Zwar ermahnt schon ein bekanntes Sprichwort dazu, sich selbst treu zu bleiben. Das setzt aber natürlich voraus, dass man sich selbst gut kennt. Die Neuauflage von Scheidts Erfolgsratgeber widmet sich dementsprechend den innerpsychischen Kennenlern- und Identitätsbildungsprozessen. Wie der Untertitel schon verrät, ist Neue Wege im Berufsleben ein Arbeitsbuch für Berufsumsteiger - dürfte aber gleichermaßen auch für Berufsanfänger von Nutzen sein. In jedem Fall wartet es mit professionellen Methoden, Handlungsvorschlägen, Fallbeispielen und Checklisten auf, die bei der Selbstreflexion und Berufswahl hilfreich sein können.
Entdeckungsreise zu sich selbst.
"Die Idee der Rose ist schon da,
wenn der Samen für uns noch unsichtbar im Boden ist, und wir
verzweifelt nach ihr Ausschau halten." Sagt Diplompsychologin
Scheidt. Sie ist davon überzeugt, dass der passende Berufswunsch
wie ein Dornröschen in unserem Inneren schlummert - darauf
wartend, von uns geweckt und verwirklicht zu werden. Laut Scheidt
steht am Anfang eines Traumberufs also ein Traum, vielleicht
sogar ein alter Kindheitstraum, den es sich einzugestehen gilt.
Wenn dieser sich mit unseren Talenten und Fähigkeiten deckt, dann
ist alles möglich, davon ist die Autorin überzeugt.
Doch machen wir uns nichts vor: Ein Berufswechsel braucht
viel Mut, Geduld, Kraft und sicher auch noch ein paar andere
Ressourcen. Auch Brigitte Scheidt weiß das und will gerade
deshalb dazu ermutigen, einen psychischen Entwicklungsprozess in
Angriff zu nehmen. Dabei schöpft die Lehrbeauftragte aus einem
großen Erfahrungsschatz, den sie in ihrer langjährigen
Beratertätigkeit sammeln konnte. Ein geweiteter Blick soll
helfen, so Scheidt, ein passendes Berufsbild anzuvisieren, um
sich diesem dann Schritt für Schritt anzunähern. Sie bietet ein
Fünfphasenmodell zur psychologischen Unterstützung: "Trennen",
"Öffnen", "Suchen" und "Finden" sind demnach die Stationen der
propagierten Entdeckungsreise, die uns zum Berufsziel führen
soll.
"Ich bin, was ich tue", sagt die Psychologin, die von der
untrennbaren Verbundenheit von Gefühl, Denken und Handeln
überzeugt ist. "Die innere Welt bestimmt unser Handeln", ist ihre
zentrale Erkenntnis. Demzufolge trägt jeder Mensch eigene Filter
in sich, die in individuellen Verhaltensautomatismen ihren
Ausdruck finden. Diese gilt es aufzuspüren und subjektive
(Schein-)Wirklichkeiten zu hinterfragen und sie auf
Wahrheitsgehalt und Umsetzungsmöglichkeiten zu überprüfen.
Die Autorin lädt uns zu einer Forschertätigkeit ein: Diese
soll den Blick für das "Eigene" schulen und dabei helfen,
Urteilsfähigkeit zu entdecken und sich weiterzuentwickeln. Das
Buch offeriert also eine Art Forscher-Crashkurs zur
Selbstentdeckung und bietet uns dabei verschiedene psychologische
Deutungsmuster an.
Mehr an Freiheiten, mehr an Verantwortung.
Wie bei einem ängstlichen Kind, das wie festgewachsen in einem Raum mit vielen Türen verharrt, ohne eine von ihnen zu öffnen, ist es die zugelassene Angst vor möglichen Fehlern, die uns stagnieren lässt und uns zu Gefangenen unserer selbst macht. Anstelle in blinden Aktionismus zu verfallen oder verkrampft nach einer Lösung zu suchen, empfiehlt die Autorin, die eigene Wahrnehmung zu schulen und sich eigene "Messinstrumente", vor allem einen "inneren Kompass" zuzulegen. Angst und Druck sind dabei keine guten Ratgeber. Selbst von unserer Angst vor einem möglichen ökonomischen Absturz dürften wir uns nicht lähmen lassen, so Scheidt. Der Berufscoach setzt vor allem auf zwei Ressourcen: "Ohne Offenheit und Bereitschaft können wir nicht finden", davon ist Scheidt überzeugt. Und meint damit: Wenn wir die Türen erst gar nicht öffnen, werden wir nie erfahren, ob uns dahinter tatsächlich ein gefährliches Monster oder vielleicht eine Abenteuerreise zum ersehnten Traumjob erwartet. Und selbst wenn sich ein eingeschlagener Weg nach einer Weile als Flop entpuppt: Getroffene Entscheidungen müssen keine Festlegung auf ewig bedeuten, betont Scheidt. Wer "A" sagt, muss also keineswegs zwangsläufig "B" sagen. Wir selbst entscheiden uns für Stagnation oder für ein Mehr an Freiheiten. Dabei wird klar: "Agent in eigener Sache" zu sein bedeutet in jedem Fall immer auch ein Mehr an Verantwortung.
Mehr Begeisterung!
"Mit dem Verzicht auf Begeisterung runzelt die Seele", das wusste schon Albert Schweitzer. Scheidt scheint sich ihm anzuschließen, wenn sie Begeisterung in allen Lebensbereichen einfordert. Besagtes Schlagwort stellt die Autorin somit auch in engen Zusammenhang mit der Erlangung einer "beruflichen Identität". Der Leser wird ausdrücklich dazu ermutigt, Halbherzigkeiten ad acta zu legen, um sich mit ganzem Herzen einlassen zu können. Scheidts optimistische Prognose: Die leidenschaftliche Arbeit an uns selbst wird uns nicht nur eines Tages zu dem Punkt führen, an dem wir sagen können: "Das ist meins!", "Das will ich machen." Wir werden mit unserer Begeisterung für das erwählte Berufsfeld auch andere überzeugen, die uns bei der Erlangung unseres Ziels unterstützen werden. Zunächst aber gehe es darum, Vertrauen zu wagen. Daran zu glauben, dass diese Welt für jeden Einzelnen den richtigen Platz bereithalte. "Zulassen, zupacken und sich einlassen", lautet die Devise. Dabei wird deutlich: Scheidt ist keineswegs eine Träumerin, sondern Realistin. Als solche macht sie ihren Lesern auch klar, dass es im Leben keine Garantien geben kann, sofort und auf ewig am idealen Platz zu landen. Mögliche Rückschläge sind aber gar nicht mehr so dramatisch, wenn wir erkennen, dass Entscheidungen revidierbar sind. Als Beleg verweist die Autorin auf die Patchwork-Profile vieler erfolgreicher Menschen. Auf der Suche nach der beruflichen Identität lädt Scheidt schließlich noch zu einer letzten Visualisierung ein: "Hund oder Wolf?", lautet die Frage, die dabei helfen soll, tiefsten Bedürfnissen auf den Grund zu gehen. Scheidt zufolge wird der Hundeliebhaber eher in einem sicheren Angestelltenverhältnis, der Wolfsfan eher als selbstbestimmter Freiberufler seine Selbstverwirklichung finden.
Sicherheit ist eine Illusion.
Neue Wege im Berufsleben führt in psychologische
Grundlagen ein, hilft bei der Selbstanamnese und der Analyse der
gegenwärtigen Arbeitssituation. Zudem behandelt das Buch wichtige
und spezifische Fragen, wie etwa: Was benötigt man für eine
Einpersonenfirma? Oder: Warum kann unter Umständen eine
befristete Freistellung günstiger sein als eine einmalige
Abfindung?
Scheidt überschüttet den Leser mit unerschütterlichem
Optimismus und nützlichen Step-by-Step-Methoden, um für das
eigene Glück aktiv zu werden. Freilich müssen für die Umsetzung
gewisse Voraussetzungen gegeben sein: Schließlich will auch eine
Auszeit inklusive Schulungen und eventuellem professionellem
Coach finanziert sein. Diese Gegebenheit scheint die Autorin wie
selbstverständlich vorauszusetzen.
Aber egal, wie privilegiert manch einer von uns
hinsichtlich der persönlichen und/oder materiellen Ressourcen
vielleicht ist oder nicht ist: "Sicherheit ist eine Illusion." Da
hat Scheidt wohl recht. Also bleibt wohl in der Tat nichts
anderes übrig, als "Vertrauen zu wagen" und sich auf
Entdeckungsreise zu begeben.
Susanne Behnk ist freie Mitarbeiterin bei changeX.
Brigitte Scheidt:
Neue Wege im Berufsleben.
Ein Ratgeber und Arbeitsbuch zur beruflichen
Neuorientierung.
3., überarbeitete Neuauflage, Gabal Verlag, Offenbach 2009,
263 Seiten, 19.90 Euro.
ISBN 978-3-89749-921-8
www.gabal-verlag.de
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