sie brennt als New-Work-Coach und Sprecherin dafür, Unternehmen dabei zu unterstützen, sich als Arbeitgeber neu zu definieren und dadurch bestehende Mitarbeiter:innen zu halten sowie neue zu finden.
Arbeit mit Sinn
Wann fühlt sich Arbeit als wertvoll an? Und wie bleibt ihr Sinn im Alltag spürbar? Diesen Fragen widmet sich Claudia Oster. Männer sind in ihrem Beitrag immer mit gemeint.
In den letzten Jahren hat mich die Frage nach der sinnstiftenden Arbeit immer wieder beschäftigt. Seit mehr als eineinhalb Jahren bin ich nun in der IT der Caritas Wien tätig. Meinen Kolleginnen und mir ist bewusst, dass wir in dieser Organisation arbeiten, weil wir finden, dass unsere Arbeit einen sozialen Mehrwert bringt und es einen Sinn dahinter gibt. Das wird auch immer wieder thematisiert. Auch in vielen Einstellungsgesprächen, die ich im vergangenen Jahr führen durfte, war dies immer einer der Hauptbeweggründe für die Bewerbung bei der Caritas.
Und doch stellt sich in verschiedenen Situationen die Frage, wie weit dieser Sinn in der täglichen Arbeit spürbar wird. In der IT-Abteilung sind wir meist nicht direkt im Kontakt mit Klientinnen und müssen viele Anforderungen unterschiedlichster Stakeholder berücksichtigen. Da kann es auch passieren, dass es für eine Kollegin in der Betreuung oder Beratung schwieriger wird, ein System zu nutzen, um Sicherheitsanforderungen zu erfüllen oder Prozessstandards einzuhalten. Man kann nachvollziehen, dass dies die Kollegin zeitlich belastet - potenziell in einer ohnehin schon herausfordernden Situation. Hier die Balance zwischen den verschiedensten Anforderungen zu finden, ist häufig nervenaufreibend und der Sinn tritt in den Hintergrund.
Auch Kolleginnen, die direkt in die Betreuung unserer Klientinnen involviert sind, kämpfen wie viele andere im Sozial- und Gesundheitsbereich mit wachsenden Belastungen am Arbeitsplatz. Die Herausforderungen durch Teuerung, Krieg und Corona, das immer wieder fehlende Personal und das Gefühl der steigenden Bürokratisierung führen dazu, dass man sich getrieben fühlt von den einengenden Rahmenbedingungen. Die persönliche und individuelle Betreuung der Klientinnen, in der viele Kolleginnen ihren persönlichen Sinn in ihrer Arbeit erfahren, und dadurch auch ihre Arbeit als wertvoll empfinden, wird potenziell überlagert.
Wie kann man diesen Sinn und die eigene wertvolle Arbeit nun auch im Alltag spürbar halten?
Ich habe keine abschließende Antwort darauf - meine besten Erfahrungen bisher habe ich damit gesammelt, im Team dieses Thema aktiv zu besprechen: "Warum machen wir was wir tun? Warum gibt es uns?"
Dies führt zu einem Aufatmen und einer Stärkung des Gemeinschaftsgefühls im Team. Gemeinsam wird der Fokus neu auf die Wirkung der Arbeit ausgerichtet. Und man kann daran ansetzen und betrachten, was uns daran hindert, diesen Sinn zu erfahren, und was uns in unserer täglichen Arbeit dabei hilft, diesen nicht aus den Augen zu verlieren.
Aus meiner Perspektive kann diese Betrachtungsweise auch außerhalb des Sozial- und Gesundheitsbereichs seine Wirkung entfalten.
Zur Person: Claudia Oster stellt sich vor als "Weiterentwicklungs-Wegbegleiterin". Sie kommt aus dem Bereich des User Experience Design und der agilen Softwareentwicklung und ist Agile Coach in der IT und Teamwork&Du-Coach der Caritas der Erzdiözese Wien. Sie schreibt: "Jedenfalls freue ich mich jetzt schon auf die Freiräume 2023, um hier neue Blickwinkel auf das Thema Wert der Arbeit zu gewinnen."
Wert, den Arbeit schaffen kann
Sonja Strohmer fragt, für wen Arbeit Wert besitzt: für einen selbst, für andere, für die Gesellschaft.
Mich bewegt die Frage, welchen Wert Arbeit potenziell schaffen kann, was Wirtschaftswachstums-Ermöglichungs-Produkte mit Schlafstörungen und Sinnfindungsworkshops zu tun haben könnten - und in welchem Dilemma wir dabei als Gesellschaft stecken und welche Perspektiven es gibt.
Beim Wert der Arbeit unterscheide ich zwischen dem Wert für mich und dem Wert für andere beziehungsweise für die Gesellschaft.
Für mich:
(1) Halt und Lebenszufriedenheit: Das ist der Wert, den die Arbeit mir ganz unabhängig vom Inhalt und Rahmen schafft, indem sie mir Halt gibt und zur Lebenszufriedenheit beiträgt. Was mit Menschen passiert, denen Arbeit fehlt, zeigt die soziologische Studie "Die Arbeitslosen von Marienthal" aus dem Jahr 1933 eindrucksvoll. (*)
(2) Erleben von Bedeutsamkeit, Selbstwirksamkeit, Kompetenz und Social Impact: Meine Arbeit kann mich persönlich beflügeln und mein Bedürfnis nach gutem sozialen Einfluss befriedigen.
(3) Eigenes Einkommen: Meine Arbeit kann mir mehr oder weniger Einkommen einbringen.
Für einzelne andere oder die Gesellschaft:
(1) Einkommen für andere: Meine Arbeit kann dafür sorgen, dass andere Menschen bezahlte Arbeit haben. Spannend ist hier zu reflektieren, wem wir dieses Einkommen ermöglichen, wem nicht und wie hoch diese Einkommen sind.
(2) Angebote zur Befriedigung von wichtigen Bedürfnissen: Dabei denke ich an so unterschiedliche Kategorien wie Kartoffelanbau, Psychotherapie, Kunst oder Rechtsprechung.
(3) Angebot von Wirtschaftswachstums-Ermöglichungs-Produkten: Dabei denke ich etwa an die Vielzahl von Produkten, ohne die unsere Großeltern noch sehr gut ausgekommen sind, ohne dabei an Verzicht zu denken. Diese Produkte sind der Grund dafür, warum wir noch immer genug Arbeit haben, obwohl unsere Produktivität in den letzten Jahrzehnten dermaßen angestiegen ist. Sie halten unsere kapitalistische Weltordnung aufrecht, ermöglichen sehr vielen Menschen Wohlstand (wenn auch sehr ungleich verteilt) und geben uns damit gesellschaftliche Stabilität (wenn auch Umweltschäden in Kauf genommen werden). Aus dem Bauch heraus schätze ich, dass 60 bis 70 Prozent unserer bezahlten Arbeit in diese Kategorie fallen.
David Graeber behauptet in seinem Buch Bullshit Jobs: A Theory, dass 37 Prozent unserer Jobs überflüssig sind und keinen positiven gesellschaftlichen Beitrag leisten. (**) Dabei beruft er sich auf Selbstauskünfte von arbeitenden Menschen. Zusätzliche 13 Prozent sind sich unsicher. Vielleicht ist das der Grund für volle Purpose-Strategieworkshops, für Coachings zur Sinnfindung und für Burnout, Ängste, Depressionen und Schlafstörungen? In meiner Argumentationslogik muss ich Graeber nur dahingehend widersprechen, dass die Jobs zumindest insofern gesellschaftlichen Wert haben, als sie gute Einkommen ermöglichen, den Wachstumsmotor schnurren lassen und damit unsere gesellschaftliche Weltordnung erhalten. Deshalb halten sie sich wohl auch so hartnäckig.
Wie können wir hier umlenken? Wie gelingt es uns, wieder mehr Ressourcen in die Befriedigung von wichtigen Bedürfnissen zu lenken, ohne gesellschaftliche Verwerfungen durch Wohlstandsverluste zu riskieren? Das ist die Kernfrage einer Gemeinwohlökonomie.
Sonja Strohmer stellt sich vor als "Möchtegernweltverbesserin und Community-Lead". Sie ist Initiatorin des Unternehmensnetzwerks Work Smart Circle für Unternehmen auf Work Smart Kulturentwicklungsreise. Sie ist systemischer Business-Coach und Co-Founder von HR Jobmatcher. Davor war sie als People & Culture Managerin, Lektorin und Arbeitsforscherin tätig. Sie ist schon äußerst gespannt, bei der Freiräume (Un)Conference von Christian Felber mehr zum Thema Gemeinwohlökonomie zu erfahren.
(*) Die Studie Die Arbeitslosen von Marienthal über die Wirkungen langandauernder Arbeitslosigkeit aus dem Jahr 1933 gilt als als Meilenstein in der Entwicklung der empirischen Sozialforschung. Die Studie zeigte die sozio-psychologischen Wirkungen von Arbeitslosigkeit auf und machte deutlich, dass Langzeitarbeitslosigkeit nicht zu Revolte, sondern zu Einsamkeit und passiver Resignation führt. Hans Zeisel, Marie Jahoda, Paul F. Lazarsfeld: Die Arbeitslosen von Marienthal. Ein soziographischer Versuch über die Wirkungen langandauernder Arbeitslosigkeit, Frankfurt 1975 (edition suhrkamp) Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Arbeitslosen_von_Marienthal
(**) David Graeber: Bullshit Jobs: Vom wahren Sinn der Arbeit, Stuttgart 2020 (Klett-Cotta)
Folge 3
Arbeit, Freizeit, Sinn und Leben
Folge 3: Wie bewerten wir unsere Arbeit - und wer ist "wir"? Das ist die Frage, der Johannes Jahn nachsinnt.
Bei der Frage nach dem Wert von Arbeit ist für mich der Bezugspunkt wichtig: Generell will ich Ressourcen erlangen, die ich zum Leben benötige. Diese tausche ich gegen meine geistige oder physische Arbeitskraft. Und frei nach Maslow gedacht: Kann ich meine grundlegenden Bedürfnisse damit decken, ist die Frage, ob ich damit zufrieden bin oder es noch andere Bedürfnisse gibt, die ich erfüllen möchte. In den letzten paar tausend Jahren hat uns dabei die Strategie "Horten von Gütern" als Spezies gut weitergebracht. Jetzt sind wir mit der Situation konfrontiert, dass es in einigen Teilen der Erde eine ganze Generation gibt, die nie gehungert hat. In wenigen Generationen werden wir wissen, ob wir damit umzugehen gelernt haben.
Die Gesellschaft sucht in der Arbeitsteiligkeit und Spezialisierung eine Verbesserung der Lebensumstände für ihre Mitglieder. Unternehmen zum Beispiel wollen ihre Produktion verbessern, Mitarbeitende ihre Arbeitsbedingungen. Die Frage ist, was die Sichtweise und die Messkriterien für dieses "Besser" sind.
Hier scheint es eine Abhängigkeit von der Epoche und den gesellschaftlichen Umständen zu geben. Zu Zeiten von absoluten Regierungsformen war der Platz im eigenen Stand ein Wertmaßstab, und weder der Wechsel in einen anderen Stand (oder eine andere Zunft), noch ein Ausstieg aus dem System war ohne prekäre Folgen möglich. Mit der Zeit hat sich jedoch der Bezugsrahmen dieser Bewertung vorschoben: von einer gemeinschaftlichen Sichtweise hin zu einer Gruppe, der ich mich zugehörig fühle, oder gar zu einer ichbezogenen Perspektive. Wir haben gelernt, uns mehr auf unsere eigenen Werte zu besinnen, statt tradierte Vorstellungen zu übernehmen - gerade nach den Erfahrungen der NS-Zeit.
Stellung und Ergebnis der Arbeit sind dabei wichtiger gewesen als der Wert der eigentlichen Tätigkeit, die wir erbringen. Status und Prestige vermittelnde Dinge wie das Eigenheim, das Fahrzeug, ein Titel oder eine Position wurden wichtiger als die Tätigkeit, mit der wir sie erlangt haben. Das könnte dem Neoliberalismus geschuldet sein: wer anständig und fleißig ist, hat Erfolg und kann sich auch etwas leisten. Der (schon seit Sokrates) unzulässige logische Umkehrschluss wird leider heute noch angewendet: Wer nichts hat, sei eine faule Sau und verdiene nichts anderes - ich schäme mich für meine Generation, wenn ich das höre.
Egal, ob wir selbstreferenzierend aufgestellt sind oder eine Reaktion unserer Umwelt brauchen, um unseren Handlungen und Werken einen Wert beizumessen - jeder Mensch greift bei der Ausbildung des eigenen Wertekatalogs auf die Erfahrung und die Interaktion mit anderen Menschen zurück. Das macht es uns auch möglich, unsere Handlungen in unterschiedlichen Frames zu sehen und zu bewerten - schraubst du jeden Tag immer die gleiche Schraube in einen Metallblock oder baust du einen Ford?
In den letzten Generationen, die den Arbeitsmarkt beleben, ist hierbei eine Komponente hinzugekommen: der Sinn. Wer ein gelungenes Leben (André Heller) leben will, muss sich auch damit auseinandersetzen, wie das Attribut "gelungen" gemessen wird. Die Fähigkeit, das eigene Leben als sinnvoll zu sehen, hat Viktor Frankl als Ergebnis der Orientierung an den eigenen Wertvorstellungen beschrieben.
Arbeit hat ihre Rolle als zentrale Instanz für Wert und Sinn eingebüßt. Familie, persönliches Engagement, Sport - also die Nicht-Arbeitszeit - nehmen einen immer höheren Stellenwert ein.
Aus Sicht der Arbeitgeber wird alles, was nicht Arbeitszeit ist, im Begriff "Freizeit" - verkürzt - zusammengefasst. Kein Wunder, wenn die "hohen Freizeitansprüche" der jungen Generation zu Jammern und Wehklagen führen.
Ich hingegen träume von einem Sinneswandel und einer neue Balance. Denn wir wissen alle, dass eine gut funktionierende Partnerschaft, ein gesunder Lebenswandel mit viel Bewegung und eine tiefe Beschäftigung mit Kunst und Kultur uns wandlungsfähig, resistent (und glücklich) machen - und damit auch nachhaltig arbeits- und leistungsfähig. Aber auch hier ist Balance das Ziel - und die Menge macht das Gift.
Johannes Jahn, Veränderungsbegleiter mit 30 Jahren Erfahrung in Unternehmensentwicklung, IT und Vertrieb, ist Organisationsentwickler in der ITdesign, einer demokratischen Netzwerkorganisation. Er sagt: "Die einzige Konstante im Universum ist die Veränderung (Heraklit) - und es ist unsere Aufgabe, sie mit Sinn zu gestalten."
Folge 2
Über den Stellenwert von Arbeit
Folge 2: Mit dem Stellenwert von Arbeit - und von Selbstverwirklichung - beschäftigt sich Gottfried Epp.
Der Stellenwert der Arbeit lässt sich in zweifacher Weise betrachten: für mich selbst und für die Gesellschaft. In vielen Coachings konnte ich beobachten, dass der Arbeit ein hoher - und oft auch ein zu hoher - Stellenwert zugeschrieben wird. Gleichzeitig sind übermäßige Arbeitszeiten (zum Beispiel 50 Stunden pro Woche und mehr) oft der Anlass für das Coaching. Wichtig ist hierbei, den Stellenwert der Arbeit von der Selbstverwirklichung zu unterscheiden.
Selbstverwirklichung ist das "was man wirklich, wirklich will" (Frithjof Bergmann, "Mr. New Work") oder auch die Spitze der Maslowschen Bedürfnispyramide. Im Idealfall bilden also meine Arbeit und meine eigenen Werte eine große Schnittmenge. Dies kann für angestellte Mitarbeitende und vor allem für Selbständige zu einem Dilemma führen, wenn Arbeitsbelastung und Arbeitszeiten stark zunehmen und eine Reduzierung geboten erscheint: "Ich mache das, wofür ich Geld bekomme, wirklich gerne - soll ich nun wirklich weniger machen?"
Eine kleine Anekdote dazu: Ich begleite gerade eine Führungskraft im mittleren Management. In der zweiten Sitzung hat sie mir "gestanden", dass sie letztes Jahr um 153 Überstunden "umgefallen ist" - das heißt, die 153 Überstunden wurden weder mit Freizeit ausgeglichen, noch wurden sie ausbezahlt. In der sechsten Sitzung waren Überstunden wieder Thema. Die Führungskraft hatte wieder 80 Überstunden angesammelt - präsentierte nun aber voller Stolz die Erfolgsmeldung: "Diese Woche habe ich schon fünf Überstunden abgebaut und mir Zeit für mich selbst genommen." Hier wird die neu justierte Wertigkeit der Arbeit für die Führungskraft sichtbar: vom übermäßigen Engagement ("Overcommitment") zu einem "Balanced Commitment". Arbeit und Privatleben stehen in einem ausgeglichenen und gesunden Verhältnis zueinander.
Der Stellenwert, den Arbeit für mich selbst besitzt, beschreibt die Wertigkeit, den man der Arbeit gibt - vor allem im Vergleich zu Freizeit, Familie, Privatleben. Arbeit kann in diesem Zusammenhang auch identitätsbildend sein. Man sieht sich selbst als Teil eines größeren Ganzen: "Ich bin ein Siemensianer", um ein historisches Beispiel zu bemühen. Der hohe Stellenwert der Arbeit hat meist jedoch viel pragmatischere Gründe. Durch meine Arbeit kann ich meine Ausgaben (für Familie, Hobbys, Reisen, Kredit et cetera) decken. Deshalb verhalte ich mich in der Arbeit loyal oder zumindest pflichtbewusst: "Die Arbeit muss ja gemacht werden" - und das unabhängig davon, ob diese gut geplant und strukturiert ist.
Der Stellenwert der Arbeit in der Gesellschaft beschreibt jene Wertigkeit, den die Gesellschaft der jeweiligen Berufsgruppe beimisst. David Graeber hat mit dem Begriff der "Bullshit-Jobs" einen interessanten Beitrag dazu geliefert. Bei Bullshit-Jobs geht es (eigentlich) nicht bloß um Scheiß-Jobs ("Ausnutzer-Partie", wie man in Österreich sagt, also viel und harte Arbeit für wenig Geld), sondern um all jene Jobs, die wenig Sinnerfüllung für sich selbst und für die Gesellschaft bieten. "Was passiert, wenn die Berufsgruppe X verschwindet?", diese Frage ist der einfachste Bullshit-Job-Test. Ein kurzes Beispiel. X1: Beauty-Influencerin, X2: Elementarpädagogin?
Wenn X1 verschwindet, wird die Gesellschaft trotzdem weiterlaufen. Wenn wir zu wenig Fachkräfte in der Elementarpädagogik haben, funktioniert das gesellschaftliche Zusammenleben nicht mehr. Ansätze dazu sehen wir in Deutschland und Österreich schon. Es gibt bereits einen Mangel an Fachkräften in der Elementarpädagogik - mit entsprechenden Auswirkungen für die betroffenen Eltern.
Auf der einen Seite muss nicht alles, was einen Wert hat, auch einen Preis haben (frei nach Wolfgang Ambros). Auf der anderen Seite sollte der Stellenwert der Arbeit honoriert werden. Es geht also nicht um ein "Entweder-oder" sondern um ein "Sowohl-als-auch".
Klatschen am Balkon ist zu wenig, wir - als Gesellschaft - müssen sagen: "Diese Arbeit ist es uns wert!"
Gottfried Epp sagt, er sei "Psycho-Onkel für faire Arbeitsbedingungen". Er ist Arbeits-, Organisations- und Wirtschafts-Psychologe (AOW), New-Work-Denker und Systemiker.
Folge 1
Was nährt und was zehrt?
Folge 1: Was gibt einer Person Kraft und Energie? Und was zehrt an ihr, raubt ihr Energie? Für Elisabeth Petracs sind das die entscheidenden Fragen beim Thema Arbeit.
Arbeitest du gerne?
Also ich arbeite sehr gerne. Warum? Weil ich versuche, mehr von dem zu machen, was mich nährt. Und wenn was an mir zehrt, versuche ich es loszuwerden oder wenigstens weniger davon zu machen. Deshalb habe ich zum Beispiel schon vor vielen Jahren die Hausarbeit, also Bügeln und Putzen, in vertrauensvolle Hände gelegt. Warum? Weil es für mich einfach keine qualitätsvolle Zeit ist, wenn ich sie mit Putzen und Bügeln verbringe. Bereits als mein Sohn klein war, war es für mich wichtiger, am Wochenende Zeit mit ihm und unserer Familie zu verbringen, als mit (mir) lästiger Hausarbeit.
Was mich nährt, gibt mir Kraft und Energie, was an mir zehrt, laugt mich aus.
Was nährt mich:
- Dinge, die ich gut kann.
- Dinge, die ich als Herausforderung, nicht aber als Überforderung erlebe.
- Begegnungen mit lieben Menschen und gute Gespräche.
- Arbeit mit Menschen, die ein Ziel verfolgen.
- Kreativität.
- Reflexion und Retrospektiven.
- Neues lernen.
- Mich selbst als wirksam erleben.
- Qualitatives Feedback erhalten.
- Urlaub, Reisen und Zeit mit meiner Familie verbringen.
- Gerechte Bezahlung.
Es ist nicht mein Anspruch, hier eine vollständige Liste vorzulegen. Das ist auch nicht wichtig, denn es sind die Dinge, die mich nähren. Was nährt dich? Darüber solltest du dir bewusst werden. Schreib eine Liste mit den Dingen, die dir Kraft und Energie geben. Und versuche zum anderen die Dinge aufzuzählen, die dir Energie rauben.
Nun ist es meistens so, dass man sich nicht von allen Dingen trennen kann, die einen auslaugen oder einem Energie rauben. Vielleicht hilft es dir, die Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Etwa lästige Aufgaben mit nährenden Dingen verbinden und dich dafür belohnen, wenn du etwas geschafft hast, was dir unangenehm oder lästig war. Oder dir vielleicht einen Buddy suchen, um unangenehme Dinge gemeinsam zu erledigen? Oder was passiert, wenn du es nicht machst? Nicht zuletzt: Miste aus, schaffe Ordnung und gestalte deinen Arbeitsraum neu. Räume auch dein Netzwerk auf und umgib dich mit Menschen, zu denen du aufschaust oder die für dich Vorbild sind. Lass dich nicht von Dauernörglern hinunterziehen.
Wichtig ist, dass deine Waage ein Übergewicht auf der Seite hat, wo die Dinge zu Buche schlagen, die dir Kraft geben, die dich nähren. Wie sieht deine Waage aus? Probier es mal aus!
Fazit: Was nährt, was zehrt? Mach mehr von den Dingen, die dich nähren und dir Kraft und Energie geben. Und lass los von den Dingen, die dich auslaugen. Love it, change it or leave it!
Elisabeth Petracs in ihrer Kurzvorstellung: "Workalovic und Frau mit Herz, Hirn und einem großen Bauchladen mit kreativen Methoden".
Zitate
"Mach mehr von den Dingen, die dich nähren und dir Kraft und Energie geben. Und lass los von den Dingen, die dich auslaugen." Elisabeth Petracs: Was nährt und was zehrt?
"Auf der einen Seite muss nicht alles, was einen Wert hat, auch einen Preis haben. Auf der anderen Seite sollte der Stellenwert der Arbeit honoriert werden. Es geht also nicht um ein Entweder-oder sondern um ein Sowohl-als-auch." Gottfried Epp: Über den Stellenwert von Arbeit
"Wir wissen alle, dass eine gut funktionierende Partnerschaft, ein gesunder Lebenswandel mit viel Bewegung und eine tiefe Beschäftigung mit Kunst und Kultur uns wandlungsfähig, resistent (und glücklich) machen - und damit auch nachhaltig arbeits- und leistungsfähig." Johannes Jahn: Arbeit, Freizeit, Sinn und Leben
"Was hindert uns daran, Sinn in der Arbeit zu erfahren, und was hilft uns in unserer täglichen Arbeit, diesen nicht aus den Augen zu verlieren." Claudia Oster: Arbeit mit Sinn
"Wenn Arbeit als ein erfüllender, sinnstiftender Teil des Lebens gelebt wird, dann braucht es keine Balance mehr zwischen Arbeit und Nicht-Arbeit. Dann sind wir mit unserem Leben insgesamt in Balance." Claudia Reithner: Sinnstiftender Teil des Lebens
"Wertschätzung hat für mich eine direkte Verbindung zur und Einfluss auf die Wertschöpfung in einem Team, einer Abteilung, einem Unternehmen." Caroline Rotter: Wertschätzung und Wertschöpfung
"Zum Wert und der Bedeutung von Arbeit gibt es noch viel Entwicklungs- und Gestaltungspotential." Bettina Bickel: Zu Wert und Bedeutung von Arbeit
"Lernen ist ein aktiver Prozess: Ich ‚erarbeite‘ mir mein Wissen." Barbara Dohr: Vom Wert der Arbeit des Lernens
"Um Innovationskraft in einem Unternehmen zu fördern, braucht es eine entspannte Arbeitsatmosphäre und eine Unternehmenskultur, die Müßiggang und Kontemplation nicht nur zulässt, sondern fördert." Susanne Gensinger: Wann Arbeit wertvoll ist
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