Redliche Menschen versuchen hingegen immer, von der Sache selbst zu sprechen. Sie halten sich an die drei Grundregeln der Redlichkeit aus der Antike.
Regel 1: Verwechsle nie Wahrheit mit Gewissheit. Sagt Sokrates. Gewissheit ist nie objektiv. Wahrheit ist objektiv. Deshalb ist es so wichtig, nicht in die Wahrheitsfalle zu tappen. Was wir aber fortgesetzt tun. Wenn eine Sache offenbar so gewiss ist, dass man nicht mehr daran zweifeln kann, halten die meisten Leute sie für wahr, obwohl sie genau wissen, dass sie bei genauerem Hinsehen nicht wahr sein kann. Der Fehler ist, sie halten Zweifelsfreiheit für Irrtumsfreiheit.
Die Autoren glauben deswegen: "Man sollte nie auf die Idee kommen, seine Gewissheiten für wahr zu halten. Wer nicht zwischen Wahrheit und Gewissheit zu unterscheiden vermag, ist nach Sokrates entweder dumm, intolerant oder wahnsinnig. Und genau das weiß der redliche Mensch. Seine Erkenntnisse sind nicht wahr, sie sind gewiss. Er mag zwar an seinen Ansichten nicht zweifeln, ist sich jedoch immer bewusst, dass er sich trotz aller Zweifelsfreiheit auch irren kann."
Regel 2: Der redliche Mensch kann sagen, worüber er spricht. Sagt Aristoteles. Das bedeutet, der redliche Mensch redet nicht nur von den Gefühlen, die er hat, wenn er an eine Sache denkt, sondern er redet von der Sache selbst. Er kann das Wesen der Sache angeben. Der redliche Mensch kann sagen, was Gerechtigkeit ist, er hat nicht nur eine Empfindung von Gerechtigkeit, er kann sagen, was unternehmerische Freiheit ist, er hat nicht nur eine Meinung dazu, er kann sagen, was Freiheit ist, er fühlt sie nicht nur.
Regel 3: Niemand lügt ohne Grund. Sagt wiederum Aristoteles. Nicht wenige Menschen neigen dazu, einen Sachverhalt im Sinne des eigenen Sachverhalts zu interpretieren. Doch merke: Nur dann, wenn ich dieselbe Information über zwei Quellen mit unterschiedlichen Interessenslagen bekommen habe, darf ich redlich annehmen, dass der Sachverhalt auch so ist, wie er berichtet wurde. Stehen in der FAZ und in der taz die gleichen Informationen über die Bundeskanzlerin, dann kann ich sie glauben, sonst nicht. Denn jede Erkenntnis ist interessengeleitet oder tendenziös. "Man sollte genau so wenig dem Kommentar eines Autoverkäufers glauben, der einem bei der Farbwahl des nächsten Wagens für seinen guten Geschmack beglückwünscht. Das entspricht nur seinem Interesse."
Hinreißend analytisch.
Dieses Buch hat einen großen
Vorteil: Es ist hinreißend analytisch. Es seziert messerscharf
die Logik von unredlichen Handlungs- und Kommunikationsmustern
und entlarvt die Unredlichkeit des Denkens und Tuns (auch die der
Gutmenschen). Vom Verlauf ist es vergleichbar mit Bauklötzchen
spielen. Erst wird alles eingerissen und begutachtet. Dann wird
es wieder aufgebaut. Am Ende steht ein neues Gedankengebäude. Ein
gutes Beispiel für diese Dekonstruktion und Erneuerung sind die
individuellen Tugenden als Basis für eine neue Redlichkeit. Auf
acht Eckpfeilern fußt das neue Gebäude.
Aufrichtigkeit: Ich sage, was ich meine. Verlässlichkeit:
Ich erhöhe das Vertrauen. Tapferkeit: Nie ein sinnvolles Ziel aus
den Augen verlieren. Zivilcourage: Eigene Werte auch gegen eine
vorherrschende Meinung vertreten. Epikie (Billigung, Nachsicht):
Nicht buchstabengetreu, sondern nach dem Sinn einer Verordnung
handeln. Kritische Gerechtigkeit: Selbstverständlichkeiten in
Frage stellen. Besonnenheit: Nicht impulsiv sein. Realitätsnah
urteilen: Den Blick für das Wesentliche schärfen.
Wer das liest, weiß, was in Sachen Unternehmenskultur und
Mitarbeiterführung in deutschen Landen noch alles zu leisten ist.
Deshalb erwirdert Posé völlig zu Recht: "Unternehmen sollten sich
deshalb fragen, unter welchen Bedingungen Redlichkeit installiert
werden kann. Die Voraussetzungen könnten dreierlei sein: Im
Unternehmen entstehen erstens Freiheitsräume, in denen
systemische Zwänge nicht wirksam werden. Gegenseitige Schnüffelei
und Agententum sind zweitens verpönt. Die Führungskräfteauswahl
geschieht drittens nach Fähigkeiten, welche die Bedingungen eins
und zwei sicher stellen (nicht behindern)."
Es bleibt viel zu tun, lesen wir zunächst einfach dieses
Buch!
Peter Felixberger ist Geschäftsführer von changeX.
Rupert Lay, Ulf D. Posé:
Die neue Redlichkeit. Werte für unsere Zukunft.
Campus Verlag,
Frankfurt/New York 2006,
254 Seiten, 24.90 Euro,
ISBN 3-593-37924-4
www.campus.de
© changeX Partnerforum [12.05.2006] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Zum Buch
Rupert Lay, Ulf D. Posé: Die neue Redlichkeit. . Werte für unsere Zukunft. . Campus Verlag, Frankfurt 1900, 254 Seiten, ISBN 3-593-37924-4
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Autor
Peter FelixbergerPeter Felixberger ist Publizist, Buchautor und Medienentwickler.