Anfang vom Ende der Deutschland AG?
Es gelingt Thomas Knipp in seiner spannenden und unterhaltsamen Darstellung, die Veränderungen deutlich zu machen, die Deutschland in den 90er Jahren im Zuge der Globalisierung erlebt hat. Denn hierzulande gab es solche Übernahmeschlachten bis dahin nicht. In der sogenannten "Deutschland AG" schützten sich deutsche Großunternehmen mit einem Netzwerk wechselseitiger Aktienbeteiligungen gegen feindliche Übernahmen. Damit blieben sie von Stimmungsschwankungen an der Börse relativ unbeeinflusst - konnten allerdings von deren Möglichkeiten nur wenig profitieren. Erst gesetzliche Veränderungen haben das geändert. Als die Bundesregierung 1998 die Steuer auf den Verkauf von Unternehmensbeteiligungen abschaffte, erhöhte sich für Unternehmen schlagartig der Anreiz, ihre Beteiligungen an anderen deutschen Unternehmen zu verkaufen. Das verbesserte die Rahmenbedingungen für den freien Kapitalfluss in Deutschland entscheidend. Die Auswirkungen sind bis heute am Höhenflug deutscher Aktien zu erkennen. Bei der Übernahme von Mannesmann durch Vodafone kamen diese Veränderungen zum ersten Mal zum Tragen.
Juristisch fragwürdig.
Der deutschen Politik indessen ist es nicht immer gelungen, diese Veränderungen auch zu erklären. Denn sie scheinen nicht zu der fürsorglichen sozialen Marktwirtschaft des Modells Deutschland zu passen. Dieser Konflikt zwischen Globalisierung und deutscher Binnenpolitik prägte auch die Rolle der Politik im Drama um Mannesmann: Während die Politiker im persönlichen Gespräch mit Vodafone-Managern die Übernahme für sinnvoll bezeichneten, äußerten sie in der Öffentlichkeit aber immer wieder ihre "Besorgnis". Als sich der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder, der durch generöse und meist erfolglose Rettungsaktionen für marode deutsche Unternehmen aufgefallen war, sich auch in den Fall Mannesmann einmischen wollte, bat Klaus Esser allerdings darum, dass sich die Politik aus dieser Sache heraushalten möge. Mit Erfolg: "Der Deal" lief weitgehend unbehelligt von der deutschen Politik ab. Erst im Nachhinein wurde der Mannesmann-Prozess von Politik und Öffentlichkeit zur Abrechnung mit dem bösen Kapitalismus instrumentalisiert - mit fragwürdigen Methoden, wie Thomas Knipp darlegt: "Wenn eine Staatsanwaltschaft nicht mit gleichem Aufwand nach be- wie entlastenden Aspekten forscht, wenn Ermittlungen unter immer neuen Prämissen und mit zum Teil haarsträubenden Fakten- und Täterkonstruktionen jahrelang ausgedehnt werden, dann stellt sich die Frage nach der Fairness des Verfahrens."
You are going to loose this.
Knipps Recherchen zufolge kann man Klaus Esser keine "Käuflichkeit" vorwerfen, wie das die Staatsanwaltschaft Düsseldorf getan hatte. Essers Verhalten zeichnete sich vielmehr durch bemerkenswerte Loyalität zu den Aktionären und zum Unternehmen aus. So schlug Esser zum Beispiel das - zähneknirschend unterbreitete - Angebot von Chris Gent aus, an seiner Stelle die Führung des fusionierten Unternehmens zu übernehmen, was die Übernahme wesentlich erleichtert hätte, weil sich Vodafone nicht gegen den Widerstand des Mannesmann-Managements hätte durchsetzen müssen. Für Knipp gibt es an Esser nichts zu kritisieren. Auch die Abfindungen für die Mannesmann-Manager, um die es im Mannesmann-Prozess ging und auf die sich die Kritik in der Öffentlichkeit bezog, erscheinen als Mittel, um die Integration des Mannesmann-Konzerns in das neue Unternehmen zu erleichtern. Knipps Recherchen vermitteln zudem den Eindruck, dass Esser das bessere und tragfähigere Konzept für Mannesmann hatte - was er seinen Widersacher noch spüren ließ, als seine Niederlage bereits besiegelt war: "Ich hoffe", sagte Esser an Gent gewandt, "dass Sie - was immer Sie tun - keine Werte Ihrer Aktionäre zerstören." Chris Gent hingegen konnte den Mannesmann-Aktionären seine Vision offenbar besser vermitteln und saß deshalb am Ende am längeren Hebel. Selbst als Gent die ungeschminkte Wahrheit sagen konnte - "Klaus, you are going to loose this. Be realistic" -, verlor Esser nicht seine Contenance, sondern trug scheinbar ungerührt seine Kalkulationen vor, um so noch mehr für seine Aktionäre herauszuholen.
Nachholbedarf in Deutschland.
Thomas Knipp zufolge überwogen am
Ende die guten Seiten der Übernahme: Die deutschen
Privataktionäre, die Mannesmann-Aktien hielten, verdienten an dem
Deal stattliche 13,3 Milliarden Euro - ökonomisch gesehen "ein
kleines Konjunkturprogramm", so der Autor. Auch wenn für die
Mitarbeiter von Mannesmann das Ende des Traditionskonzerns "ein
schwerer Schlag" war, behielten sie in der Mehrzahl doch ihre
Arbeitsplätze. Unter dem Strich soll die Übernahme sogar mehr
Jobs gebracht haben.
Vielleicht können diese Erkenntnisse deutschen Lesern ein
wenig Vorurteile und Ängste gegenüber dem angelsächsischen
Kapitalismus nehmen. Sicher kann das kurzfristige Denken von
Aktionären auch dazu führen, dass Unternehmen aus reiner
Profitgier zerschlagen und verscherbelt werden, sodass am Ende
die Arbeitnehmer die Verlierer sind. Vielfach bewirken
Unternehmensübernahmen durch finanzkräftige Konkurrenten oder
Investoren aber auch Gutes. Vodafone ist kein schlechtes Beispiel
dafür. Insofern ist
Der Deal ein wichtiges Buch, denn Deutschland hat hier
nach Jahren der Unwissenheit und Panikmache - siehe die
Heuschrecken-Debatte - Nachholbedarf.
Sigmar von Blanckenburg ist freier Mitarbeiter bei changeX.
Thomas Knipp:
Der Deal.
Die Geschichte der größten Übernahme aller Zeiten,
Murmann Verlag, Hamburg 2007,
244 Seiten, 22.50 Euro,
ISBN 978-3-938017-88-3
www.murmann-verlag.de
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Thomas Knipp: Der Deal. . Die Geschichte der größten Übernahme aller Zeiten. . Murmann Verlag, Hamburg 1900, 244 Seiten, ISBN 978-3-938017-88-3
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Sigmar von BlanckenburgSigmar von Blanckenburg schreibt als freier Autor für changeX.