Auf zu neuen Jobufern
Neue Wege im Berufsleben. Der Ratgeber von Brigitte Scheidt in aktualisierter Neuauflage.
Von Susanne Behnk
Ausgebrannt, demotiviert und unzufrieden schieben Massen von Arbeitnehmern in Deutschland Dienst nach Vorschrift, finden aber nicht die Kraft für einen Break. Ein Jobcoach macht Mut, sich aus dieser misslichen Lage zu befreien. Sich bewusst zu machen, was man wirklich will, ist der erste Schritt zu einer Entdeckungsreise zum eigenen Traumjob. / 12.06.09
Scheidt CoverSie können sich mit Ihrem gegenwärtigen Beruf nicht (mehr) identifizieren? Sind vielleicht schon seit Längerem unzufrieden mit der einst getroffenen Wahl? Fühlen sich ausgebrannt, schlecht behandelt, unter- oder überfordert? Dann ist es höchste Zeit, der eigenen Unzufriedenheit auf den Grund zu gehen, damit Sie sich selbst aus dieser unglücklichen Lage befreien können. Wie wäre es mit einer zweiten Karriere, die wirklich zu Ihnen passt? Zumindest Diplompsychologin Brigitte Scheidt ermuntert dazu, das sichere Terrain des (noch?) sicheren Jobs zu verlassen und sich beruflich neu zu orientieren. Ihr Rezept zum Glücklichsein: Die berufliche Identität muss zur Persönlichkeit passen. Schließlich geht es immer auch um emotionale Kosten.
Zwar ermahnt schon ein bekanntes Sprichwort dazu, sich selbst treu zu bleiben. Das setzt aber natürlich voraus, dass man sich selbst gut kennt. Die Neuauflage von Scheidts Erfolgsratgeber widmet sich dementsprechend den innerpsychischen Kennenlern- und Identitätsbildungsprozessen. Wie der Untertitel schon verrät, ist Neue Wege im Berufsleben ein Arbeitsbuch für Berufsumsteiger - dürfte aber gleichermaßen auch für Berufsanfänger von Nutzen sein. In jedem Fall wartet es mit professionellen Methoden, Handlungsvorschlägen, Fallbeispielen und Checklisten auf, die bei der Selbstreflexion und Berufswahl hilfreich sein können.

Entdeckungsreise zu sich selbst.


"Die Idee der Rose ist schon da, wenn der Samen für uns noch unsichtbar im Boden ist, und wir verzweifelt nach ihr Ausschau halten." Sagt Diplompsychologin Scheidt. Sie ist davon überzeugt, dass der passende Berufswunsch wie ein Dornröschen in unserem Inneren schlummert - darauf wartend, von uns geweckt und verwirklicht zu werden. Laut Scheidt steht am Anfang eines Traumberufs also ein Traum, vielleicht sogar ein alter Kindheitstraum, den es sich einzugestehen gilt. Wenn dieser sich mit unseren Talenten und Fähigkeiten deckt, dann ist alles möglich, davon ist die Autorin überzeugt.
Doch machen wir uns nichts vor: Ein Berufswechsel braucht viel Mut, Geduld, Kraft und sicher auch noch ein paar andere Ressourcen. Auch Brigitte Scheidt weiß das und will gerade deshalb dazu ermutigen, einen psychischen Entwicklungsprozess in Angriff zu nehmen. Dabei schöpft die Lehrbeauftragte aus einem großen Erfahrungsschatz, den sie in ihrer langjährigen Beratertätigkeit sammeln konnte. Ein geweiteter Blick soll helfen, so Scheidt, ein passendes Berufsbild anzuvisieren, um sich diesem dann Schritt für Schritt anzunähern. Sie bietet ein Fünfphasenmodell zur psychologischen Unterstützung: "Trennen", "Öffnen", "Suchen" und "Finden" sind demnach die Stationen der propagierten Entdeckungsreise, die uns zum Berufsziel führen soll.
"Ich bin, was ich tue", sagt die Psychologin, die von der untrennbaren Verbundenheit von Gefühl, Denken und Handeln überzeugt ist. "Die innere Welt bestimmt unser Handeln", ist ihre zentrale Erkenntnis. Demzufolge trägt jeder Mensch eigene Filter in sich, die in individuellen Verhaltensautomatismen ihren Ausdruck finden. Diese gilt es aufzuspüren und subjektive (Schein-)Wirklichkeiten zu hinterfragen und sie auf Wahrheitsgehalt und Umsetzungsmöglichkeiten zu überprüfen.
Die Autorin lädt uns zu einer Forschertätigkeit ein: Diese soll den Blick für das "Eigene" schulen und dabei helfen, Urteilsfähigkeit zu entdecken und sich weiterzuentwickeln. Das Buch offeriert also eine Art Forscher-Crashkurs zur Selbstentdeckung und bietet uns dabei verschiedene psychologische Deutungsmuster an.

Mehr an Freiheiten, mehr an Verantwortung.


Wie bei einem ängstlichen Kind, das wie festgewachsen in einem Raum mit vielen Türen verharrt, ohne eine von ihnen zu öffnen, ist es die zugelassene Angst vor möglichen Fehlern, die uns stagnieren lässt und uns zu Gefangenen unserer selbst macht. Anstelle in blinden Aktionismus zu verfallen oder verkrampft nach einer Lösung zu suchen, empfiehlt die Autorin, die eigene Wahrnehmung zu schulen und sich eigene "Messinstrumente", vor allem einen "inneren Kompass" zuzulegen. Angst und Druck sind dabei keine guten Ratgeber. Selbst von unserer Angst vor einem möglichen ökonomischen Absturz dürften wir uns nicht lähmen lassen, so Scheidt. Der Berufscoach setzt vor allem auf zwei Ressourcen: "Ohne Offenheit und Bereitschaft können wir nicht finden", davon ist Scheidt überzeugt. Und meint damit: Wenn wir die Türen erst gar nicht öffnen, werden wir nie erfahren, ob uns dahinter tatsächlich ein gefährliches Monster oder vielleicht eine Abenteuerreise zum ersehnten Traumjob erwartet. Und selbst wenn sich ein eingeschlagener Weg nach einer Weile als Flop entpuppt: Getroffene Entscheidungen müssen keine Festlegung auf ewig bedeuten, betont Scheidt. Wer "A" sagt, muss also keineswegs zwangsläufig "B" sagen. Wir selbst entscheiden uns für Stagnation oder für ein Mehr an Freiheiten. Dabei wird klar: "Agent in eigener Sache" zu sein bedeutet in jedem Fall immer auch ein Mehr an Verantwortung.

Mehr Begeisterung!


"Mit dem Verzicht auf Begeisterung runzelt die Seele", das wusste schon Albert Schweitzer. Scheidt scheint sich ihm anzuschließen, wenn sie Begeisterung in allen Lebensbereichen einfordert. Besagtes Schlagwort stellt die Autorin somit auch in engen Zusammenhang mit der Erlangung einer "beruflichen Identität". Der Leser wird ausdrücklich dazu ermutigt, Halbherzigkeiten ad acta zu legen, um sich mit ganzem Herzen einlassen zu können. Scheidts optimistische Prognose: Die leidenschaftliche Arbeit an uns selbst wird uns nicht nur eines Tages zu dem Punkt führen, an dem wir sagen können: "Das ist meins!", "Das will ich machen." Wir werden mit unserer Begeisterung für das erwählte Berufsfeld auch andere überzeugen, die uns bei der Erlangung unseres Ziels unterstützen werden. Zunächst aber gehe es darum, Vertrauen zu wagen. Daran zu glauben, dass diese Welt für jeden Einzelnen den richtigen Platz bereithalte. "Zulassen, zupacken und sich einlassen", lautet die Devise. Dabei wird deutlich: Scheidt ist keineswegs eine Träumerin, sondern Realistin. Als solche macht sie ihren Lesern auch klar, dass es im Leben keine Garantien geben kann, sofort und auf ewig am idealen Platz zu landen. Mögliche Rückschläge sind aber gar nicht mehr so dramatisch, wenn wir erkennen, dass Entscheidungen revidierbar sind. Als Beleg verweist die Autorin auf die Patchwork-Profile vieler erfolgreicher Menschen. Auf der Suche nach der beruflichen Identität lädt Scheidt schließlich noch zu einer letzten Visualisierung ein: "Hund oder Wolf?", lautet die Frage, die dabei helfen soll, tiefsten Bedürfnissen auf den Grund zu gehen. Scheidt zufolge wird der Hundeliebhaber eher in einem sicheren Angestelltenverhältnis, der Wolfsfan eher als selbstbestimmter Freiberufler seine Selbstverwirklichung finden.

Sicherheit ist eine Illusion.


Neue Wege im Berufsleben führt in psychologische Grundlagen ein, hilft bei der Selbstanamnese und der Analyse der gegenwärtigen Arbeitssituation. Zudem behandelt das Buch wichtige und spezifische Fragen, wie etwa: Was benötigt man für eine Einpersonenfirma? Oder: Warum kann unter Umständen eine befristete Freistellung günstiger sein als eine einmalige Abfindung?
Scheidt überschüttet den Leser mit unerschütterlichem Optimismus und nützlichen Step-by-Step-Methoden, um für das eigene Glück aktiv zu werden. Freilich müssen für die Umsetzung gewisse Voraussetzungen gegeben sein: Schließlich will auch eine Auszeit inklusive Schulungen und eventuellem professionellem Coach finanziert sein. Diese Gegebenheit scheint die Autorin wie selbstverständlich vorauszusetzen.
Aber egal, wie privilegiert manch einer von uns hinsichtlich der persönlichen und/oder materiellen Ressourcen vielleicht ist oder nicht ist: "Sicherheit ist eine Illusion." Da hat Scheidt wohl recht. Also bleibt wohl in der Tat nichts anderes übrig, als "Vertrauen zu wagen" und sich auf Entdeckungsreise zu begeben.

Susanne Behnk ist freie Mitarbeiterin bei changeX.

Brigitte Scheidt:
Neue Wege im Berufsleben.
Ein Ratgeber und Arbeitsbuch zur beruflichen Neuorientierung.

3., überarbeitete Neuauflage, Gabal Verlag, Offenbach 2009,
263 Seiten, 19.90 Euro.
ISBN 978-3-89749-921-8
www.gabal-verlag.de

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Zum Buch

: Neue Wege im Berufsleben. Ein Ratgeber und Arbeitsbuch zur beruflichen Neuorientierung. 3., überarbeitete Neuauflage. GABAL Verlag, Offenbach 2009, 263 Seiten, ISBN 978-3-89749-921-8

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