Für einen globalen Marshall-Plan.
Radermacher und Beyers weisen schlüssig nach, dass die Menschheit nur dann die negativen Folgen von Materialismus und Kapitalismus in nachhaltige Lebensgrundlagen wandeln kann, wenn die Starken die Schwachen, die Reichen die Armen unterstützen. Dabei hat ihre Forderung nach finanzieller Unterstützung der Entwicklungs- und Schwellenländer nichts mehr mit der gönnerhaften Geste der Entwicklungshilfe gemein. Sie fordern einen globalen Marshall-Plan, der in konzertierter Aktion der Industrieländer die sozialpolitisch unterentwickelten Länder auf einen Stand bringt, der es ihnen erlaubt, an einer weltweiten ökosozialen Marktwirtschaft teilzuhaben. Einen Nutzen davon haben - von dem Mathematiker und Wirtschaftswissenschaftler Radermacher unzweifelhaft dargestellt - vor allem die jetzt schon wohlhabenden Länder. Denn nur wenn die endlichen Ressourcen der Erde effizient und verantwortungsbewusst überall auf diesem Planeten eingesetzt werden, kann sich auch eine reiche Gesellschaft wie in Deutschland in der angestrebten Weise weiterentwickeln.
Nichts ist selbstverständlich.
Im Ton sind Radermacher und Beyers angenehm moderat, und das macht ihre durchaus radikalen Thesen für einen Systemumbau des Kapitalismus zur anregenden Lektüre. Denn da kritisieren keine Radikalinskis die desaströsen sozialen und ökologischen Auswirkungen der Globalisierung, wenngleich ihre strikte Ablehnung des "Marktradikalismus" auch Ultralinken gefallen wird. "Jeder weiß, dass in einer Weltökonomie, die jährlich um vier Prozent wächst, Renditen von 20 Prozent und mehr auf risikolos eingesetzte Finanzmittel nur dann möglich sind, wenn man anderen etwas wegnimmt: eine massive Umschichtung des Realvermögens zugunsten der 'oberen Zehntausend', im Besonderen der 'oberen tausend' Superreichen." Radermacher und Beyers kommen vielmehr aus eben jener gebildeten nutznießenden Mitte, die sich bislang viel zu sehr aus der Gestaltung der Globalisierung heraushält. Sie schweigt, genießt und leidet allenfalls still. Im Gegensatz zu vielen anderen hingegen nehmen Radermacher und Beyers die Aufgabe einer Elite an: Sie übernehmen Verantwortung - und fordern diese Verantwortung auch ein. "Dass wir in Ländern leben, die funktionieren, in sozialen Marktwirtschaften mit ökologischer Orientierung und entwickelter Demokratie, ist übrigens nicht die Folge freier Märkte und unregulierten Wettbewerbs. Es ist das Ergebnis langer historischer und teilweiser brutaler Auseinandersetzungen, aber auch die Folge von verlorenen Kriegen. Das Erreichte ist erkämpft. Nichts ist selbstverständlich, nichts garantiert, vor allem nicht der soziale Ausgleich."
Im Geiste Kants.
Ihr Bewusstsein, ihre ethische Haltung eines werteorientierten Bürgertums muten fast konservativ an, in den sonst schrillen Tönen der hiesigen Globalisierungskritiker. Und das macht ihr Buch so lesenswert. Radermacher und Beyers halten sich gar nicht erst bei der utopischen Forderung nach einer Zerschlagung von Welthandelsorganisation WTO oder Währungsfonds auf, wie man es sonst von den Politaktivisten der globalisierungskritischen Organisationen gewohnt ist. Die Autoren wollen hingegen die organisatorischen Ungetüme der Globalisierung umgestalten und einbinden. Wenn sich WTO, Weltbank und Währungsfonds von ihren Dogmen der Marktradikalität verabschieden und mit der UNO ihre Verantwortung für 6,5 Milliarden Menschen wahrnehmen, könnten sie zu segensreichen Gestaltern der Globalisierung werden. Nur weil diese Idee schon älter ist, muss sie noch lange nicht veraltet sein. Ebenso wenig wie der kategorische Imperativ des alten Kant, in dessen Geiste Radermacher und Beyers denken, schreiben und handeln: "Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne."
Ulrike Fokken ist freie Mitarbeiterin bei changeX.
Franz Josef Radermacher / Bert Beyers:
Welt mit Zukunft.
Überleben im 21. Jahrhundert,
Murmann Verlag, Hamburg 2007,
224 Seiten, 16 Euro,
ISBN 978-3-938017-86-9
www.murmann-verlag.de
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