Chinindia kommt
Tanz der Riesen. Indien und China prägen die Welt - das neue Buch von Karl Pilny.
Von Winfried Kretschmer
Asiens Riesenreiche verändern die Welt. Zuerst China, jetzt Indien. Ein Drittel der Weltbevölkerung lebt in den beiden Ländern, die sich zu globalen Schwergewichten mausern. Und sich mehr und mehr als Partner verstehen. Chinindia macht sich daran, das Epizentrum der Welt nach Asien zu verschieben.
Asien verändert die Welt. Gestaltet die globale Ordnung um. Verschiebt die Weltgewichte. Asien ist ein Thema. Deutlich abzulesen ist dies an den Konjunkturen auf dem Buchmarkt. Nach der China-Welle läuft soeben der Indien-Hype, zusätzlich stimuliert durch die Tatsache, dass Indien Gastland auf der unlängst zu Ende gegangenen Buchmesse war. Bücher zu den beiden Riesenreichen gibt es mittlerweile zuhauf. Aber nur wenige wagen den Blick über die weit gespannten nationalen Grenzen der beiden Riesenreiche, bringen zusammen, was zusammengehört. Das ist ein deutlicher Mangel, denn vermutlich lässt sich nur zusammen begreifen, was nebeneinander wächst: Indien und China.
Karl Pilny, Autor von Das asiatische Jahrhundert widmet sich in seinem neuen Buch einer Zusammenschau der beiden prägenden asiatischen Länder, die längst zu globalen Schwergewichten geworden sind. "In Indien und China lebt bereits heute ein Drittel der Weltbevölkerung", ruft der Autor in Erinnerung. "Mit 1,3 Milliarden Einwohnern in China und knapp 1,1 Milliarden Menschen in Indien sind es die beiden bevölkerungsreichsten Staaten der Erde, die mit der Gebirgskette des Himalaja eine gemeinsame Grenze haben." Dieser Grenze - genauer: den dort stattfindenden Grenzstreitigkeiten - ist es vermutlich geschuldet, dass die beiden Länder bislang mehr als zwei verfeindete Nachbarn denn als potentielle Bündnispartner betrachtet worden sind.

Wenn die beiden Riesen zusammen tanzen, wird dies die Welt erschüttern.


Doch die Verhältnisse haben sich geändert. Seit die beiden Ministerpräsidenten Manmohan Singh und Wen Jiabao mit ihren wechselseitigen Besuchen in der Hauptstadt des Nachbarlandes im Frühjahr 2005 eine historische Wende in den Beziehungen zwischen beiden Ländern eingeleitet haben, stehen die Weichen auf Zusammenarbeit. Ein gemeinsames Verständnis der globalen Rolle beider Länder zeichnet sich ab. "Indien und China betrachten sich nun eher als Partner, die eine wichtige Rolle beim Aufbau einer neuen internationalen politischen und wirtschaftlichen Ordnung spielen wollen", schreibt Karl Pilny. Und erste Synergien stellen sich bereits ein: China ist inzwischen zum größten Hersteller von Computern aufgestiegen, Indien zum wichtigsten Softwareproduzenten. China ist die Werkstatt der Welt, Indien ihr Callcenter. Und die Zusammenarbeit zwischen beiden floriert. Das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern ist in den letzten fünf Jahren bereits auf 18 Milliarden US-Dollar angewachsen und soll sich bis 2010 nochmals verdoppeln. Eine neue Achse zeichnet sich ab - mit weit reichenden Folgen. "Wenn die beiden Riesen zusammen tanzen, wird dies die Welt, so, wie wir sie kennen, erschüttern."

Und Europa?


Verstehen ist nur aus dem Wissen heraus möglich. Und deshalb ist eine umfassende Analyse der beiden Giganten notwendig, so Pilny, "wenn man das 21., das asiatische Jahrhundert, ein Zeitalter im Zeichen von Multipolarität und Multilateralismus verstehen will". Der Autor wählt deshalb einen breiten Ansatz und kombiniert Wissen aus unterschiedlichen Disziplinen und Lebensbereichen zu einem faktenreichen Porträt der beiden Länder. Es geht ihm um Parallelen und Zusammenhänge, um ein umfassendes und fundiertes Verständnis dessen, was sich im Fernen Osten abspielt. Die entscheidende Frage ist die nach den weltpolitischen Konsequenzen der neuen sino-indischen Kooperation. Es scheint etwas verwegen, die beiden Länder sprachlich zu verschmelzen und von dem "Aufbruch Chinindias in einer multipolaren Welt" zu sprechen. Doch dass die beiden Länder das Potential haben, die weltpolitischen und weltwirtschaftlichen Gewichte neu zu justieren, liegt auf der Hand: "Im 21. Jahrhundert wird eine Verschiebung des wirtschaftlichen, kulturellen und militärischen globalen Epizentrums nach Asien erfolgen."
Das ist eine Herausforderung für die USA als der einzigen verbliebenen Weltmacht, aber auch für Europa. "Noch hat Europa eine Chance, zumindest die Dauer seines Auftritts im Zentrum der Weltbühne zu verlängern", mahnt Karl Pilny. Die aber hat es nur, wenn es sich mit einem überragenden Leistungswillen dem globalen Wettbewerb stellt.

Karl Pilny:
Tanz der Riesen.
Indien und China prägen die Welt,

Campus Verlag, Frankfurt am Main 2006,
372 Seiten, 24.90 Euro,
ISBN 3-593-38098-6
www.campus.de

Winfried Kretschmer ist leitender Redakteur und Co-Geschäftsführer bei changeX.

© changeX Partnerforum [17.10.2006] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.


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: Tanz der Riesen. . Indien und China prägen die Welt. . Campus Verlag, Frankfurt am Main 1900, 372 Seiten, ISBN 3-593-38098-6

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Winfried Kretschmer ist Autor, Redakteur & Macher bei changeX.

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