Doch ein Wandel kündigt sich an, weniger aus besserer Einsicht, sondern weil demotivierte Mitarbeiter zum Wettbewerbsnachteil werden. In Zeiten verschärften Wettbewerbs können es sich Unternehmen schlechterdings nicht mehr leisten, dass Mitarbeiter massenweise Dienst nach Vorschrift schieben oder mitsamt ihrem gesammelten Wissen das Weite suchen. Die Folgekosten der Demotivation - von geringer Produktivität bis hin zum Invest in neue Mitarbeiter - gehen in die Milliarden. Das ist der Grund dafür, dass Anerkennung und Wertschätzung in der Managementliteratur Konjunktur haben.
Einfühlsamer und weniger kritisieren, häufiger anerkennen.
Doch Lob und Anerkennung zu
vermitteln will gelernt sein. Gleiches gilt für das Kritisieren.
Beides führt auf das Feld der Emotionen - und hier erweisen sich
fachlich bestens geschulte Führungskräfte nicht selten als wahre
Tölpel. Ob bewusst oder unbewusst begehen sie "Fehler beim
Kritisieren oder Anerkennen, die das Selbstwertgefühl der
Mitarbeiter negativ berühren und schließlich eine
Verschlechterung des Arbeitsklimas und eine Verminderung der
Arbeitsleistung bewirken", hat der Personal- und
Führungskräftetrainer Hans-Jürgen Kratz festgestellt. Und eine
Anleitung geschrieben, wie man es besser macht. Sein kleines, in
der 30-Minuten-Reihe von GABAL erschienenes Büchlein vermittelt
die praktischen Grundlagen für konstruktives Kritisieren und
Anerkennen. Die Quintessenz: "Psychologisch einfühlsamer und
weniger kritisieren - dafür häufiger anerkennen!"
Schritt für Schritt beschreibt der Autor, wie man Kritik so
vermittelt, dass sie nicht verletzt, sondern dem Mitarbeiter den
Weg zur Verbesserung seines Tuns eröffnet. Und wie man
Anerkennung ausspricht, ohne sich dem Verdacht der Lobhudelei
auszusetzen. Dabei wird deutlich: Letztlich ist alles eine Frage
der Grundhaltung, mit der ein Vorgesetzter seinem Mitarbeiter
gegenübertritt. Ist da eine Wertschätzung der Person und ihrer
Arbeit? Oder anders gesagt: Ist da Vertrauen, nämlich das
Grundvertrauen, dass jemand seine Arbeit macht, oder ist die
Beziehung von Misstrauen geprägt? "Führungskräfte verbringen oft
viel Zeit damit, Mitarbeiter zu erwischen, wenn diese etwas
falsch gemacht haben", hat Kratz beobachtet. Er empfiehlt:
"Ertappen Sie Ihre Mitarbeiter besser dabei, wenn sie gute
Leistungen gezeigt haben."
Streicheleinheiten und Chefgesülze.
Im Umkehrschluss zeichnen die in
den Büchlein versammelten Empfehlungen das Bild einer
Arbeitswelt, die von Kontrollwahn und Misstrauen geprägt ist.
Einer Arbeitswelt, in der Vorgesetzte ihren Mitarbeitern
hinterherschnüffeln und jede Gelegenheit nutzen, diesen mal so
richtig "den Kopf zu waschen". In der missmutige und launische
Führungskräfte ihre Mitarbeiter abkanzeln. In der Kritik nur
destruktiv daherkommt und Mitarbeiter sich des Öfteren wie
begossene Pudel vorkommen. Damit hält der Autor der
Führungskultur den Spiegel vor, macht aber zugleich deutlich,
dass es oftmals Kleinigkeiten sind, auf die es ankommt. Zum
Beispiel: "Sprechen Sie Ihren Mitarbeiter mit seinem Namen an?"
Solche Kleinigkeiten lassen sich ändern, möchte man meinen.
Die Krux dabei ist nur: Als Strategie taugt Anerkennung nur
bedingt. Das weiß auch der Autor. Sind Rückmeldungen nicht
ehrlich gemeint, "werden sie von den Mitarbeitern sogleich als
Zweckmanöver enttarnt", schreibt Kratz. Sprüche wie "Chefgesülze"
oder "Streicheleinheiten" lassen das "ausgeprägte Gespür für den
Manipulationsversuch des Vorgesetzten erkennen". Kurzum:
Anerkennung entfaltet ihre Wirkung nur, wenn sie von Herzen
kommt. In einem Klima von Misstrauen, Gängelung und Kontrolle
gedeiht sie nicht. Sie braucht gegenseitiges Vertrauen und
Kooperation als Nährboden.
Winfried Kretschmer ist leitender Redakteur und Geschäftsführer bei changeX.
Hans-Jürgen Kratz:
30 Minuten für konstruktives Kritisieren und Anerkennen,
GABAL Verlag, Offenbach 2006,
80 Seiten, 6.50 Euro,
ISBN 978-3-89749-659-0
www.gabal-verlag.de
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