Gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten werden Spaß und Humor schnell als Luxus abgestempelt. Aber Spaß und Wirtschaftlichkeit sind kein Entweder-oder. Im Gegenteil, sie sind eng miteinander verbunden. Gut gelaunte Mitarbeiter, die Spaß an ihrem Job haben, sind ein mächtiger Erfolgsfaktor. Wann lernt ein Kind gerne? Wenn es Spaß daran hat. Wann mache ich gerne Tätigkeiten für meinen Chef? Wenn ich Spaß daran habe. Und wann habe ich Spaß an etwas? Wenn ich meine Talente und Fähigkeiten ausleben darf. Wenn jeder Mensch beruflich das tun würde, was er von Herzen gerne macht, dann würde unsere Wirtschaft ganz anders aussehen.
Abschied vom Schwarzweißdenken.
Unsere Art zu wirtschaften ist auf
einen einzigen Wert ausgerichtet - und das ist Geld verdienen nur
um des Geldverdienens willen. Durch dieses Wertesystem haben wir
eine Wirtschaft geschaffen, in der es nicht leicht ist, von heute
auf morgen mit seiner Berufung Geld zu verdienen. Das redet die
Fun Economy auch gar nicht schön. Aber viele sehen das Thema
Berufung und Einkommen völlig schwarzweiß. Wenn sie keine
Möglichkeit sehen, mit ihrer Berufung hauptberuflich den ganzen
Lebensunterhalt zu verdienen, lassen sie es ganz bleiben.
Aber man kann ja auch als Nebenjob damit anfangen oder
ehrenamtlich oder als Wochenendprojekt oder als Fortbildung. Für
mich lebt ein Mensch in dem Moment seine Berufung, wo er beginnt,
ihr hinterherzugehen. Aber viele geben sich selbst keine Chance,
in ihre Berufung hineinzuwachsen, weil sie an diesem
Schwarzweißdenken festhalten. Und dann wird der begehrte
Arbeitslohn oft zum Schmerzensgeld. Dabei könnten die Menschen
genauso gut dankbar dafür sein, dass sie sich mit ihrem Einkommen
den Weg in ihre Berufung finanzieren könnten.
Auch aus der Arbeitslosigkeit kann man sich den Weg in die
Fun Economy bahnen, wenn man die Zeit nutzt, um zu entdecken, wo
man etwas beitragen will, in welche Richtung man weitergehen will
und was seine Berufung ist. Aber viele Menschen nutzen die Zeit
der Arbeitslosigkeit nicht, sondern jagen Jobs hinterher, die sie
eigentlich nicht haben wollen.
Arbeit darf Spaß machen.
Speziell viele Deutsche haben ein
grundsätzliches Problem mit dem Spaß an der Freud', wenn es um
den Job geht. Neulich nach einem Vortrag sprach mich ein Zuhörer
an und sagte: "Also ich habe immer hart gearbeitet für meinen
Erfolg, und ich bin immer gut damit gefahren - auch ohne Spaß."
Dann habe ich gefragt: "Und wie ging es Ihnen dabei
gesundheitlich? Wie ging es Ihnen als Mensch? Was war mit Ihrem
Glücksgefühl?" Er hat gesagt: "Ja, das war alles immer prima."
Wir tun uns wirklich schwer damit, zuzugeben, dass die Arbeit
selbst das Vergnügen ist. Stattdessen glauben viele noch an den
alten Spruch: "Erst die Arbeit, dann das Vergnügen." Was passiert
etwa, wenn ein Kind bei seinen Hausaufgaben lacht und pfeift und
sich freut? Dann schreit der Papa von hinten: "Ich hab gedacht,
du lernst!"
Viele denken immer noch, es muss wehtun, wenn man Erfolg
haben möchte. So nehmen wir uns selbst den Spaß an der Arbeit,
der naturgegeben eigentlich da ist. Ich kenne auch viele
Menschen, die regelrecht Angst vor Spaß haben. Besonders
Führungskräfte fühlen sich beschützt hinter ihrer Strenge und
Humorlosigkeit, weil sie Angst davor haben, am Arbeitsplatz das
Menschliche herauszulassen.
Der Mensch an erster Stelle.
Natürlich wird in vielen
Unternehmen versucht, Veränderungsprozesse in Richtung lebendiger
Arbeitsmodelle anzustoßen - flexiblere Arbeitszeiten etwa oder
Work-Life-Balance-Programme. Das alles trägt aber keine Früchte,
wenn dahinter Führungskräfte stehen, die immer noch dem
mechanistischen Organisationsbild nachhängen und die ihre
Mitarbeiter letztlich doch als Punkt im Organigramm sehen - als
leblose Leistungsträger statt als Menschen. Diese
Respektlosigkeit treibt die Mitarbeiter in den Widerstand, in den
Zynismus und in die Lustlosigkeit.
Unternehmerische Erfolge aber resultieren aus den
schöpferischen Kräften der Mitarbeiter, aus deren Arbeitsfreude
und Engagement. Deshalb ist es künftig die Hauptaufgabe der
Firma, sich mit jedem einzelnen Mitarbeiter auseinander zu
setzen, gezielt nach seinen Talenten zu schauen und Freiräume
dafür zu schaffen. Das bedeutet aber auch, einzusehen, dass sich
Firmen nicht wie Maschinen lenken und konstruieren lassen. Wenn
diese Einsicht nicht da ist, werden alle Veränderungsversuche in
Richtung lebendige Organisation kläglich scheitern.
Das ist eine Einsicht, die schwer fällt, weil sie mit
Kontrollverlust, Macht- und Berechenbarkeitsverlust verbunden
ist. Wir Menschen neigen dazu, das, was uns Angst macht, zu
verdrängen oder zu ignorieren. Und wenn es nicht mehr
funktioniert, fangen wir an, zu reparieren, also die Symptome zu
lindern. Die Krankheitssymptome unserer heutigen Wirtschaft sind
hohe Arbeitslosigkeit, hohe Krankheits-, Frustrations- und
Depressionsraten, niedriger Motivationslevel, niedrige
Innovationsfähigkeit und so weiter. Die Unternehmen reparieren
mit verschiedensten Managementmodellen, Anreizsystemen und
Wahnsinnsgehältern. Der Staat repariert mit Regulierung und
Subvention. Das alles ist, als ob wir bei unserem Auto das rote
Warnlämpchen ausbauen, statt Öl im Motor nachzufüllen. Das Öl,
das unsere Wirtschaft und die Unternehmen benötigen, sind frische
innovative Ideen für lebendige, menschenorientierte
Arbeitsplätze.
Der Wandel wird kommen.
Ich bin sicher, dass viele Manager erkennen werden, dass es ohne den Spaßfaktor, ohne das Menschliche in der Wirtschaft, immer schwieriger wird, erfolgreich zu sein. Deswegen wird es immer mehr Firmen geben, in der die Fun Economy gelebt wird. Und immer mehr Menschen, die sich fragen: Was macht mir Freude, wie kann ich es umsetzen, was kann ich für andere Menschen beitragen? Ich bin optimistisch, weil die Wirtschaft, so wie sie heute ist, einfach nicht der menschlichen Natur entspricht und sich immer mehr Menschen für einen Wandel aktiv einsetzen.
Übersicht aller bereits erschienenen Beiträge der "Living at Work-Serie".
English version: PDF-File.
Ralf G. Nemeczek ist Experte für die Zusammenhänge zwischen Lebensqualität, Spaß, Gesundheit, Erfolg, Talenten und dem Entdecken der eigenen Berufung. Er hat mehrere Bücher veröffentlicht und arbeitet als Coach und Berater in Leinfelden-Echterdingen.
www.orgatec.de
Vom 19. bis 23. Oktober 2004 |
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