Fitness-Camp für den Kopf
Trotzdem lernen und Trotzdem lehren - die neuen Bücher von Vera F. Birkenbihl.
Von Nina Hesse
Rundumschlag der bekannten Managementtrainerin: Ihre gehirngerechten Lernprinzipien hat sie jetzt in einem Bücher-Duo für zwei verschiedene Zielgruppen zusammengefasst. Das eine ist für Lernende vorgesehen, das andere (inhaltlich sehr ähnliche) für Lehrende - Letztere kriegen außerdem noch eine Standpauke und ein paar hilfreiche Tipps, wie man Schüler begeistert und sich den Alltag in der Schule leichter macht.
Menschen lernen häufig beiläufig und unbewusst. Zum Beispiel, wenn sie ein neues Einkaufszentrum erforschen - nach wenigen Besuchen wissen sie, wo das Duschgel und die Nudeln zu finden sind, was dort besonders günstig zu haben ist, wie die Qualität der Käsetheke ist und wo man seine Absätze reparieren lassen kann. Das empfindet man nicht als Lernen. Ist es aber. Nur, dass es im Gegensatz zum schulischen Lernen nicht unangenehm ist, sondern ganz natürlich.
Birkenbihl stellt in ihren neuen Büchern eine Menge erprobter Techniken vor, die dieses Phänomen nutzen und das Lernen beiläufig ("incidental", wie sie gerne sagt) machen. Im Idealfall sogar spielerisch. Fast ohne Mühe eignet man sich neues Wissen an, verknüpft und aktiviert bereits gelerntes. Das macht, wie man bei Birkenbihls Übungen schnell feststellt, richtig Spaß. Wissenslücken sind für Birkenbihl nichts Negatives, und wenn man etwas nicht kapiert, dann ist das nicht die Schuld des Lernenden. Man fühlt sich pauschal freigesprochen und kann das Lernen richtig genießen.

Neuro-logisch.


Der Knackpunkt an Birkenbihls Methoden ist, dass sie sich an der Funktionsweise des Gehirns ausrichten - und deshalb optimal wirken. Im Gegensatz zum traditionellen Pauken, bei dem bedrückend wenig im Gedächtnis hängen bleibt. "Je mehr Neuro-Mechanismen aktiviert werden, desto leichter fällt das Lernen", ist die Botschaft.
Für die meisten Menschen werden die Trotzdem lernen-Übungen ungewohnt sein, denn mit dem, was man aus Schule und Beruf gewohnt ist, haben sie rein gar nichts mehr zu tun. Auch wenn man Birkenbihls "Module" in beiden Bereichen blendend einsetzen kann, wenn man seine Hemmschwelle überwindet und sich traut, sie auszuprobieren. "Je älter die Kinder, desto schwerer tun sie sich im ersten Ansatz, umzudenken, weil ihnen die alten (miesen) Lernmethoden einfach vertraut sind", hat Birkenbihl beobachtet. Doch anscheinend haben schon zahlreiche Menschen das Umdenken hinbekommen - sonst hätte Birkenbihl es wohl kaum geschafft, eine so große Fangemeinde um sich zu scharen. In den Foren auf ihrer Website ist einiges los.
Die vielen Module in Trotzdem lernen stellen unterschiedliche Arbeitsweisen des Gehirns und die dazugehörigen Spiele vor. Hilfreich ist zum Beispiel assoziatives Denken. Auch ABC-Listen und das Verbinden von zwei Begriffen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, bringen die Fantasie in Gang und den Geist auf Touren. Im guten alten Stadt-Land-Fluss-Spiel stecken ungeahnte Möglichkeiten. Aber auch Quizspiele oder Lückentexte wecken den Spaß daran, das eigene Wissen zu aktivieren. Auch dem zu Unrecht verrufenen Lernen über Nachahmen verhilft sie zu neuem Glanz - schließlich haben wir den größten Teil unseres Verhaltens durch Vorbilder gelernt.

Tipps für Lehrer.


In Trotzdem lehren werden praktisch die gleichen Gehirnmechanismen, Übungen und Spiele vorgestellt wie in Trotzdem lernen, aber zielgruppengerecht für Pädagogen. Am Schluss redet Birkenbihl den "lehrenden Personen" dann ins Gewissen. "Lehrkräfte zwingen ihre Schülerinnen regelmäßig, langweilige (und oft schlecht geschriebene) Texte zu lesen, die weder echte Einsichten noch Lebenshilfe für ihre täglichen Probleme bieten. Wieso lesen sie selbst dann so wenige von diesen Büchern, die ihnen helfen könnten, ihre tägliche Arbeit besser zu tun?"
Zum Beispiel ihres. Denn darin wird deutlich, wie man den schulischen "Pseudo-Lernstil" gegen gehirngerechtes Lernen/Unterrichten ersetzt. Witzige Idee: Damit der Pädagoge erkennt, ob er auf der richtigen Spur ist, gibt Birkenbihl jedem ihrer Module eine bestimmte Anzahl von "Kügeli" (Punkten), die etwas über die Wirksamkeit aussagen - je mehr Methoden man kombiniert, desto mehr Kügeli gibt's und desto besser Stimmung und Lerneffekt in der Klasse. Wenn dann noch notenfreie Prüfungen eingeführt und Sonderschulen abgeschafft würden, wie sie vorschlägt, wäre schon viel erreicht.
Man merkt an Birkenbihls Argumenten, dass sie sich schon viel mit Lehrerfragen und -einwänden auseinander gesetzt hat. Der Denkblase im Lehrergehirn: "O je, das sieht nach zusätzlichem Aufwand aus!", setzt sie entgegen, dass schon kleine Änderungen in der Gestaltung der Stunden eine große Wirkung haben können. Auch ihre Garantie, dass gehirngerechtes Lehren und Lernen die Arbeit in der Schule einfacher und angenehmer mache, wird viele stress- und frustgeplagte Lehrer hoffen lassen. Selbst Schuldgefühle nach dem Motto: "Wenn ich einen Lehrfilm zeige, dann wirkt es ja so, als wäre ich zu faul zum Unterrichten", spricht sie an. Den Standardeinwand, man müsse halt so viel Stoff vermitteln und den Lehrplan erfüllen, entkräftet sie routiniert.

Etwas nervig.


In Birkenbihls beiden neuen Büchern - beide ein anarchischer Mix aus Denk- und Lernanstößen, Anekdoten, Spielen, Erklärungen und Zeichnungen - wird praktisch jeder seine Aha-Effekte finden. Schließlich ist jeder von uns eins von beiden, Lehrender oder Lernender. Oder (im Idealfall) beides. Ein Minuspunkt sind Birkenbihls ewigen Wortspiele (Er-LEICHT-ern, Ent-DECK-ungen, VerBINDungen et cetera), die zwar anfangs ganz erhellend wirken, aber nach der x-ten Wiederholung einfach nur noch nervig sind. Manche Wortschöpfungen wie zum Beispiel "KaWas" sind nicht einleuchtend, der ursprüngliche Begriff "Wortbilder" ist viel anschaulicher. Zudem wirkt es albern, dass Birkenbihl sich eine Vielzahl von Begriffen hat schützen lassen, so dass man sich beim Lesen ständig von Copyrightzeichen belagert sieht (zum Beispiel bei Stadt-Land-Fluss-Effekt©). Auch die an den Rand gekritzelten handschriftlichen Anmerkungen, die ins Buch eingedruckt sind und wohl eine Art Workshopatmosphäre schaffen sollen, sind gewöhnungsbedürftig. Aber ihre Fans sind diese Eigenheiten sowieso längst gewohnt.

Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.

Vera F. Birkenbihl:
Trotzdem lernen,GABAL Verlag, Offenbach 2004,
163 Seiten, 9.90 Euro,
ISBN 3-89749-418-3

Vera F. Birkenbihl:
Trotzdem lehren,
GABAL Verlag, Offenbach 2004,
272 Seiten, 17.90 Euro,
ISBN 3-89749-419-1

www.gabal-verlag.de

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Zu den Büchern

: Trotzdem lernen. GABAL Verlag, Offenbach 2004, 163 Seiten, ISBN 3-89749-418-3

Trotzdem lernen

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: Trotzdem lehren. GABAL Verlag, Offenbach 2004, 272 Seiten, ISBN 3-89749-419-1

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