Allah = Jehova = Gott

Dilek Zaptcioglus neues Buch Die Geschichte des Islam.

Von Nina Hesse

Nach dem 11. September ist das Interesse am Islam, an muslimischer Kultur und Tradition, sprunghaft angewachsen - weil viele Menschen im Westen sich bewusst wurden, wie wenig sie eigentlich darüber wissen. Ein etwas detailverliebtes, aber informatives Jugendbuch soll helfen, diese Lücke zu füllen.

Was wissen die meisten Deutschen über den Islam? Wenig bis nichts. Und das, obwohl inzwischen in jeder deutschen Stadt Moscheen stehen. Die meisten Muslime sind über das Christentum weitaus besser informiert als umgekehrt. Dilek Zaptcioglu, die für ihren Jugendroman Der Mond isst die Sterne auf mit dem Gustav-Heinemann-Friedenspreis ausgezeichnet wurde, kennt die islamische und die deutsche Kultur aus eigener Erfahrung. Sie wurde in der Türkei geboren, wuchs aber in Deutschland auf, studierte und arbeitete hier. Eine reizvolle Doppelperspektive, die vor allem in den ersten und letzten Kapiteln spürbar wird - dort unternimmt sie spannende Ausflüge in die eigene Biographie und in die eines fiktiven Islamisten. Im Hauptteil ihres wunderschön illustrierten Sachbuches zeichnet sie mit gewissenhafter Exaktheit die wechselvolle Geschichte der Muslime nach - von der Erleuchtung des Propheten Muhammed in der Wüste bis zum Zusammenleben von Türken und Deutschen. Einfallsreich und ein klein wenig gewagt: Zaptcioglu verwendet ganz bewusst das Wort "Gott" statt "Allah". "Damit soll deutlich werden, dass es keinen muslimischen Gott gibt, der sich von einem jüdischen oder christlichen Gott unterscheidet", schreibt sie trotzig. Und tatsächlich: Mit diesem Kunstgriff, dieser Aussage nimmt sie ein Stück Fremdheit aus der ansonsten exotischen Geschichte, die sie zu erzählen hat. Und schafft es trotzdem, das Arabien des Propheten lebendig werden zu lassen.

Faktenreich und detailverliebt.


Sie beginnt mit den uralten Überlieferungen über Abraham und die Stadt Ur, beschreibt faszinierend, wie sich langsam der Keim der neuen Religion bildet und wie Muhammeds Glaube sich langsam durchsetzt. Doch als es nach seinem Tod um die vier Kalifen und die Auseinandersetzungen um die Nachfolge des Propheten geht, wird es (historisch und literarisch) unübersichtlich. In epischer Breite berichtet Zaptcioglu über die verschiedenen Stämme, über Machtkämpfe und Kriege. Der Leser ertrinkt in der Vielzahl der Namen und Details, verliert den Überblick über die komplexen Verwandschafts-, Macht- und Glaubensverhältnisse. Höchst spannende Fragen wie: "Wie wird man eigentlich Muslim?", tauchen fast nebenbei in der historischen Nacherzählung auf - eine andere Aufbereitung solcher, von Jugendlichen häufig gestellten Fragen wäre vielleicht sinnvoller gewesen. Im Grunde ist Die Geschichte des Islam eher ein Buch für Erwachsene geworden. Eine Wissens-Fundgrube ist es trotzdem: Wer wusste vorher schon, dass die muslimischen Frauen lange am sozialen Leben teilnehmen durften, dass sie erst relativ spät, im Osmanischen Reich, daraus isoliert und zum Tragen von Schleiern gezwungen wurden? Oder wie das mit den Pilgerreisen nach Mekka genau funktioniert?

Kampf gegen die Globalisierung?


So neutral zu bleiben, wie das beispielsweise den Campus-Jugendbüchern Die Weltreligionen und Deutschland nach 1945 geglückt ist, gelingt Zaptcioglu nicht, obwohl sie sich immer wieder um Distanz bemüht. Wem ihre Sympathien gehören, ist klar. So gibt sie zum Beispiel den heldenhaft idealisierten Beschreibungen des Propheten Muhammed viel Raum - ohne dieses Bild kritisch-historisch zu hinterfragen.
Die Probleme zwischen Westen und Muslimen interpretiert sie als Kampf gegen die Globalisierung, gegen den Identitätsverlust. Ihre letzten Kapitel machen noch einmal deutlich, wie schwierig die Situation der Muslime in westlichen Ländern ist, wie stark diese Menschen das Gefühl haben, nicht akzeptiert zu werden: "Ich denke, dass es noch mehrere Generationen dauern wird, bis deutsche Muslime, dunkelhäutige Deutsche, Deutsche mit dem Vornamen Ali oder Aischa, selbstverständlich geworden sind", schätzt Zaptcioglu und bezeichnet sich noch als Optimistin. Einen "Krieg der Zivilisationen zwischen dem christlichen Abendland und dem Islam" hält sie dennoch für herbeigeredet. Ohne Zweifel daran zu lassen, was sie von der Politisierung des Islam und dem Terrorismus hält: "Niemand darf sich anmaßen, im Namen Gottes zu töten."

Dilek Zaptcioglu:
Die Geschichte des Islam,
Campus Verlag, Frankfurt am Main/New York 2002,
191 Seiten, 17,90 Euro,
ISBN 3-593-37095-6
www.campus.de

Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin bei changeX.

© changeX Partnerforum [18.11.2002] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.


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: Die Geschichte des Islam.. Campus Verlag, Frankfurt am Main/New York 1900, 191 Seiten, ISBN 3-593-37095-6

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