Als Einstieg empfiehlt Jürgen Kurz eine "Schocktherapie": ganz einfach, indem man Fotos vom eigenen Schreibtisch oder von Schreibtischen aus der Abteilung anfertigt - nicht um Mitarbeiter bloßzustellen, sondern um allen den Handlungsbedarf vor Augen zu führen. Denn das ganze Ausmaß der Unordnung wird häufig erst durch das Objektiv der Kamera richtig sichtbar. Sagt Kurz. Und illustriert dies mit entlarvenden Fotos, die mit einer Prise Humor gewürzt sind - etwa wenn die einen Schrank überwuchernde Büropflanze vor Augen führt, dass dieses Möbel seit Monaten nicht geöffnet worden sein kann. Die Bilder illustrieren das alltägliche Chaos in den Büros und appellieren: Ran ans Aufräumen!
Jagd auf Posteingangsfächer.
Aufräumen ist auch die erste Stufe auf dem Weg zu einer effizienten Büroorganisation. Wenn Kurz selbst eine Firma berät, macht er sich auf die Jagd nach überflüssigen Posteingangsfächern. Denn jeder Mitarbeiter, so seine Regel, sollte nur ein Posteingangsfach haben, alles andere macht Arbeitsprozesse intransparent. In Stufe zwei werden dann Standards geschaffen. Deren Notwendigkeit erläutert er an einem guten Beispiel: In einer Küche liegen meist alle Geräte an ihrem Platz. Das Messer oder der Kochtopf sind immer im selben Schubfach oder Küchenschrank zu finden. Wenn man hier täglich nach Geräten suchen müsste, würde man wahrscheinlich verhungern. Genauso kann man auch sein Büro organisieren und dadurch Arbeitsabläufe erheblich vereinfachen und beschleunigen, sagt Kurz. Wenn Standards geschaffen sind, bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, die Arbeitsprozesse in einem dritten Schritt Stück für Stück zu verbessern. Standards, so Kurz, schaffen nämlich Freiräume, damit man entspannt arbeiten kann.
Hupen im Meeting.
Der vierte Schritt besteht darin,
die Eigenverantwortung der Mitarbeiter zu fördern, ganz nach dem
Motto: "Geben Sie Ihren Mitarbeitern alle erforderlichen
Informationen, und Sie werden nicht verhindern können, dass sie
Verantwortung übernehmen." Dazu gehört auch eine "angstfreie
Fehlerkultur", in der Mitarbeiter sich nicht gegenseitig
beschuldigen, sondern gemeinsam Probleme lösen. Den Abschluss des
Kaizen-Prozesses bilden allgemein nachvollziehbare Ziele und
Kennzahlen, an denen sich der Erfolg des Unternehmens oder der
Abteilung messen lässt und an denen sich die Mitarbeiter
orientieren können. Allerdings ist Abschluss eigentlich das
falsche Wort, denn es gibt immer Möglichkeiten zur weiteren
Verbesserung des Arbeitsalltages. Die Wirklichkeit erfordert
immer wieder neue Anpassungsprozesse.
Kurz hat in diesem Rahmen viele unkonventionelle Ratschläge
parat. So empfiehlt er, einen Mitarbeiter bei Besprechungen mit
einer Hupe auszustatten, um zu langen Meetings vorzubeugen.
Sobald jemand vom Thema abschweift, kommt die Hupe zum Einsatz.
Für jeden, der in solchen Besprechungen wie auf Kohlen sitzt,
weil das Gespräch sich wieder end-, ziel- und sinnlos in die
Länge zieht, ist das sicher eine befreiende Vorstellung. Auch
schön ist die Idee, "Wegwerfen auf Probe" zu üben. Das geht so:
Gegenstände oder Akten, von denen man sich nicht trennen kann,
werden in einen Karton gepackt mit der Aufschrift: "Wenn dieser
Karton bis ... nicht geöffnet wird, kann er ohne Betrachtung des
Inhalts entsorgt werden." So hat man die Sicherheit, dass nicht
aus Versehen wichtige Dinge weggeworfen werden, kann aber
trotzdem schon einmal Platz schaffen für die wirklich wichtigen
Angelegenheiten.
Schade um jede Minute.
Für immer aufgeräumt ist ein sehr
nützliches Buch. Durch die bildhafte Darstellung mit Fotos und
Illustrationen und die flüssige Schreibweise sind die
Verbesserungsvorschläge für jeden leicht nachvollziehbar und
durchführbar. Vor allem bleiben viele gute Ideen hängen. Das geht
übers bloße Aufräumen hinaus. Die Anwendung der Kaizen-Methode
führt laut Kurz zur Verbesserung der Mitarbeiterzufriedenheit und
der Wettbewerbsfähigkeit.
Der Klappentext des Buches klingt allerdings für Freunde
des "kreativen Chaos", das hier als "Lebenslüge" bezeichnet wird,
fast wie eine Drohung: "Wenn Sie wüssten, wie viel ein
unaufgeräumtes Büro über Ihre Persönlichkeit verrät - Sie würden
dieses Buch auswendig lernen." Fragt sich: Wieso soll das eigene
Büro eigentlich nichts über die eigene Persönlichkeit verraten?
In der Diskussion über Komplexität oder Vereinfachung des Lebens
hätte man hier einen interessanten Ansatzpunkt. Aber solche
metaphysischen Diskussionen liegen gar nicht im Interesse von
Jürgen Kurz, sondern: "In einer Zeit internationalen
Wettbewerbsdruckes ist es um jede Minute schade, die mit Suchen
vergeudet wird." Und warum? Weil Väter und Mütter "zu viele
Stunden im Büro verbringen und deswegen nicht sehen, wie ihre
Kinder aufwachsen".
Sigmar von Blanckenburg ist freier Mitarbeiter bei changeX.
Jürgen Kurz:
Für immer aufgeräumt.
Zwanzig Prozent mehr Effizienz im Büro.
Gabal Verlag, Offenbach 2008,
160 Seiten, 17.90 Euro.
ISBN 978-3-89749-735-1
www.gabal-verlag.de
© changeX Partnerforum [08.04.2008] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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