Nur auf Probe
Geschichten, Rechtsfälle und Urteile aus der neuen Arbeitswelt. | Folge 5 |
Unternehmen scheuen sich, Mitarbeiter einzustellen. Die Kosten sind hoch und eine Kündigung ist nicht leicht durchzusetzen. Deswegen starten Firmen immer wieder den Versuch, das Kündigungsschutzgesetz zu unterlaufen. Beliebt: das Spiel mit der Probezeit. Kurz vor Schluss flattert die Kündigung ins Haus, um den Mitarbeiter danach wieder einzustellen. Mit einem neuen Vertrag und einer neuen Probezeit. Doch damit ist jetzt Schluss.
Clara L. hat hart für ihren Job
gekämpft. Der Abteilungsleiter war sofort von ihrer Kompetenz
überzeugt, doch die Personaler zweifelten an ihrer Motivation.
Möchte sie wirklich den Job? Oder findet sie im Moment einfach
nichts Besseres? Nach langem Hin und Her boten sie der
Steuerfachgehilfin einen befristeten Jahresvertrag an, quasi als
verlängerte Probezeit. L. willigte ein. Nach einem Jahr, so dachte
sie sich, habe ich meine Position gestärkt und die Personaler
werden sicherlich einlenken.
Alles lief nach Plan. Die Kollegen waren nett, der Chef
angetan und höchst zufrieden. Und ihre Kritiker hat sie nie wieder
gesehen. Doch anstatt einer Verlängerung lag drei Monate vor
Vertragsende die Kündigung in ihrem Briefkasten. L. war entsetzt.
Wie konnte das passieren? Am nächsten Morgen marschierte sie zu
ihrem Chef und stellte ihn zur Rede. Doch dieser zuckte nur mit den
Achseln: "Ich muss die Entscheidung der Personalabteilung
akzeptieren. Tut mir leid."
Doch L. gab nicht auf. Sie verlangte ein Gespräch mit allen
Beteiligten. Ihr Chef willigte ein und lud die Personaler in sein
Büro. Nach einstündiger Diskussion ein Angebot: Ein unbefristeter
Vertrag mit einer sechsmonatigen Probezeit. L. war glücklich. Sie
wollte den Job behalten. Sie hatte sich eingearbeitet, Überstunden
gesammelt und Freundschaften unter ihren Kollegen geknüpft. Doch
nach der Euphorie kam die zweite Enttäuschung. Vier Monate nach
Vertragsbeginn flatterte die fristlose Kündigung ins Haus. Der
Grund: "Frau L. hat die Probezeit nicht bestanden."
Die Steuerfachgehilfin suchte Rat bei einem Anwalt. Ist der
Arbeitgeber überhaupt berechtigt, innerhalb eines Folgevertrages
eine Probezeit festzuschreiben? Die Antwort: Nein. "Die
Vereinbarung einer Probezeit ist lediglich beim Abschluss eines
ersten Arbeitsvertrages zulässig", so der Anwalt. So hat es das
Landesgericht Baden-Württemberg Ende Februar 2002 entschieden (AZ:
4 Sa 68/01). Die Begründung: "Sinn und Zweck der Probezeit ist es,
den Arbeitnehmer und seine Fähigkeiten kennen zu lernen, nicht
hingegen, sich außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes unschwer vom
Arbeitnehmer trennen zu können." L. hat trotzdem ihre Sachen
gepackt und einen neuen Job angenommen. Das Unternehmen hatte
dieses Spiel nicht nur mit ihr gespielt. Andere erhielten zwar
sofort einen unbefristeten Vertrag, doch auch ihnen wurde innerhalb
der Probezeit gekündigt. Um ihnen dann einen erneuten Vertrag mit
einer erneuten Probezeit anzubieten.
Dr. Andreas Imping ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Osborne Clarke, Köln.
Mit einer Illustration von Limo Lechner.
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