Er geriet ins Nachdenken: "Nach sieben Jahren Stress meldete sich immer öfter eine innere Stimme mit der bohrenden Frage: Ist das alles, worum es geht? Noch längere Arbeitszeiten und eine noch höhere Bezahlung? Als echter Unternehmenssoldat hatte ich die Mentalität eines Frontkämpfers angenommen. Urlaub war etwas für Weicheier." Und was tut ein vielbeschäftigter Mann in solch einer Lage? Richtig, er macht zur Entspannung eine dreiwöchige Trekking-Tour durch den Himalaya - die zu einer Wende in seinem Leben wird. Das Herunterfahren des Betriebssystems führt zum Neustart in Nepal. Er kommt ins Gespräch mit einem Nepalesen, der mühevoll versucht, die nötigen Lehrmittel für Schulen aufzutreiben. Beim Besuch einer Schule erfährt er, dass die lernbegierigen Kinder Nepals keine Bücher haben, mit denen sie lesen und schreiben lernen können. Angesichts dieses Bildungsnotstands verspürt er den inneren Drang zu helfen.
Bildung gegen Armut.
In Gesellschaft schnarchender
Trekking-Touristen entwirft er nachts beim Licht einer Stirnlampe
die ersten Pläne, wie sich für die Schule Bücher beschaffen
ließen. Er will den Kindern in Nepal dieselben Chancen
verschaffen, die er selbst auch hatte: "Die Liebe zum Lesen, zum
Lernen und zur Erforschung neuer Welten nimmt in den Erinnerungen
an meine Jugend einen zentralen Platz ein. Eine Kindheit ohne
Bücher kann ich mir einfach nicht vorstellen." Kaum zuhause
angekommen, setzt er seine Pläne um. Auf eine Rundmail erhält er
so großen Zuspruch, dass die Bücherlieferung in kurzer Zeit
zustande kommt. Er selbst bringt die Bücher in das Dorf.
Aber das ist nur der Anfang, denn der Bedarf nach Bildung
ist groß, ja schier unerschöpflich. 1999 gibt er seinen Job bei
Microsoft auf und gründet die gemeinnützige Organisation Books
for Nepal. Sie füllt nicht nur leere Bibliotheken, sondern baut
auch zahlreiche Schulen. Woods ganzes Managementwissen, das er
sich bei Microsoft erarbeitet hat, kommt der jungen Organisation
zu gute. Die in Room to read umbenannte Organisation baut bald
Schulen und Bibliotheken nicht nur in Nepal, sondern auch in
Kambodscha, Vietnam und Indien. Über eine Kette von Büros in den
USA und Westeuropa wird das nötige Geld dafür beschafft. Auch der
11. September kann der Organisation nichts anhaben, denn die
Notwendigkeit von Bildung in der dritten Welt wird nach dieser
Katastrophe noch offenkundiger. Einen höheren Bekanntheitsgrad
erhält Room to read durch den Tsunami im Jahr 2005, als die
Organisation sich schnell bereit erklärt, in den betroffenen
Gebieten neue Schulen zu bauen.
Aus vielerlei Gründen ist John Woods Buch lesenswert:
Erstens kann der Leser hier Einiges über Management lernen und
nebenbei ein paar bezeichnende Anekdoten über Bill Gates und
Steve Ballmer nachlesen. Zugleich lernt er etwas über den Aufbau
einer gemeinnützigen Organisation und über die Kunst des
Fundraising, also darüber, wie man am besten Spenden sammelt. Aus
dem Buch geht deutlich hervor, dass das gar nicht so schwer ist,
wenn man gute Kontakte hat und den Zweck der Spenden transparent
machen kann. Für deutsche Leser ist zudem wichtig zu sehen, welch
hohen Stellenwert Bildung in anderen Ländern genießt, und vor
allem, welche strategische Bedeutung Schulen und Bibliotheken
haben. All das liest sich sehr spannend, weil letztlich alles auf
John Woods Selbsterfahrungstrip nach Nepal zurückzuführen
ist.
Urlaub ist immer noch etwas für Weicheier.
Dieser Trip ist übrigens noch nicht zu Ende, denn das Grundproblem, das John Wood mit vielen anderen Managern teilt, scheint noch nicht behoben. Früher rieb John Wood sich für Microsoft auf. Jetzt reibt er sich damit auf, den Kindern Büchern zu bringen. Ihre Freude ist seine Motivation. Sicher ist das ein besserer Antrieb, als die Welt mit Windows-Software zu beglücken. Aber das restlose Aufgehen in seiner Arbeit scheint John Wood immer noch zu schaffen zu machen: "Eine Frau, die ich kennengelernt hatte, warf mir nach einem Monat völlig entnervt vor, Room to Read sei meine Ehefrau, Geliebte, Kind, mein Hund und meine Karriere - und es sei keineswegs eine angemessene Reaktion, als Antwort darauf heftig zu nicken und zustimmend zu grinsen." Vielleicht hat John Wood noch einige Neustarts vor sich. Aber bei jemandem, der mal bei Microsoft gearbeitet hat, wäre das auch nicht verwunderlich. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, würde Steve Jobs sagen.
Sigmar von Blanckenburg ist freier Mitarbeiter bei changeX.
John Wood:
Von Microsoft in den Himalaya
- Bücher für eine bessere Welt.
Murmann Verlag, Hamburg 2007,
285 Seiten, 19.80 Euro.
ISBN 978-3867740012
www.murmann-verlag.de
© changeX Partnerforum [04.09.2007] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
changeX 04.09.2007. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
Artikeltags
Murmann Publishers
Weitere Artikel dieses Partners
Worauf es in der Klimakrise ankommt - ein Interview mit Claudia Kemfert zum Interview
Wie Unternehmen mit Komplexität besser zurechtkommen zum Interview
Rock Your Idea - das Ideenbuch von Martin Gaedt zur Rezension
Zum Buch
John Wood: Von Microsoft in den Himalaya. Bücher für eine bessere Welt. Murmann Verlag, Hamburg 2007, 285 Seiten, ISBN 978-3867740012
Buch bestellen bei
Osiander
genialokal
Amazon
Autor
Sigmar von BlanckenburgSigmar von Blanckenburg schreibt als freier Autor für changeX.