Verhandeln mit dem inneren Schweinehund
Ein Interview mit dem Autor und Trainer Marco von Münchhausen.
Jeder begegnet dem lästigen Tierchen, das untrennbar zu einem selbst gehört, irgendwann einmal. Spätestens, wenn man den Vorsatz fasst, ab jetzt jeden Tag zu joggen oder zehn Kilo abzunehmen. Doch man braucht nicht zu kapitulieren - viel erfolgversprechender ist, den Schweinehund zum Verbündeten zu gewinnen!
Der Jurist Marco Freiherr von Münchhausen hält Seminare zum Thema Selbstmanagement und betreibt einen Verlag für juristische Didaktik. Sein neues Buch, das im Campus Verlag erschienen ist und zur Zeit die Bestsellerlisten stürmt, heißt So zähmen Sie Ihren inneren Schweinehund. Vom ärgsten Feind zum besten Freund.
Wie sind Sie eigentlich von
der juristischen Didaktik zu inneren Schweinehunden gekommen?
Dazwischen liegt kein langer Weg. Ich beschäftige mich mit
effizienter Wissensvermittlung auf humorvolle Weise: Zum Beispiel
habe ich Hochschulprofessoren darin geschult, einen trockenen
Stoff wie Jura gehirngerecht zu vermitteln und mir Gedanken
gemacht, wie man Studenten dabei unterstützen kann, sich zu
motivieren. Dann habe ich angefangen, Seminare rund ums Thema
Persönlichkeit - von Rhetorik bis Selbstmanagement - zu halten.
In diesen Seminaren stieß ich natürlich immer wieder auf die
inneren Widerstände und Blockaden, die wir alle haben, wenn es um
Veränderungsprozesse geht. Dabei habe ich festgestellt, dass die
Figur des inneren Schweinehundes bei den meisten Teilnehmern und
bei meinen Vorträgen gut ankam und auch die Bereitschaft, sich
damit auseinander zu setzen, größer war. Wenn ich
Schweinehund-Illustrationen einer befreundeten Zeichnerin als
Folie aufgelegt habe, ist das Publikum immer begeistert
mitgegangen.
Lässt sich mit diesem störenden Teil seiner Persönlichkeit
leichter umgehen, wenn man ihn personifiziert?
Ich glaube, ja. Das ist - unabhängig von dieser humorvollen
Figur - auch ein Element aus der psychologischen Praxis: In dem
Moment, wo man seine Persönlichkeitsanteile oder Ängste
personifiziert und ihnen Namen gibt, nimmt man ihnen ein wenig
von der Bedrohlichkeit.
Sie empfehlen, mit dem Schweinehund zu verhandeln. Können Sie
dafür mal ein Beispiel aus dem täglichen Leben geben?
Nehmen wir mal an, dass ich bestimmte Dinge, die ich machen
will, nie tue. In dem Moment, wo ich sie anpacken will, fängt der
Schweinehund an, mir den Fernseher einzuschalten oder mich zum
Kühlschrank gehen zu lassen - er lenkt ab. Nun könnte ich
anfangen, mit ihm zu verhandeln, als würde er mir
gegenübersitzen. Dabei frage ich mich: Könnte der Schweinehund
eine positive Absicht haben, und wenn ja, welche? Vielleicht
stelle ich in diesem fiktiven Gespräch fest, dass er mich vor
Überforderung schützen und dazu bringen will, nicht mehr 14
Stunden durchzupowern. Dann könnte ich zu ihm sagen: Wenn ich
dieses Ziel auf andere Weise erreiche, würdest du mich dann in
Ruhe lassen? Ich biete ihm also Alternativen an: Zum Beispiel
könnte ich einmal in der Woche in die Sauna gehen und zweimal in
der Woche einen Spaziergang machen. Man spürt das, ob er einem
Vorschlag zustimmt, allerdings muss man sich dann auch daran
halten. Solche Verträge mit sich selbst haben erstaunlicherweise
- das ist eine Erfahrung aus der Praxis - eine große
Wirksamkeit.
Aber kann man das mit der Überforderung nicht wieder als faule
Ausrede benutzen, um ein größeres Projekt nicht anzugehen?
Wenn einer mit sich ehrlich ist, nicht. Wir tendieren in
dieser Leistungsgesellschaft sowieso zur Überforderung. Man
sollte sich auf jeden Fall schon im Vorfeld die Frage stellen:
Will ich's wirklich? Will ich diese 15. Diät wirklich anpacken,
bloß weil sie in einer "Slim & Fit - Zeitschrift" steht? Will
ich wirklich joggen gehen, bloß weil alle um mich herum joggen
und mir sagen, ich sollte doch auch laufen gehen? Wenn ich es
aber wirklich tun möchte, dann kommt die Motivation nach einer
Weile im Idealfall aus dem Lustprinzip. Wenn ich laufe und merke,
dass es mir gut tut, habe ich bald Lust darauf. Aber man sollte
es sich am Anfang so leicht wie möglich machen. Die meisten
Vorhaben scheitern in der Anfangsphase, weil wir dann
gewissermaßen noch gegen den Strom unserer bisherigen
Gewohnheiten schwimmen müssen.
Sie empfehlen eine tägliche Schweinehund-Übung, um sich im
Umgang mit diesem Begleiter fit zu halten. Einmal täglich sollte
man etwas tun, bei dem man sich überwinden muss. Was haben Sie
denn schon so alles gemacht?
In der Zeit, in der ich das Buch geschrieben habe, war für
mich war eine gute Übung, Leute auf Reisen zu interviewen. Um
einfach im Zug jemanden anzusprechen, da musste ich schon über
meinen Schweinehund springen. Wenn ich es dann doch gemacht habe,
waren die Leute erst ein bisschen erstaunt, aber oft kamen dabei
die tollsten Gespräche zustande.
Ein großer Teil Ihres Buches beschäftigt sich damit, wie man
seine Sprachgewohnheiten ändert. Warum hat das eine so große
Wirkung?
Die Sprache beeinflusst unsere Emotionen stark. Wenn ich
ständig sage: "Ich muss jetzt aufstehen und arbeiten", dann nehme
ich meinen Alltag eher als Zwang und Verpflichtung wahr. Sage ich
dagegen: "Ich kann jetzt" oder "Ich will", habe ich zu dem
Vorhaben andere Gefühle, ich empfinde es als Möglichkeit.
Man verwendet, wenn man mit dem Schweinehund zu tun hat, eine
Menge Ausreden, um sich und andere davon zu überzeugen, warum man
etwas gerade nicht tun kann. Wieso ist es eigentlich so schwer,
sich selbst gegenüber ehrlich zu sein? Kann man das
trainieren?
Ja, ich glaube, das kann man trainieren. Das geht
allerdings nicht von heute auf morgen. Denn wir präsentieren uns
alle gerne von der Schokoladenseite, auch uns selbst gegenüber.
Und es fällt uns schwer, die Bereiche, in denen wir nicht perfekt
sind, anzuschauen. Es kostet Mut, die eigenen Schattenseiten und
Fehler zu betrachten und einfach zu sagen: "Okay, ich bin so und
ich arbeite daran." Leichter ist es, sie zu verdecken, indem wir
uns "in die Tasche lügen". Das ist zwar sehr menschlich, aber ich
kann erst etwas verändern, wenn ich erkenne, mit welchen
Mechanismen ich mich selbst immer wieder aushebele.
Glauben Sie, dass die inneren Schweinehunde dieser Welt sich
über Ihr Buch freuen oder ärgern werden? Einerseits verraten Sie
ja viele Tricks der Schweinehunde, andererseits plädieren Sie für
Versöhnung mit dem ungeliebten Tier.
Ich glaube, letztlich werden die Schweinehunde sich freuen.
Denn wenn jemand nach dieser Art mit sich umgeht, bekämpft er
diesen Persönlichkeitsanteil ja nicht mehr, sondern integriert
ihn. Alle heilsamen Prozesse beruhen auf Integration, nicht auf
Konfrontation. Wenn es im Nahen Osten irgendwann mal Frieden
gibt, dann nicht, weil die eine Seite die andere besiegt hat,
sondern weil die verschiedenen widerstreitenden Interessen
integriert werden.
Lesen Sie auch die Besprechung zu Münchhausens Buch So zähmen Sie ihren inneren Schweinehund .
Sylvia Englert, Journalistin und Buchautorin, ist Redakteurin bei changeX.
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