Dass es mit mir zu tun hat
Wie denken Angehörige der jungen Generation über die Arbeitswelt der Zukunft? Was erhoffen, befürchten, erwarten sie von ihrer Arbeit? Wie wollen sie arbeiten und zusammenarbeiten? In einem Workshop entwerfen Jugendliche in Ausbildung ihr Bild von der Zukunft der Arbeit.
Im Tagungsraum am Fraunhofer-Zentrum in Stuttgart wechselt das Licht der Deckenbeleuchtung, so als würden Wolken über den Himmel ziehen. Mal heller, mal dunkler, mal Sonne, mal Wolken. In diesem Beleuchtungskonzept ist die Zukunft der Arbeit fühlbar und präsent: Die am Zentrum für virtuelles Engineering entwickelte Lichtgestaltung soll anregen und wach halten. Ein Beispiel für die Gestaltung von Arbeitsräumen in nicht mehr allzu ferner Zukunft.
Um die Zukunft der Arbeit geht es auch in dem Workshop, der in dem Meetingraum stattfindet. Initiiert von der Bertelsmann Stiftung und Z_punkt The Foresight Company läuft hier die Tagung "Grenzenlose Arbeitswelten 2025", die Input für die Arbeit der Expertenkommission Arbeits- und Lebensperspektiven in Deutschland generieren soll. Um Industrie 4.0 geht es hier, und um Arbeitswelten 2025, um die Gestaltung von Arbeitsverhältnissen und um Arbeitsorganisation der Zukunft. Und um die Hoffnungen, Erwartungen, Befürchtungen junger Menschen hinsichtlich ihrer Arbeit.
"Meine Arbeitswelt 2025" war das Thema eines Workshops, bei dem die Sicht derjenigen zum Tragen kommen sollte, deren Arbeitswelt dies sein wird, der jungen Leute von heute. Geladen waren junge Auszubildende und Studierende der Firmen U.I. Lapp, der TRUMPF GmbH und des Fraunhofer-Instituts, um ihre Sicht der Arbeitswelt einzubringen. Vertreten waren ganz unterschiedliche Ausbildungsrichtungen vom Industriekaufmann über den Maschinen- und Anlagenführer und Mechatroniker bis hin zu Wissensberufen. Eine breite Mischung also, die gewährleistete, dass nicht nur angehende Wissensarbeiter das Bild bestimmten. In einer moderierten Diskussionsrunde hatten sie Gelegenheit, ihre Vorstellungen einzubringen. Und ihr Bild von der Zukunft der Arbeit zu skizzieren. "Meine Arbeitswelt 2025", ein Protokoll in acht Bildern - live mitskizziert von dem Illustrator Lennart Andresen. Textprotokoll: Winfried Kretschmer (Mitarbeit: Sascha Hellmann).
Nicht nur Knöpfe drücken
Es mag überraschen - gefragt nach ihren Erwartungen, sind es zunächst einmal die Befürchtungen, die die Jugendlichen zur Sprache bringen. Wird es genügend sichere Arbeitsplätze geben? Werden auch Niedrigqualifizierte und Geringverdiener Chancen haben? Oder tut sich eine Kluft in der Gesellschaft auf, eine Spaltung entlang von Qualifizierung und Qualität von Arbeit? Das sind die großen Fragen, die im Raum stehen. Und: Was bleibt überhaupt an Arbeit für den Menschen, wo doch die Maschinen auf dem Vormarsch sind? Dass Arbeit immer weiter automatisiert wird und in den Fabriken nur noch wenige Menschen die Prozesse programmieren, ist eine der großen Befürchtungen, die das Bild der Arbeit von morgen prägen. Einer der Jugendlichen schaut skeptisch in die Zukunft: Er fürchtet, "dass man nicht mehr nachdenken muss, was man arbeitet, sondern nur noch am Computer sitzt und Knöpfe drückt". Damit trifft er ein verbreitetes Unwohlsein unter den Jugendlichen. Damit kontrastiert der Wunsch, bei seiner Arbeit "gefordert zu sein und selbst nachdenken zu müssen". Die Maschinen erscheinen hier als Bedrohung, nicht nur der Arbeitsplätze, sondern auch der Qualität der Arbeit, für die man sich entschieden hat: Arbeit mit den Händen. "Es gibt nicht nur Menschen, die im Dienstleistungssektor arbeiten möchten, sondern auch solche, die mit den Händen arbeiten wollen", mahnt ein Teilnehmer. Und bringt damit einen Aspekt zur Geltung, der in der Debatte über Wissensarbeit gern vergessen wird.
Es ist wichtig, dass es mit mir zu tun hat
Klar, ein sicherer Arbeitsplatz, guter Verdienst und Freude an der Arbeit bilden die Basis aller Erwartungen an seinen Beruf. Aber darauf bauen weitere Erwartungen auf: "Ein gutes Einkommen ist nicht alles. Neben dem Beruf zählen auch Freizeit, Familie und Privatleben. Das sollte alles gut miteinander zu verbinden sein", sagt einer der Jugendlichen. Wichtig ist auch die Qualität der Arbeit. Keine Monotonie, sondern Abwechslung; projektbezogene Arbeit; Arbeit in Teams; Arbeit, die Spaß macht. Man will auch nicht irgendwo arbeiten: "Ich muss mich mit der Firma identifizieren können." Und die Firma muss auch etwas für den Einzelnen tun. Weiterbildung vor allem. Durch alle Statements zieht sich ein weitergehender Anspruch an die Arbeit, der am besten mit Sinn und Teilhabe umschrieben ist: Arbeit muss sinnerfüllte Arbeit sein und die Möglichkeit bieten, persönliche Bedürfnisse und Ideen einzubringen. "Meine Arbeit muss etwas mit mir zu tun haben", heißt es. "Ich mache die Arbeit, weil ich einen Sinn darin sehe." "Weil ich das auch für mich mache." Das ist der Punkt: "Dass es mit mir zu tun hat." Sich als Mensch wiederfinden, als Individuum.
Es wird immer schwieriger, nicht an Arbeit zu denken
Gesundheit, eine Balance finden zwischen Arbeit und Freizeit, das treibt auch die Jugendlichen um. Als Digital Natives sind sie zwar an die Schnelligkeit und Flexibilität der modernen Kommunikations- und Informationsmittel gewöhnt, erkennen aber auch ihre Schattenseiten. Denn: Kaum trudelt eine E-Mail ein, erwartet der Sender auch schon eine Antwort. Permanente Erreichbarkeit erhöht den Druck. Außerdem: "Es wird immer schwieriger, nicht an Arbeit zu denken", sagt eine Teilnehmerin. "Seit ich in der Arbeit bin, rede ich mit Freunden über nichts anderes mehr." Und es lässt sich berechtigt fragen, ob es damit getan ist, das Handy auszuschalten - um selbst auch abzuschalten. Burnout ist das Schreckgespenst: "Burnout ist das Schlimmste!" Deshalb erkennen viele in der Runde den Ausgleich als äußerst wichtig. Sie wollen nicht nur für den Job leben, sondern auch ihre Freizeit genießen, mit Freunden und Familie. Sie fragen sich allerdings auch, ob das in der modernen Arbeitswelt noch so leicht zu haben ist. Dennoch könnte die Flexibilisierung der Arbeitsmodelle eine Antwort sein. Aber Skepsis klingt an, ob dem so sein wird. Klar ist auf jeden Fall: "Es muss mehr für Gesundheit getan werden!" Frische Luft, helle Räume, Möglichkeiten für Sport und Entspannung. Firmen, die ihren Mitarbeitern ein Fitnessstudio bieten, haben die Sympathie der Teilnehmer. In der Mittagspause und nach der Arbeit Sport machen, das ist’s.
Wichtig ist, dass man die Wahl hat
Selbst entscheiden, was man tut. Das ist der Kern des Arbeitsverständnisses, das in der Runde aufscheint. "Wichtig ist, dass man die Wahl hat", sagt einer bestimmt. Entscheidend ist, dass man seinen eigenen Weg wählen und gehen kann. Ebenso selbstbewusst wie selbstverständlich beziehen die Jugendlichen die globale Ökonomie in ihre Überlegungen mit ein. Der Raum der Wahlmöglichkeiten ist heute global. Die Firma unterhält verschiedene Standorte in der Welt. Ideen werden weltweit umgesetzt. Und jeder kann dabei sein und dazu beitragen. Kann die Welt bereisen und kennenlernen. Und das Ausland reizt: andere Menschen, andere Kulturen, neue Erfahrungen. Da schimmert auch wieder die Lust an Abwechslung durch: "Ich kann mir nicht vorstellen, zehn oder 20 Jahre das Gleiche zu machen. Wenn die Luft raus ist, würde ich mir etwas anderes suchen!", so eine klare Ansage. Allerdings wird auch die Herausforderung gesehen, die die Globalisierung des Arbeitsmarktes mit sich bringt. Man muss bereit sein, sich von zu Hause zu lösen, wenn man einen Arbeitsplatz nach seinen Vorstellungen bekommen möchte. Und: "Man steht weltweit unter Druck, der Beste zu sein, nicht nur als Firma, sondern auch als Einzelner."
Mitbestimmen, etwas sagen dürfen, sich einbringen
Es ist nicht nur eine Unlust an Hierarchie. Es steckt etwas anderes, Neues dahinter. Man will mitreden. Und man will, dass mit einem geredet wird. Transparenz und Kommunikation werden horizontal und vertikal eingefordert. "Man muss doch schauen, wie es denen geht, die die Arbeit machen", sagt ein Teilnehmer an die Unternehmensleitung gerichtet. "Ich würde mich hinsetzen und meine Meinung sagen", so ein anderer. "Wir wollen mitbestimmen, etwas sagen dürfen und uns einbringen", bringt es jemand auf den Punkt. Dialog, Transparenz, Partizipation wird erwartet. Man will keine Marionette sein. Gleichzeitig reklamiert man aber auch eine Tätigkeit ohne Weisung und Kontrolle: "Ich will Dinge machen, ohne dass ich fragen muss", sagt jemand. Selbstbestimmung, Gestaltungsmöglichkeiten, Freiräume, Autonomie bei der Arbeit. Das muss einfach drin sein.
Berufsrollen wechseln, Arbeit teilen
Man muss es einfach bringen. Diplomatischer ausgedrückt: Wissen und Fähigkeiten sollten entscheiden - und nicht Abschlüsse. So ein Jugendlicher: "Man sollte nicht wegen eines Studiums in eine Position kommen, sondern aufgrund von Wissen und Leistung." Jeder sollte sich weiterbilden können. Und sollte wechseln können: von einer Abteilung in die andere - oder gleich in eine andere Firma. Starre Strukturen und feste Zugehörigkeiten sind da nur im Weg. Warum also - nur so zum Beispiel - immer ein Arbeitsplatz für einen: Man kann sich den Job doch auch teilen. Jobsharing, und viel Verständnis untereinander im Team, das prägt die Erwartungen. Hier wird ein flexibles Verständnis von Zusammenarbeit deutlich: statt einer festen Stelle, einer definierten Arbeitsplatzbeschreibung ein flexibles Jobmodell, in dem jeder seine Fähigkeiten zur Geltung bringt. Tätigkeiten wechseln, Orte wechseln. Manchen ist es gar ein Lebensbedürfnis - und da spielt wieder das globale Lebensgefühl herein: "Nur in Deutschland zu arbeiten wäre mir auf Dauer zu langweilig."
Im Team arbeiten
"Das Menschliche wird immer wichtiger", sagt einer - der repräsentativ für eine Generation ist, die die technische Kommunikation aus dem Effeff beherrscht. E-Mail, Skype, Social Media. Einerseits ist das kein Problem, vom Handling her; andererseits aber schon, denn der direkte menschliche Kontakt geht verloren. Das muss sich ändern. "Moderne Kommunikationstechnologien dürfen nicht zum Verzicht auf den persönlichen Kontakt führen", das ist Konsens. Die Abstimmung per E-Mail, "wo Tausende cc gesetzt sind", wird als furchtbar empfunden. "Früher hat man sich an einen Tisch gesetzt." Der Wunsch nach persönlichem Kontakt, nach dem direkten Gespräch zieht sich durch die Wortmeldungen. Ebenso der Wunsch nach Zusammenarbeit. Projektbezogenes Arbeiten im Team steht ganz oben auf der Wunschliste.
Wissen teilen - die Ideencloud
Wenn jeder sein Wissen zur Verfügung stellt, wäre das eine gute Sache. Gerade in der Arbeit. Das Vorbild: Wikipedia, die Enzyklopädie im Web. Die Idee: eine Wissensdatenbank, in die jeder sein Wissen einspeist. Ein Jugendlicher sagt, wie das aussehen könnte: "Eine Ideencloud, wo alles drin ist, wo man Informationen rauszieht, die man braucht." Denn: Wenn man heute eine wichtige Information braucht, ist der entsprechende Mitarbeiter wahrscheinlich gerade im Urlaub. Deshalb Wissen teilen und allgemein verfügbar machen. "Jeder, der Wissen hat, kann etwas dazu beitragen." Der Blick geht dabei bereits über den Tellerrand: über das Unternehmen hinaus. Wissen könnte über Unternehmensgrenzen hinweg geteilt werden, so die Vision. Wissen weltweit halt. Wissen in einer vernetzten Ökonomie.
Zitate
"Ich fürchte, dass man nicht mehr nachdenken muss, was man arbeitet, sondern nur noch am Computer sitzt und Knöpfe drückt." Meine Arbeitswelt 2025 - Jugendliche entwerfen ihr Bild von der Zukunft der Arbeit
"Wichtig ist, dass es mit mir zu tun hat." Meine Arbeitswelt 2025 - Jugendliche entwerfen ihr Bild von der Zukunft der Arbeit
"Es gibt nicht nur Menschen, die im Dienstleistungssektor arbeiten möchten, sondern auch solche, die mit den Händen arbeiten wollen." Meine Arbeitswelt 2025 - Jugendliche entwerfen ihr Bild von der Zukunft der Arbeit
"Ich muss mich mit der Firma identifizieren können." Meine Arbeitswelt 2025 - Jugendliche entwerfen ihr Bild von der Zukunft der Arbeit
"Ich mache die Arbeit, weil ich einen Sinn darin sehe. Weil ich das auch für mich mache." Meine Arbeitswelt 2025 - Jugendliche entwerfen ihr Bild von der Zukunft der Arbeit
"Es wird immer schwieriger, nicht an Arbeit zu denken." Meine Arbeitswelt 2025 - Jugendliche entwerfen ihr Bild von der Zukunft der Arbeit
"Wichtig ist, dass man die Wahl hat." Meine Arbeitswelt 2025 - Jugendliche entwerfen ihr Bild von der Zukunft der Arbeit
"Wir wollen mitbestimmen, etwas sagen dürfen und uns einbringen." Meine Arbeitswelt 2025 - Jugendliche entwerfen ihr Bild von der Zukunft der Arbeit
"Ich will Dinge machen, ohne dass ich fragen muss." Meine Arbeitswelt 2025 - Jugendliche entwerfen ihr Bild von der Zukunft der Arbeit
"Man sollte nicht wegen eines Studiums in eine Position kommen, sondern aufgrund von Wissen und Leistung." Meine Arbeitswelt 2025 - Jugendliche entwerfen ihr Bild von der Zukunft der Arbeit
"Nur in Deutschland zu arbeiten wäre mir auf Dauer zu langweilig." Meine Arbeitswelt 2025 - Jugendliche entwerfen ihr Bild von der Zukunft der Arbeit
"Moderne Kommunikationstechnologien dürfen nicht zum Verzicht auf den persönlichen Kontakt führen." Meine Arbeitswelt 2025 - Jugendliche entwerfen ihr Bild von der Zukunft der Arbeit
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