Auf Schatzsuche

Zur EuViz 2014: Andreas Gaertner im Interview
Interview: Jost Burger

Wie lassen sich positive Beiträge würdigen, festhalten, sichern? Zumal, wenn die Diskussion hoch hergeht? Appreciative Inquiry ist ein Instrument, das dies leisten soll. Visualisierung hilft dabei. Wie, darum geht es im Track 5 der EuViz 2014 zum Thema "Appreciative Inquiry and Positive Visualization".

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Appreciative Inquiry ist ein Instrument zur Organisationsentwicklung, bei dem es vor allem darum geht, auf wertschätzende Art positive Gefühle, Einschätzungen und Visionen innerhalb einer Organisation zu entdecken - um auf den entdeckten Stärken aufbauend Menschen und Organisationen weiterzuentwickeln. Thema von Track 5 der EuViz 2014: "Appreciative Inquiry and Positive Visualization", den Andreas Gaertner und Ralph Weickel leiten.
Andreas Gaertner ist Diplom-Illustrator und arbeitet seit vielen Jahren als Graphic Recorder. Sprich: Er beschäftigt sich damit, komplexe Inhalte in klar verständliche Bilder zu gießen. Ralph Weickel ist Spezialist für Appreciative Inquiry am European Center for Positive Change.
 

  Herr Gaertner, können Sie kurz umreißen, um was es in Ihrem Track gehen soll? 

In unserem Track "Appreciative Inquiry and Positive Visualization" werden wir uns gemeinsam mit den Teilnehmern auf eine Schatzsuche begeben. Wir werden versuchen, einen reichen Schatz an positiven Symbolen zu heben, und zusammen erforschen, inwieweit diese "guten Zeichen" der wertschätzenden Erkundung - so kann man "Appreciative Inquiry" übersetzen - dienlich sind.
 

Und wie wird das konkret umgesetzt? 

Alle Teilnehmer besitzen bereits eine innere Landkarte für diese Schatzsuche. Ralph Weickel und ich werden ein paar Werkzeuge bereitstellen, damit es uns gelingt, viele positive Symbole zu finden und festzuhalten.
 

Der Kerngedanke von Appreciative Inquiry ist die Wertschätzung aller Beteiligten - wie kann Visualisierung das unterstützen? 

Zum einen fühle ich mich als Teilnehmer wertgeschätzt, wenn mein Beitrag, den ich verbal in die Gruppe gebe, visuell "gesichert" wird. Mein Beitrag zählt, wurde gehört und durch das Aufzeichnen gesehen. Zum anderen geht es beim Appreciative Inquiry gerade in der Anfangsphase darum, die Aufmerksamkeit auf das Positive, auf das, was gut läuft, zu lenken. Die Grundannahme dahinter lautet: Worauf ich meine Aufmerksamkeit richte, da entsteht mehr. Dafür können wir das Potenzial von Visualisierungen sehr gut nutzen. Verknüpfen wir einen Beitrag mit einer Zeichnung, verankern wir diesen Inhalt nachhaltig in den Köpfen der Betrachter. Unser sehr stark ausgeprägtes visuelles Gedächtnis sorgt dafür.
 

Was bedeutet Positive Visualization? 

Die Bedeutung und die Wirkung von positiven Visualisierungen wollen wir gemeinsam erkunden. Es gibt keine bestimmte Definition für "wertschätzende Zeichen". Jeder Mensch trägt Bilder in sich, mit denen er etwas Positives verbindet, und wir möchten herausfinden, welche das sind.
 

  Und was verbirgt sich hinter dem "4-D Cycle"? 

Der "4-D Cycle" der Appreciative Inquiry besteht aus mehreren Phasen. Zunächst geht es um Discovery, das ist die Entdeckungsphase, das Verstehen - etwa durch Interviews und Gespräche, die dabei helfen, das Beste in uns zu erkennen und zu verstehen. Darauf folgt die Dream-Phase. Hier werden Visionen entworfen; es wird quasi geträumt, was im besten Fall sein könnte. In der Design-Phase geht es um konkrete Zukunftsentwürfe und Visionen. Die letzte Phase, Destiny, schließlich ist die Umsetzungsphase. Es wird festgelegt, was geschehen wird, neue Ideen werden verwirklicht.
 

Ist das nicht schwierig, wenn die Leute in einer Gruppe unterschiedlich gut zeichnen können? Was macht jemand, der dafür nicht so begabt ist? 

Visualisieren ist eine Kulturtechnik. Es ist keine Kunst. Daher geht es auch nicht um gute und schlechte, schöne und hässliche Zeichnungen. Wir greifen zum Stift, um Informationen zu vermitteln, nicht um Kunstwerke zu kreieren. Und ja, man kann visualisieren lernen. Ich empfehle die Bikablo Visual Facilitation Trainings für Einsteiger und Fortgeschrittene.
 

  Gibt es so etwas wie gemeinsame Wurzeln von Visualisierung und beteiligungsorientierten Methoden?  

Ich würde sagen, das eine kann ohne das andere nicht. Beteiligungsorientierte Methoden dienen dazu, gemeinsam neue Perspektiven und Ideen zu entwickeln auf Basis von geäußerten Meinungen. Teilnehmer können Gehörtes mit ihren Einstellungen abgleichen. Wenn nun Visualisierungen als Resonanzkörper mit ins Spiel kommen, entsteht ein neuer Wahrnehmungskanal, und der Austausch, die Fragen, die Ideen können an Qualität gewinnen.
 

  Wohin entwickelt sich aus Ihrer Sicht Visualisierung? 

Wenn es mit der Visualisierung so weitergeht, dann wird es in ein paar Jahren zum Grundwerkzeug in der Gesellschaft gehören. Visualisierungen sind dann Grundvoraussetzung für die Vermittlung von Inhalten. Lehrer hinterlassen ein nachvollziehbares Tafelbild, Professoren erläutern klar und visuell, was in ihren Köpfen vorgeht, und im Konferenzraum des Großunternehmens werden durch den Einsatz von Visualisierungen die Vision und die Strategie endlich verstanden.
 

  Noch eine Frage zur Konferenz: Die Tracks laufen ja parallel. Wie lernen die unterschiedlichen Felder und Professionen der Visualisierung auf der Konferenz voneinander? 

Ganz einfach. In den Pausen beim Kaffee und beim Bierchen am Abend. Da findet der wahre Austausch statt. 


Zitate


"Visualisieren ist eine Kulturtechnik. Es ist keine Kunst. Daher geht es auch nicht um gute und schlechte, schöne und hässliche Zeichnungen. Wir greifen zum Stift, um Informationen zu vermitteln, nicht um Kunstwerke zu kreieren. " Andreas Gaertner: Auf Schatzsuche

"Wenn Visualisierungen als Resonanzkörper mit ins Spiel kommen, entsteht ein neuer Wahrnehmungskanal, und der Austausch, die Fragen, die Ideen können an Qualität gewinnen." Andreas Gaertner: Auf Schatzsuche

 

changeX 04.07.2014. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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Autor

Jost Burger
Burger

Jost Burger ist freier Journalist in Berlin. Er schreibt als freier Mitarbeiter für changeX.

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