Gegen Heuschrecken und Vampire.
Das hängt mit seinem besonderen
Blickwinkeln zusammen, unter dem er die Familienunternehmen
betrachtet - man könnte auch sagen, einem Missverständnis, dem er
aufsitzt. Wenn manche Ökonomen Familienunternehmen gegenüber dem
Shareholder-Modell im Vorteil sehen, dann meinen sie nicht, dass
diese die "besseren" Unternehmen seien. Sondern sie zielen auf
einen strukturellen Vorteil, der sich aus deren langfristiger
Orientierung und ihrer Priorität für den Erhalt des Unternehmens
ergibt - gerade auch mit Blick auf die Renditeziele.
Viehöver hingegen zwingt dieses Argument in den
Schraubstock der Kapitalismusdebatte: hier die guten, dort die
schlechten Unternehmen. Die schlechten, das sind
Aktiengesellschaften, deren Vorstände bereitwillig "dem Druck
hemmungsloser Börsenspieler" nachgeben, vor allem "den
unersättlichen Spekulanten und Hedgefonds". Die Guten, das sind
die traditionellen Familienunternehmen, die mit Ausdauer,
Einigkeit und Verantwortungsbewusstsein ein "dauerhaft wirksames
Rezept gegen lästige Heuschrecken und Vampire" bilden, die
"anonyme Gesellschaften überfallen und am Ende nur Leere
zurücklassen". Dass gerade angelsächsische Finanzinvestoren
mittelständischen Unternehmen in Deutschland helfen, den
Fortbestand ihrer Firma zu sichern, passt nicht in dieses
Bild.
Mitarbeiter als erweiterte Familie.
Viehöver malt schwarz-weiß, und das
sollte man wissen, wenn man sich auf sein ansonsten faktenreiches
und gut recherchiertes Buch einlässt.
Die EinflussReichen, das sind zwölf starke Dynastien,
"alle Multimilliardäre, die stark in ihrer Tradition verhaftet
sind". Das Buch stellt diese "großen Unbekannten der deutschen
Oberliga" vor: Merckle, Böhringer, Beisheim, Haniel, Freudenberg,
B. Braun, Mohn und Henkel sowie Haub, Sal. Oppenheim, Röchling
und Otto, alles milliardenschwere Konzerne, die vielen
börsennotierten Unternehmen sowohl in Größe, Umsatz und
Mitarbeiterzahl als auch in ihrer Weltmarktorientierung durchaus
das Wasser reichen können. Aber in der Öffentlichkeit kaum
wahrgenommen werden, teils, weil sie das nicht wollen, teils,
weil in der Wirtschaftsberichterstattung die großen
Aktiengesellschaften im Vordergrund stehen. "Deutschlands
unbekannte Schatten-Reiche sind in Wirklichkeit ein gewaltiger
Machtfaktor. Sie setzen in der Summe Billionen um und geben
Millionen Menschen Arbeit", schreibt Viehöver.
Sein Blick hinter die Kulissen ist aufschlussreich. Er
zeigt das Binnenleben der Unternehmen, die allesamt bereits auf
eine längere Geschichte zurückblicken. Weil dies zugleich
Familien- und Unternehmensgeschichte ist, hat Tradition für die
Inhaber eine besondere Bedeutung. Zugleich achten sie auf den
langfristigen Fortbestand des Unternehmens, das zum
Familienbesitz zählt und ebenso gepflegt wie das Tafelsilber an
die nächste Generation weitergegeben werden soll. Beinahe alle
porträtierten Familienunternehmen wurzeln in einem soliden
Wertefundament, legen Wert auf eine intakte Firmenkultur und
achten auf die Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter. Denn die "sind
die erweiterte Familie", wie Philipp Merckle, Juniorchef des
gleichnamigen Mischkonzerns, der vor allem durch die Marke
Ratiopharm bekannt geworden ist, seinen Großvater zitiert.
Kapitalrendite statt sozialer Fürsorge.
Doch gerade die gewachsene Kultur und die betonte Mitarbeiterorientierung sind, wie Viehöver zeigt, in etlichen Unternehmen unter Druck geraten. Auch sie zwingt die verschärfte Marktkonkurrenz zu schmerzhaften Einschnitten. Einschnitte, die der Autor freilich nicht als Anpassung an veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen interpretiert, sondern als Eingriff in gewachsene Besitzstände und als Ausdruck wachsender Profitorientierung der Unternehmen. Soziale Fürsorge habe ausgedient, es regieren Kapitalrendite, Markteroberung und Globalisierung, kritisiert Viehöver. Doch dass auch in Familienunternehmen nicht Milch und Honig fließen, will er nicht wahrhaben.
Ulrich Viehöver:
Die EinflussReichen. Henkel, Otto & Co. -
Wer in Deutschland Geld und Macht hat,
Campus Verlag, Frankfurt am Main 2006,
323 Seiten, 24.90 Euro,
ISBN 3-593-37667-9
www.campus.de
Winfried Kretschmer, Journalist und Autor, arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.
© changeX [29.06.2006] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Zum Buch
Ulrich Viehöver: Die EinflussReichen. . Wer in Deutschland Geld und Macht hat. . Campus Verlag, Frankfurt am Main 1900, 323 Seiten, ISBN 3-593-37667-9
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Winfried KretschmerWinfried Kretschmer ist Autor, Redakteur & Macher bei changeX.