Heute ist Wozniak 54 Jahre alt. Seit Jahren fließt ein breiter Strom von Geld auf sein Konto. Der Börse sei Dank. Doch das scheint ihn weniger zu interessieren, als man annehmen könnte. Heute wie damals ist es die Sache, dieses Konglomerat aus Nullen und Einsen, und dieses Gefühl, etwas bewirken, verändern, weiterbringen zu können, was ihn fasziniert. Mit Apple hat der Ingenieur längst nichts mehr zu tun. Oder besser: Er ist dort nichts Besonderes mehr, ein Angestellter von vielen, unterste Gehaltsstufe. Formal zumindest, denn tatsächlich ist er längst eigene Wege gegangen. Hat gekündigt in seinem eigenen Unternehmen, um ein neues Projekt aufzuziehen, eine Fernbedienung zu entwickeln, die als zentrale Fernsteuerung für die gesamte Unterhaltungselektronik eines Haushalts dienen sollte. Hat sich noch mal um 180 Grad gedreht, um Zeit für etwas zu haben, das lange nebenhergelaufen war: seine Kinder. Und hat sich entschieden, auch beruflich den Spieß umzudrehen: Er wurde Lehrer und gibt sein Wissen an Kinder weiter.
Was kannst du tun, um die Welt zu verändern?
Steve Wozniak ist keine
Berühmtheit. Sicher, nach ihm wurde eine Straße benannt, er ist
Stifter und Spender für Dutzende von Förderprojekten. Und wer
sich mit der digitalen Welt auskennt, kennt seinen Namen. Aber
wer weiß schon, dass dieser Mann den Apple-Computer erfunden hat?
Ganz allein. Im Schatten seines allgegenwärtigen,
charismatisch-cholerischen Kompagnons Steve Jobs blieb für
Wozniak vor allem ein Haufen Gerüchte. Er habe das College
abgebrochen. Sei von der University of Colorado geflogen. Habe
mit Steve Jobs die Schulbank gedrückt und mit ihm die ersten
Computer gebaut. Habe Apple verlassen, weil er verärgert gewesen
sei. Nichts davon stimmt, sagt Wozniak. Und das macht ihn heute
noch wütend. Deshalb hat er seine Memoiren geschrieben: "Heute
... ist es an der Zeit, einiges klarzustellen. Vieles, was über
mich erzählt wird, ist falsch. Deshalb begann ich Bücher über
Apple und über die Entwicklung des Unternehmens aus tiefstem
Herzen zu hassen. Das, was mich unglaublich stört, ist die
Tatsache, dass nicht einer den Verlauf der Ereignisse richtig
darstellt ... Deshalb hoffe ich, dass dieses Buch endlich alle
Missverständnisse aus dem Weg räumen wird." Vor allem jenes vom
Erfinderduo, das gemeinsam die ersten Personal Computer
konstruierte - "auch das stimmt nicht, ich habe sie allein
gebaut", beharrt Wozniak.
Doch gibt es neben diesen Richtigstellungen eine zweite
Triebfeder, die ihn motiviert hat, seine Lebensgeschichte zu
Papier zu bringen: Er möchte, dass Kinder aus seinen Fehlern,
aber auch von seinen Erfolgen lernen. Dass sie sich nicht von
blöden Typen runterziehen lassen, die sagen: "Eure Idee passt
nicht in unser Konzept." Wozniak möchte ermutigen. "Bei meinem
Rat geht es darum, was du machen kannst, wenn du das Gefühl hast,
dass du voller Ideen bist und den Wunsch hast, sie zu
verwirklichen. Doch du bist jung. Du hast kein Geld. Alles was du
hast, sind diese Vorstellungen in deinem Hirn. Und du hältst sie
für ziemlich gut. ... Doch es ist ein großer Unterschied, sich
bloß Gedanken über das Erfinden zu machen, oder es tatsächlich zu
tun. Wie packst du es also an? Was kannst du tun, um die Welt zu
verändern?"
Lieber lachen als die Dinge kontrollieren.
Wenn Steve Wozniak von seinen
eigenen Erfahrungen auf diesem Weg erzählt, geht er überraschend
tief ins Detail. Wie er den vier Jahre älteren Steve Jobs am
College kennen lernte und ihm über die gemeinsame Leidenschaft
für Bob Dylan näher kam. Wie er das Computerspiel
Breakout erfand und sich nächtens mit einem Spiel namens
Gran Trak 10 wach hielt, bis Jobs die Schaltkreise nach
seinen Entwürfen zusammengebastelt hatte. Wie er am Sonntag, dem
29. Juni 1975 einen historischen Augenblick erlebt: Er ist der
erste Mensch, der "ein Zeichen auf einer Tastatur getippt hatte
und dann sah, wie es direkt vor ihm auf dem Bildschirm erschien".
Manchmal schießt Wozniak übers Ziel hinaus, wenn er bis in die
letzte Einzelheit seine Kindheit, sein Verhältnis zu seinem
Vater, dem großen Vorbild, schildert oder von beinahe jeder
Minute in seinen Erfindungsprozessen erzählt. Dann scheint durch
die ehrlichen Zeilen des Buches die Unzufriedenheit eines
bescheidenen Mannes in der zweiten Reihe zu schimmern. Eines
Mannes, der zwar nie etwas anderes als die zweite Reihe gesucht
hat, aber dennoch unter der mangelnden Anerkennung leidet. Ob bei
Hewlett-Packard, wo er jahrelang arbeitete, oder später bei
Apple, das alle Welt mit dem Namen Steve Jobs verbindet, der
Wozniak immer mal wieder über den Tisch zog.
Noch heute ist sein Verhältnis zu seinem Ex-Kompagnon
ambivalent: "Steve und ich waren für eine sehr, sehr lange Zeit
die besten Freunde. Wir hatten eine Weile die gleichen Ziele, die
wunderbar zusammenpassten, als wir Apple aufbauten. Aber wir
waren immer unterschiedliche Persönlichkeiten, schon von Anfang
an. Wissen Sie, ... als ich an dem Projekt arbeitete, das sich
später zur Platine des Apple I entwickeln sollte, spukte in
meinem Kopf eine Phantasie herum, von zwei Männern, die am
gleichen Tag sterben. Einer ist wirklich erfolgreich und
verbringt seine Zeit damit, Unternehmen zu leiten ... und darauf
zu achten, dass sie profitabel sind ... Und der andere hängt
einfach nur herum, hat kaum Geld, erzählt liebend gern Witze und
kümmert sich um technische Spielereien ... und er verbringt sein
Leben einfach mit Lachen. Meiner Meinung nach führt der Typ, der
lieber lacht, anstatt die Dinge zu kontrollieren, das
glücklichere Leben." Dieser Typ, sagt Wozniak, heißt Steve
Wozniak.
Anja Dilk ist Redakteurin bei changeX.
Steve Wozniak:
iWoz.
Wie ich den Personal Computer erfand
und Apple mitgründete,
Carl Hanser Verlag, München / Wien 2006,
321 Seiten, 19.90 Euro,
ISBN 3-446-40406-6
www.hanser.de
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Steve Wozniak: iWoz. . Wie ich den Personal Computer erfand und Apple mitgründete. . Carl Hanser Verlag, München 1900, 321 Seiten, ISBN 3-446-40406-6
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Autorin
Anja DilkAnja Dilk ist Berliner Korrespondentin, Autorin und Redakteurin bei changeX.