Birkenbihl stellt in ihren neuen Büchern eine Menge erprobter Techniken vor, die dieses Phänomen nutzen und das Lernen beiläufig ("incidental", wie sie gerne sagt) machen. Im Idealfall sogar spielerisch. Fast ohne Mühe eignet man sich neues Wissen an, verknüpft und aktiviert bereits gelerntes. Das macht, wie man bei Birkenbihls Übungen schnell feststellt, richtig Spaß. Wissenslücken sind für Birkenbihl nichts Negatives, und wenn man etwas nicht kapiert, dann ist das nicht die Schuld des Lernenden. Man fühlt sich pauschal freigesprochen und kann das Lernen richtig genießen.
Neuro-logisch.
Der Knackpunkt an Birkenbihls
Methoden ist, dass sie sich an der Funktionsweise des Gehirns
ausrichten - und deshalb optimal wirken. Im Gegensatz zum
traditionellen Pauken, bei dem bedrückend wenig im Gedächtnis
hängen bleibt. "Je mehr Neuro-Mechanismen aktiviert werden, desto
leichter fällt das Lernen", ist die Botschaft.
Für die meisten Menschen werden die
Trotzdem lernen-Übungen ungewohnt sein, denn mit dem, was
man aus Schule und Beruf gewohnt ist, haben sie rein gar nichts
mehr zu tun. Auch wenn man Birkenbihls "Module" in beiden
Bereichen blendend einsetzen kann, wenn man seine Hemmschwelle
überwindet und sich traut, sie auszuprobieren. "Je älter die
Kinder, desto schwerer tun sie sich im ersten Ansatz, umzudenken,
weil ihnen die alten (miesen) Lernmethoden einfach vertraut
sind", hat Birkenbihl beobachtet. Doch anscheinend haben schon
zahlreiche Menschen das Umdenken hinbekommen - sonst hätte
Birkenbihl es wohl kaum geschafft, eine so große Fangemeinde um
sich zu scharen. In den Foren auf ihrer Website ist einiges los.
Die vielen Module in
Trotzdem lernen stellen unterschiedliche Arbeitsweisen des
Gehirns und die dazugehörigen Spiele vor. Hilfreich ist zum
Beispiel assoziatives Denken. Auch ABC-Listen und das Verbinden
von zwei Begriffen, die auf den ersten Blick nichts miteinander
zu tun haben, bringen die Fantasie in Gang und den Geist auf
Touren. Im guten alten Stadt-Land-Fluss-Spiel stecken ungeahnte
Möglichkeiten. Aber auch Quizspiele oder Lückentexte wecken den
Spaß daran, das eigene Wissen zu aktivieren. Auch dem zu Unrecht
verrufenen Lernen über Nachahmen verhilft sie zu neuem Glanz -
schließlich haben wir den größten Teil unseres Verhaltens durch
Vorbilder gelernt.
Tipps für Lehrer.
Zum Beispiel ihres. Denn darin wird deutlich, wie man den schulischen "Pseudo-Lernstil" gegen gehirngerechtes Lernen/Unterrichten ersetzt. Witzige Idee: Damit der Pädagoge erkennt, ob er auf der richtigen Spur ist, gibt Birkenbihl jedem ihrer Module eine bestimmte Anzahl von "Kügeli" (Punkten), die etwas über die Wirksamkeit aussagen - je mehr Methoden man kombiniert, desto mehr Kügeli gibt's und desto besser Stimmung und Lerneffekt in der Klasse. Wenn dann noch notenfreie Prüfungen eingeführt und Sonderschulen abgeschafft würden, wie sie vorschlägt, wäre schon viel erreicht.
Man merkt an Birkenbihls Argumenten, dass sie sich schon viel mit Lehrerfragen und -einwänden auseinander gesetzt hat. Der Denkblase im Lehrergehirn: "O je, das sieht nach zusätzlichem Aufwand aus!", setzt sie entgegen, dass schon kleine Änderungen in der Gestaltung der Stunden eine große Wirkung haben können. Auch ihre Garantie, dass gehirngerechtes Lehren und Lernen die Arbeit in der Schule einfacher und angenehmer mache, wird viele stress- und frustgeplagte Lehrer hoffen lassen. Selbst Schuldgefühle nach dem Motto: "Wenn ich einen Lehrfilm zeige, dann wirkt es ja so, als wäre ich zu faul zum Unterrichten", spricht sie an. Den Standardeinwand, man müsse halt so viel Stoff vermitteln und den Lehrplan erfüllen, entkräftet sie routiniert.
Etwas nervig.
In Birkenbihls beiden neuen Büchern - beide ein anarchischer Mix aus Denk- und Lernanstößen, Anekdoten, Spielen, Erklärungen und Zeichnungen - wird praktisch jeder seine Aha-Effekte finden. Schließlich ist jeder von uns eins von beiden, Lehrender oder Lernender. Oder (im Idealfall) beides. Ein Minuspunkt sind Birkenbihls ewigen Wortspiele (Er-LEICHT-ern, Ent-DECK-ungen, VerBINDungen et cetera), die zwar anfangs ganz erhellend wirken, aber nach der x-ten Wiederholung einfach nur noch nervig sind. Manche Wortschöpfungen wie zum Beispiel "KaWas" sind nicht einleuchtend, der ursprüngliche Begriff "Wortbilder" ist viel anschaulicher. Zudem wirkt es albern, dass Birkenbihl sich eine Vielzahl von Begriffen hat schützen lassen, so dass man sich beim Lesen ständig von Copyrightzeichen belagert sieht (zum Beispiel bei Stadt-Land-Fluss-Effekt©). Auch die an den Rand gekritzelten handschriftlichen Anmerkungen, die ins Buch eingedruckt sind und wohl eine Art Workshopatmosphäre schaffen sollen, sind gewöhnungsbedürftig. Aber ihre Fans sind diese Eigenheiten sowieso längst gewohnt.
Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.
Vera F. Birkenbihl:
Trotzdem lernen,GABAL Verlag, Offenbach 2004,
163 Seiten, 9.90 Euro,
ISBN 3-89749-418-3
Vera F. Birkenbihl:
Trotzdem lehren,
GABAL Verlag, Offenbach 2004,
272 Seiten, 17.90 Euro,
ISBN 3-89749-419-1
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