Nur auf Probe

Geschichten, Rechtsfälle und Urteile aus der neuen Arbeitswelt. | Folge 5 |

Von Andreas Imping

Unternehmen scheuen sich, Mitarbeiter einzustellen. Die Kosten sind hoch und eine Kündigung ist nicht leicht durchzusetzen. Deswegen starten Firmen immer wieder den Versuch, das Kündigungsschutzgesetz zu unterlaufen. Beliebt: das Spiel mit der Probezeit. Kurz vor Schluss flattert die Kündigung ins Haus, um den Mitarbeiter danach wieder einzustellen. Mit einem neuen Vertrag und einer neuen Probezeit. Doch damit ist jetzt Schluss.

Clara L. hat hart für ihren Job gekämpft. Der Abteilungsleiter war sofort von ihrer Kompetenz überzeugt, doch die Personaler zweifelten an ihrer Motivation. Möchte sie wirklich den Job? Oder findet sie im Moment einfach nichts Besseres? Nach langem Hin und Her boten sie der Steuerfachgehilfin einen befristeten Jahresvertrag an, quasi als verlängerte Probezeit. L. willigte ein. Nach einem Jahr, so dachte sie sich, habe ich meine Position gestärkt und die Personaler werden sicherlich einlenken.
Alles lief nach Plan. Die Kollegen waren nett, der Chef angetan und höchst zufrieden. Und ihre Kritiker hat sie nie wieder gesehen. Doch anstatt einer Verlängerung lag drei Monate vor Vertragsende die Kündigung in ihrem Briefkasten. L. war entsetzt. Wie konnte das passieren? Am nächsten Morgen marschierte sie zu ihrem Chef und stellte ihn zur Rede. Doch dieser zuckte nur mit den Achseln: "Ich muss die Entscheidung der Personalabteilung akzeptieren. Tut mir leid."
Doch L. gab nicht auf. Sie verlangte ein Gespräch mit allen Beteiligten. Ihr Chef willigte ein und lud die Personaler in sein Büro. Nach einstündiger Diskussion ein Angebot: Ein unbefristeter Vertrag mit einer sechsmonatigen Probezeit. L. war glücklich. Sie wollte den Job behalten. Sie hatte sich eingearbeitet, Überstunden gesammelt und Freundschaften unter ihren Kollegen geknüpft. Doch nach der Euphorie kam die zweite Enttäuschung. Vier Monate nach Vertragsbeginn flatterte die fristlose Kündigung ins Haus. Der Grund: "Frau L. hat die Probezeit nicht bestanden."
Die Steuerfachgehilfin suchte Rat bei einem Anwalt. Ist der Arbeitgeber überhaupt berechtigt, innerhalb eines Folgevertrages eine Probezeit festzuschreiben? Die Antwort: Nein. "Die Vereinbarung einer Probezeit ist lediglich beim Abschluss eines ersten Arbeitsvertrages zulässig", so der Anwalt. So hat es das Landesgericht Baden-Württemberg Ende Februar 2002 entschieden (AZ: 4 Sa 68/01). Die Begründung: "Sinn und Zweck der Probezeit ist es, den Arbeitnehmer und seine Fähigkeiten kennen zu lernen, nicht hingegen, sich außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes unschwer vom Arbeitnehmer trennen zu können." L. hat trotzdem ihre Sachen gepackt und einen neuen Job angenommen. Das Unternehmen hatte dieses Spiel nicht nur mit ihr gespielt. Andere erhielten zwar sofort einen unbefristeten Vertrag, doch auch ihnen wurde innerhalb der Probezeit gekündigt. Um ihnen dann einen erneuten Vertrag mit einer erneuten Probezeit anzubieten.

Dr. Andreas Imping ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Osborne Clarke, Köln.

Mit einer Illustration von Limo Lechner.

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Andreas Imping

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