Persönlich vom Chef ausgebildet.
Sieben Frauen porträtiert sie
frech, aber mit viel Einfühlungsvermögen und Fairness: Friede
Springer, Bertelsmann-Chefin Liz Mohn, die neue Suhrkamp-Oberfrau
Ulla Berkéwicz, Pressefürstin Eske Nannen, Gloria von Thurn und
Taxis, Willy-Brandt-Witwe Brigitte Seebacher und
BMW-Großaktionärin Johanna Quandt. Gemeinsam haben sie: Keine
dieser Frauen war von der Ausbildung her auf ihre Führungsrolle
vorbereitet; sie haben an keiner Uni studiert und lenken doch
Konzerne. Sie waren zwar selten die ersten, aber immer die
letzten Frauen von Patriarchen und lernten an und von ihren
Männern - die gewöhnlich 30 Jahre älter waren. Das ist ihnen mit
verächtlichem Naserümpfen von zumeist männlichen Kritikern oft
vorgeworfen worden und ruft auch bei modernen Leserinnen
gemischte Gefühle hervor. Die
Wie-angele-ich-mir-einen-Millionär-Attitüde, die man (zu Recht
oder Unrecht) hinter solchen Lebenswegen wittert, hat mit eigenen
Leistungen erst mal nichts zu tun und riecht nach raffinierter
Durchtriebenheit.
Und doch: Viele dieser Chefinnen haben sich bereits
bewährt. Es ist weitaus häufiger, dass bezahlte Manager auf dem
Ego-Trip oder Erben aus der dritten Generation den Laden an die
Wand fahren. Und jetzt mal ehrlich: Ist ein Schmalspur-Studium in
proppenvollen Hörsälen, die Lektüre von zahlenfixierten Wälzern
über Betriebswirtschaftslehre wirklich die beste Art, etwas über
Unternehmensführung zu lernen? In der dünnen Luft ganz oben kommt
es, das zeigen die sieben Kurzbiografien sehr deutlich, auf etwas
anderes an. Was sie brauchten, haben diese Frauen sozusagen in
Einzelunterricht, in persönlichem, mehrjährigem Coaching von
hochqualifizierten Mentoren in der Praxis gelernt. Und vor allem
hatten die angehenden Chefinnen den Mut, diese Erkenntnisse
anzuwenden, und die Intelligenz und Durchsetzungskraft, damit
erfolgreich zu sein. "Alle hier beschriebenen Frauen waren
irgendwann beherzt genug, dort, wo mit Macht gespielt wird, auch
Macht zu demonstrieren", ist Posches Fazit.
Weibliche Übernahme in Sicht!
Doch Macht ist ein sehr
zwiespältiges Instrument. Und so sind die Hauptfiguren der sieben
Geschichten auch nicht immer nur sympathisch, sondern auch
zuweilen ambivalent - bei einigen scheint in der Biografie großer
Ehrgeiz oder eine Vorliebe für Intrigen auf. Manche werden von
ihren Untergebenen und Weggefährten verehrt, andere gehasst. Die
Erben sind auf die jungen Frauen der Gründer natürlich nie gut zu
sprechen - denn oft werden die Söhne vom Vater zugunsten der
Neuen ausgebootet. Ob die Kinder des Patriarchen, die er mit
seinen ersten Frauen gezeugt hat, die besseren
Führungspersönlichkeiten gewesen wären, ist eine offene Frage.
"Gattinnen halten an den Wurzeln fest, bewahren die Tradition,
auch wenn sie neue Akzente setzen", hat Posche beobachtet und
fragt suggestiv: "Ist es nicht ideal, wenn die Witwe das
Erschaffene nach seinem [des Gründers] Willen weiterführt?"
Eins ist sicher: Angesichts der beeindruckenden Positionen,
die Frauen auf diese Art inzwischen geerbt/erobert haben, kommen
in so manchem Macho oder Ewiggestrigen Urängste hoch. Was Posche
genüsslich auf die Schippe nimmt. Fröhlich kündigt sie im Vorwort
eine Zukunft an, die so manchem den Schweiß auf die Stirn treiben
dürfte: "Frauen übernehmen die Macht. (...) Irgendwann,
vielleicht sehr bald, werden sie womöglich losschießen und ganz
Deutschland verändern. Sie werden den Weg frei machen für die
Nachfahrin Helmut Kohls, für Angela Merkel. (...) Am Ende nämlich
bringen dann ein hessisches Bürofräulein, ein Kindermädchen von
der Insel Föhr und eine Telefonistin aus Wiedenbrück eine
Pastorentochter aus der Uckermark ins Kanzleramt."
Spannende Unterhaltung, garantiert echt.
Für diejenigen, die mit solchen Szenarien kein Problem haben, eignet sich Posches Buch blendend zur Freizeitlektüre. Es sind spannende Lebensgeschichten, die hinter diesen sieben Namen stecken - oft romantisch, immer konfliktreich und mit einem garantierten Happy End. Manche klingen nach Cinderella (mächtiger Unternehmenschef verliebt sich in schüchternes blutjunges Mädchen vom Land und macht sie zu seiner Prinzessin), andere eher nach "Dallas" (da der Konzernchef leider schon verheiratet ist, verschafft er seiner Geliebten einen Schein-Ehemann und setzt die Beziehung mit ihr fort, bis sie drei Kinder von ihm hat) oder einem Adelsdramolett (der exzentrische alternde Fürst erklärt der Auserwählten, dass er vor der Heirat gerne sicher wäre, ob sie überhaupt fruchtbar ist - erst als sie mit dem gewünschten Erben schwanger ist, wird das Aufgebot bestellt). Wann meldet sich endlich eine Regisseurin, die diese Storys verfilmt?
Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.
Ulrike Posche:
Weibliche Übernahme.
Wie Frauen in Deutschland sich die Macht nehmen,
Campus Verlag, Frankfurt/New York 2004,
255 Seiten, 19.90 Euro,
ISBN 3-593-37415-3
www.campus.de
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Zum Buch
Ulrike Posche: Weibliche Übernahme. . Wie Frauen in Deutschland sich die Macht nehmen. . Campus Verlag, Frankfurt/New York 1900, 255 Seiten, ISBN 3-593-37415-3
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