Der missverstandene Helfer.
Da wohl kaum jemand extra ins
Tierheim gegangen ist, um sich ein Haustier wie Günter zuzulegen,
erklärt Stefan Frädrich (übrigens ein Dr. med.) erst einmal,
woher der kleine Begleiter stammt. Aus der Kindheit nämlich, so
seine eigenwillige These. Ähnlich, wie es die Eltern einst getan
haben, will er einen schützen. Zum Beispiel vor Überforderung.
Aber als Erwachsener braucht man seine Ratschläge nicht mehr. Und
Günter lernt nicht dazu. Deshalb berät das nervige Tier einen
manchmal gut und manchmal schlecht. "Günter pfuscht immer dann,
wenn dir etwas zwar kurzfristig bequem erscheint, aber
langfristig schadet", meint Frädrich.
Frädrichs Anti-Schweinehund-Programm besteht aus vielen
kleinen Tipps - das ist auch aus dem Grund gut, weil man große
Veränderungen selten "am Stück" packt, sondern in vielen kleinen
Schritten. In Salami-Taktik, per Vertrag mit sich selbst, wie der
Autor erläutert. Behutsam und in einfacher Sprache leitet er dazu
an, seine Überzeugungen zu hinterfragen, seine Lebensbereiche auf
Verbesserungsansätze hin zu analysieren und aus der Routine
herauszufinden. Denn Günter und Co. vergöttern eingefahrene
Gleise geradezu. "Je länger wir uns in unserer bequemen Zone
aufhalten, desto höher werden die Mauern darum herum", gibt
Frädrich zu bedenken und rät, jeden Tag eine Kleinigkeit anders
zu machen als sonst. Herausforderungen anzunehmen. Zufälle zu
seinem Freund zu machen. Und dadurch nach und nach die bequeme
Zone riesengroß zu machen.
Mit sich selbst und anderen richtig umgehen.
Aber auch der Umgang mit den
eigenen Gefühlen ist ein großes Thema in seinem Leitfaden. Denn
der Schweinehund spricht sozusagen nicht aus dem Kopf, sondern
aus dem Bauch. Wenn man seine Emotionen aus sicherer Distanz
heraus betrachtet, kann man nach und nach lernen, seine Gefühle
zu steuern. "Nicht die Welt macht dich unglücklich, sondern nur
das, was du über die Welt denkst", gibt Frädrich zu bedenken und
rät, das innere Selbstgespräch zu beeinflussen und alten Ärger
wegzuwerfen.
Aber auch anderen Angewohnheiten des ungeliebten Haustiers
kann man Herr werden. Zum Beispiel teilt Günter die Welt gerne in
Schwarz und Weiß ein. "Wenn du Günter mal wieder dabei erwischst,
dass er voller Vorurteile und Gehässigkeit ins Blaue hinein
urteilt, dann erkläre ihm, dass die meisten Menschen nichts Böses
wollen", rät der Autor. Geschickt vermeidet er dadurch, dass er
die Kritik auf den Schweinehund lenkt, dass der erhobene
Zeigefinger allzu arg durch den Text durchscheint. Und die
Cartoons dazu sind immer witzig und auf den Punkt gebracht.
Die Bandbreite der Tipps reicht weit über den Umgang mit
sich selbst hinaus und bis hin zu Hinweisen, wie man richtig
kommuniziert, mit Ekelpaketen umgeht und andere Menschen
überzeugt. Inhaltlich ist das Buch ein munterer Mix aus
Psychotherapie, Kommunikation, Selbstmanagement und
Motivationspsychologie. Praktisch ist das für all jene, die keine
Lust haben, sich auf die umfangreiche Motivationsliteratur
einzulassen - Frädrichs Büchlein ist förmlich ein Abstract davon.
Damit eignet es sich blendend als augenzwinkerndes Geschenk für
Freunde und Mitmenschen, deren innerer Schweinehund besonders
aktiv ist.
Zähmung geglückt.
Aber das Ziel der Übung ist nicht, das Tierchen an die ganz kurze Leine zu legen und streng zu dressieren. Wenn man locker lässt und Günter auch mal ein paar Sünden anregen darf, wird er nachher umso besser mit seinem Herrchen zusammenarbeiten. Dazu passt auch das Schlussbild: Freudig wedelnd, mit aufgestellten Ohren, blickt Günter dem Leser entgegen. "Günter ist jetzt ein ausgebildeter Schweinehund", lobt Frädrich. "Jetzt weiß er wirklich, was gut für dich ist." Und Herrchen beziehungsweise Frauchen hat gelernt, sich die Ohren zuzuhalten, wenn Günter mal wieder das Falsche bellt.
Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.
Stefan Frädrich:
Günter, der innere Schweinehund.
Ein tierisches Motivationsbuch,
illustriert von Timo Wuerz,
Gabal Verlag, Offenbach 2004,
221 Seiten, 9.90 Euro,
ISBN 3-89749-457-4
www.gabal-verlag.de
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Stefan Frädrich: Günter, der innere Schweinehund. . Ein tierisches Motivationsbuch. Illustriert von Timo Wuerz. . Gabal Verlag, Offenbach 1900, 221 Seiten, ISBN 3-89749-457-4
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