Peter Scott-Morgan und seine Co-Autoren weisen den Weg, wie man Innovationen besser in den Arbeitsalltag der Unternehmen integriert.
Je nach Zahl und Art der Innovationen, denen ein Unternehmen ausgesetzt ist, empfehlen Scott-Morgan und Co. vier geometrische Strukturen. Sie machen den Wandel im Unternehmen zur Normalität. Doch das eigentliche Geheimnis des schonenden Wandels ist: Solange man nichts an der Unternehmenskultur dreht, empfinden die Mitarbeiter Veränderungen als nicht störend.
Reengineering hier, Lean Management da
- in vielen Unternehmen haben die Angestellten die Nase voll von
den ständigen Umstrukturierungen und den Belastungen, denen sie
dadurch ausgesetzt sind. Die Führungskräfte geraten in eine
Zwickmühle: "Für ihre jeweiligen Unternehmen ist ein immer
schnellerer Wandel erforderlich, doch die Fähigkeit der
Mitarbeiter, sich immer neuen Veränderungen anzupassen, erschöpft
sich zusehends", diagnostizieren die Autoren. Doch was tun gegen
die Veränderungsmüdigkeit? Ihr Rezept: "stabile Innovation".
Bisher war die gängige Methode, "das Unternehmen quasi
aufzutauen, durch die Übergangsphase zu treiben und anschließend
möglichst wieder erstarren zu lassen". Weit schonender ist, das
Unternehmen in eine Struktur zu bringen, in der es mit den zu
erwartenden Innovationen geregelt umgehen kann - und bestimmte
Bereiche ganz bewusst stabil zu halten, um die Kontinuität zu
wahren. So wird der nötige Wandel zur Normalität, die Mitarbeiter
empfinden ihn nicht mehr als störend.
Peter Scott-Morgan, Autor des Bestsellers
Die heimlichen Spielregeln, und seine Mitstreiter,
allesamt Partner bei der Unternehmensberatung Arthur D. Little,
haben das richtige Buch zur richtigen Zeit geschrieben. Trotz
kleinerer Schwächen gibt es Unternehmen wichtige Werkzeuge an die
Hand, den Wandel so zu bewältigen, dass er schonender für alle
Beteiligten abläuft. Inmitten der vielen Bücher zum Thema Change
Management ist
Stabilität durch Wandel erfreulich mitarbeiterfreundlich
und erwähnt nur in einem Nebensatz, dass sowohl die (nicht immer
erfolgreichen) Veränderungsprogramme als auch die
Produktivitätseinbußen, die sie vorübergehend hervorrufen,
schließlich auch eine Menge Geld kosten.
Jedem die passende Struktur.
Der Schlüssel zum schonenden Wandel
sind vier Unternehmensstrukturen, die Scott-Morgan und Co. nach
Stabilitätskriterien definiert haben: Pyramide, Würfel, Zylinder
und Kugel. Jede von ihnen ist einem bestimmten Innovationsklima
angemessen, jede dieser Strukturen braucht einen bestimmten
Managementstil, auf sie angepasste Leistungskennzahlen und eine
passende Organisation, um richtig zu funktionieren. Die Pyramide
ist für eine Umgebung mit wenig Wandel geeignet, sie hockt stabil
auf ihrer Basis und integriert Innovationen nach und nach.
Schrittweise Verbesserungstechniken wie Total Quality Management
erweisen sich als ganz besonders passend für sie. Der Würfel kippt,
wenn er vorwärts bewegt wird, plötzlich auf eine neue Seite -
Stabilitätsperioden werden gefolgt von sprunghaften Innovationen.
Beispiel: die NASA in den 60er Jahren, die ein Großprojekt nach dem
anderen bewältigte. In der Ruhepause bereitet sich eine Firma mit
Würfelstruktur schon auf die nächste Innovationsphase vor. Um die
Stabilität zu maximieren, sollte sie vor, während und nach dem
Übergang möglichst viele Größen konstant halten. Bei der NASA war
das nicht schwer: Ingenieure und Astronautenteam blieben gleich.
In einem Umfeld mit sich häufig wiederholenden Innovationen
- zum Beispiel dem Geschäftsfeld IT, in dem die Unternehmen alle 18
Monate ein neues Produkt auf den Markt bringen müssen - bewährt
sich die Zylinderstruktur. In eine Richtung rollt der Zylinder
reibungslos. Damit die Mitarbeiter möglichst wenige Störungen zu
bewältigen haben, sollten Unternehmen mit Zylinderstruktur auf
Kontinuität über die Zyklen hinweg achten. Den Preis für die größte
Flexibilität räumt jedoch die Kugelstruktur ab: Sie kann fast
überallhin rollen und die Richtung wenn nötig schnell ändern. Viele
Firmen der New Economy kullern auf diese Art an der vordersten
Front der Innovation entlang; sie wissen zwar oft noch nicht,
welche genauen Ziele sie in der ferneren Zukunft haben werden,
forschen aber in verschiedene Richtungen und verfolgen das weiter,
das sich am besten entwickelt. Störungen minimiert man in einer
Kugelstruktur, indem man für alle Veränderungen
Reaktionsalternativen parat hat und ein Umfeld des kalkulierten
Risikos schafft. Ihre Schwächen: In einer ruhigen Geschäftsumgebung
ist die Kugel zu teuer und für regelmäßig wiederkehrende
Innovationen ist sie nicht wirklich geeignet.
Geschickt kombiniert funktioniert am besten.
Viele Unternehmen sind Kreuzungen zwischen diesen Strukturen, aber mindestens die Hälfte dieser Mischformen ist, so geben die Autoren zu bedenken, nicht in sich stabil und kann nur mit großer Anstrengung "in Form" gehalten werden: Der Versuch, eine Kugel-Pyramiden-Hybride beizubehalten, muss über kurz oder lang kläglich scheitern. Die Lösung: Bereiche innerhalb des Unternehmens definieren und ihnen die angemessenste Struktur geben: Die Forschung & Entwicklung funktioniert am besten als Kugelform, die Finanzabteilung ist üblicherweise eine Pyramide. Auch die Strukturen zu kombinieren ist ein guter Trick, wie IBM bei der Entwicklung des Personal Computers bewies: In der behäbigen Bürokratie des Großkonzerns war das nötige flexible Handeln einfach nicht mehr möglich. Also rief man eine kleine Gruppe ins Leben, die außerhalb der Unternehmensrichtlinien und Verfahren arbeiten konnte, quasi eine unabhängige Kugelstruktur. Als sie Ergebnisse vorweisen konnte, wurde sie reintegriert.
Hauptsache die Unternehmenskultur bleibt unangetastet.
Doch wo bleiben in dieser ganzen
Geometrielehrstunde die Menschen? Den Clou verstecken die Autoren
in der Mitte des Buches: "Unserer Ansicht nach sind Veränderungen
nur dann störend, wenn die Menschen sie als deutliche
unternehmenskulturelle Veränderungen empfinden", erklären sie.
Deshalb ist es in Ordnung, an der Struktur herumzubasteln, und
deshalb bietet die richtige Struktur die Chance, kontinuierlichen
Wandel zu bewältigen. Aus diesem Grund leiden auch die meisten
Consultants nicht unter dem häufig wechselnden Umfeld, dem sie
durch ihre vielen neuen Projekten ausgesetzt sind. Für sie ist die
Veränderung ein stabiler Zustand. Sie bleiben trotz der
Veränderungen in ihrem Arbeitsalltag immer in ihr "Mutterhaus"
eingebettet, Berichtsstruktur, ungeschriebene Regeln und
Kontaktpersonen dort bleiben unverändert.
Sind Störungen der Unternehmensmitarbeiter doch einmal nicht
zu vermeiden, weil ein Unternehmen beispielsweise eine passendere
geometrische Struktur annehmen möchte, gibt es
"Stoßdämpfer-Techniken", mit denen man die Belastung minimieren
kann - die Autoren stellen eine ganze Reihe von ihnen vor. Der
Trick: Entweder man legt erstmal den Kriechgang ein und gibt den
Menschen Zeit, sich an die Veränderungen zu gewöhnen, oder man
achtet besonders auf Kontinuität im Übergang. Die radikalste
Stoßdämpfer-Technik ist die "Sprungwelle": Man drückt beim
Veränderungstempo erst recht auf die Tube und nimmt das Gas dann
wieder ein wenig zurück - wie ein Rennfahrer, der Vollgas gibt,
riskiert ins Schleudern zu geraten und deswegen wieder ein bisschen
abbremst. Das soll - zumindest angeblich - helfen, den Wandel
besser zu verkraften.
Wichtige Fragen bleiben unbeantwortet.
Dass sich das Buch stellenweise wie ein Lehrstück in Geometrie liest, ist wohl nicht zu vermeiden bei den Metaphern, die die Autoren gewählt haben. Störend wirkt aber auch, dass ihnen die Struktur ihres Buches ab der Mitte etwas entgleitet - in einer Vielzahl kleiner Kapitel geben sie immer neue Informationshäppchen, der rote Faden zerfasert. Und auf eine drängende Frage vieler Manager, nämlich "Was ist, wenn auch die ungeschriebenen Regeln und die ganze Unternehmenskultur verändert werden sollen?", gibt das Buch keine Antwort. Vielleicht, weil es dann keine Rezepte mehr gibt: Wenn man ein verkalktes Großunternehmen mit eingefahrenen Denkweisen aufknacken will, um es fit für die Zukunft zu machen, ist der Crunch wohl unvermeidlich.
Peter Scott-Morgan, Erik Hoving, Henk Smit, Arnoud van der
Slot:
Stabilität durch Wandel. Vier Modelle, mit denen Sie der
Veränderungsmüdigkeit Ihrer Mitarbeiter begegnen,
Campus Verlag 2001,
285 Seiten, 98 Mark,
ISBN 3-593-36678-9.
Sylvia Englert, Journalistin und Buchautorin, ist Redakteurin bei changeX.
© changeX Partnerforum [03.07.2001] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Zum Buch
Peter Scott-Morgan, Erik Hoving, Henk Smit, Arnoud van der Slot: Stabilität durch Wandel. . Vier Modelle, mit denen Sie der Veränderungsmüdigkeit Ihrer Mitarbeiter begegnen. . Campus Verlag, Frankfurt am Main 1900, 285 Seiten, ISBN 3-593-36678-9
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