Adi gegen Rudolf
Drei Streifen gegen Puma - das neue Buch von Barbara
Smit.
Von Nina Hesse
Die Biografie der Dassler-Brüder und
ihrer Sportimperien ist ein packendes Buch - voll von menschlichen
Dramen, Anekdoten über berühmte Sportler und Lehren für Manager,
wie man eine Firma an die Spitze bringt und worauf man sich danach
nicht unbedingt ausruhen sollte. Eins ist sicher: Nach der Lektüre
denkt man beim frommen Spruch "Alle Menschen werden Brüder" nicht
mehr an Friede, Freude, Eierkuchen, sondern an einen Krieg an allen
Fronten.
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Eine holländische Autorin, die in Frankreich lebt, zu
deutschen Sportunternehmen recherchiert und ihr Manuskript auf
Englisch vorlegt - kann das gut gehen? Es kann. Smit ist ein
lebendig erzähltes und hervorragend recherchiertes Buch über die
Menschen hinter adidas und PUMA gelungen. Ein Drehbuchschreiber
hätte sie sich nicht besser ausdenken können, diese Geschichte
zweier verfeindeter Brüder, die es beide schaffen, in der gleichen
Branche ein großes Unternehmen aufzubauen, und sich sodann einen
erbitterten Kampf um die Weltmarktführerschaft liefern. Da beide
sich in Herzogenaurach ansiedeln, spaltet ihr Streit förmlich die
Stadt. "Der Ort wurde als die Stadt des gesenkten Blicks' bekannt,
denn die Leute achteten genau darauf, welche Schuhe der andere
trug, bevor sie ein Gespräch anfingen", beschreibt Smit die fast
schon surreale Situation. An vielen Stellen liest sich ihr Buch
fast wie ein Krimi, denn die beiden Familien Dassler gaben nicht
nur Unsummen für ihre absurden Rechtsstreitigkeiten aus, sondern
bekriegten sich mit einfallsreichen Intrigen. Wer die Sympathien
des Lesers gewinnt, ist schnell klar: Adi, der Tüftler, der adidas
aufbaute, kommt deutlich besser weg als PUMA-Gründer Rudolf, der
vielen Zeitgenossen als jähzornig und arrogant in Erinnerung
geblieben ist.
Menschliche Dramen.
Wie bei den anderen
Familienclan-Biografien von Campus umspannt auch
Drei Streifen gegen Puma mehrere Generationen - untypisch
ist, dass sich im Gegensatz zu anderen Dynastien wie den Thyssens
oder Krupps der Sohn als ebenso tüchtig erwies wie der Vater. Horst
Dassler wurde mit 20 Jahren buchstäblich ins kalte Wasser geworfen,
nämlich zur Olympiade in Melbourne geschickt, um dort adidas zu
vertreten. Der Grund: Er sprach als Einziger genug Englisch. Zum
Glück erwies er sich in Australien als tatkräftig und geschickt;
sein Trick, den Sportlern kostenlos Schuhe anzubieten, sorgte für
massenhaft Medaillen in adidas-Tretern und jeder Menge neuer
Stammkunden. Später baute er mit unermüdlicher Energie adidas
France auf, bis es schließlich doch noch zum Streit mit seinem
Vater kam, dem der ungestüme Expansionsdrang des Juniors unheimlich
wurde. Bei PUMA kämpfte der älteste Sohn Armin um seinen Platz im
Unternehmen, zog aber nach endlosen Reibereien mit dem jähzornigen
Vater einen Schlussstrich und verließ die Heimatstadt (bis der
Vater ihn später bat, zurückzukommen).
Sportgeschichte.
Sportfans dürften in dem Buch voll auf
ihre Kosten kommen, man erfährt einiges darüber, was hinter den
Kulissen ablief im Leistungssport von den 30er Jahren bis heute -
denn Adi, Rudolf und ihre Nachkommen lieferten Maßanfertigungen für
viele berühmte Sportler, versuchten, viele Olympiasieger für sich
zu gewinnen, und kannten natürlich alle persönlich. Eins der
Highlights: Adi Dassler war mit Sepp Herberger befreundet und
mischte beim "Wunder von Bern" mit; Rudolf hatte es sich dagegen
mit einer arroganten Bemerkung mit Herberger verdorben. Aber auch
berühmten Leichtathleten und anderen Olympioniken begegnet man in
Drei Streifen gegen Puma; die Anekdoten über ihre
Zusammenarbeit mit den beiden Sportfirmen zeigen die Sport-Stars
aus ungewohnter Perspektive.
Doch was ganz unschuldig mit ein paar geschenkten Schuhen
begann, entwickelte sich einige Jahre später unter Adis ehrgeizigem
Sohn Horst zum Problem. Inzwischen bezogen Profisportler - und
nicht nur sie - von Ausrüstungsunternehmen satte Provisionen. "Der
gekaufte Sport", titelte der
SPIEGEL schließlich, als die finanziellen Verflechtungen von
Marketing, Spitzensport und Sportverbänden in den 80er-Jahren zu
dreist wurden. Smit kann sich erklären, warum Horst sich auf solche
zwielichtigen Geschäfte einließ: "Horsts Leben war von
Täuschungsmanövern geprägt, weil er sich wegen der grundlegenden
Meinungsverschiedenheiten mit seinen Eltern gezwungen sah, einen
Großteil seiner Geschäfte vor ihnen zu verheimlichen."
Niedergang - und Comeback.
Ein Lehrstück für Manager wird Smits
Buch im letzten Drittel. Arroganz, verstaubte Firmenkulturen und
eine Abneigung gegen den Wandel brachten sowohl adidas als auch
PUMA an den Rand des Abgrunds. Horst Dassler gebärdete sich
inzwischen als "Imperator", die Familien-Marotten schadeten dem
Unternehmen zunehmend. Weder er noch das Management von PUMA
schafften es, die Firmenstrategie an die moderne Zeit anzupassen.
"Jogging ist kein Sport", höhnten sie angesichts des Fitnessbooms
und sahen tatenlos zu, wie Nike und Reebok sie überflügelten. Im
Gegensatz zu den deutschen Herstellern ließen die amerikanischen
Konkurrenten die Gummisohle ihrer Schuhe mit einer Art Waffeleisen
formen, das war billig und ließ sich in großen Stückzahlen
problemlos in Asien machen. Solche Schuhe verkauften sich nicht nur
wie warme Semmeln, sie wurden - und sind bis heute - Teil der
amerikanischen Freizeitkleidung.
Die Dassler-Imperien bekamen derweil die Quittung für ihre
starre Haltung. Beide, PUMA und adidas, mussten verkauft werden,
und es ist fast ein Wunder, dass sie schließlich doch mit klugen
Marketingtricks, Werbekampagnen und trendigen Retro-Produkten die
Kurve kriegten und heute nicht schlecht dastehen. Obwohl einige der
damaligen Investoren später Zellennachbarn im Knast wurden. Das
erzählt Smit in ihrem vergnüglichen Nachwort, in dem sie
nachzeichnet, was aus den Akteuren des Buches später wurde.
Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.
Barbara Smit:
Drei Streifen gegen Puma.
Zwei verfeindete Brüder und der Kampf
um die Weltmarktführerschaft,
Campus Verlag, Frankfurt / New York 2005,
370 Seiten, 24.90 Euro,
ISBN 3-593-37691-1
www.campus.de
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