Kann Wirtschaft richtig spannend sein?
Zwei Sachbuchverlage, Campus und Hanser, haben sich mit Wirtschaftsromanen auf neues Terrain gewagt.
Eliyahu Goldratts Prozessoptimierungs-Roman Das Ziel ist der jüngste Vertreter eines neuen Genres, das in den USA erfunden wurde und zunehmend auch hierzulande Anklang findet. Sein Vorreiter war in Deutschland Tom DeMarcos Bestseller Der Termin.
Alex Rogo hat ein Problem: Die Fabrik,
die er leitet, ist nicht besonders profitabel. Eines schönen
Tages, als gerade alles schief zu gehen scheint, steht auch noch
sein Chef im Büro und stellt ihm ein Ultimatum: Entweder gelingt
es ihm, sein Unternehmen innerhalb von drei Monaten profitabler
zu machen - oder die Fabrik wird geschlossen. Gleichzeitig steht
seine Ehe auf dem Spiel, weil er sich zu lange nicht um seine
Frau gekümmert hat, die Probleme der Fabrik ein paarmal zu oft
wichtiger schienen. Will er nicht alles verlieren, muss er
radikal umdenken. Dabei helfen ihm Hinweise seines ehemaligen
Physiklehrers Jonah, der zum Managementguru geworden ist, auf die
Sprünge ...
Das Ziel, Eliyahu Goldratts Roman über Prozessoptimierung,
ist 1992 in den USA auf den Markt gekommen und mittlerweile in 21
Sprachen übersetzt. Nun ist es beim Campus Verlag auch auf
deutsch erschienen. Es schafft den schwierigen Spagat: Wer sich
für das recht technische Thema halbwegs interessiert, kann
Goldratts Buch trotz der manchmal hölzernen Sprache sowohl mit
Vergnügen lesen als auch etwas daraus lernen. Man fiebert nicht
nur mit, ob und wie Rogo die schier unlösbare Aufgabe bewältigt,
sondern erfährt auch etwas darüber, wie man komplexe Prozesse mit
Hilfe verblüffend einfacher Erkenntnisse in den Griff bekommen
kann.
Sachbuchverlage erfinden ein neues Genre.
Das Ziel gehört zu einem neuen Buchtyp, den man erzählte
Fach- und Lehrbücher nennen könnte oder Romane, bei denen die
Wirtschaft mehr als nur Kulisse für die eigentliche Handlung ist.
Die Autoren sind Experten, häufig Berater. Inzwischen haben sich in
Deutschland zwei Sachbuchverlage auf dieses neue Terrain gewagt:
Mit Goldratts Buch startet Campus eine Wirtschaftsroman-Reihe, in
der in Zukunft ein bis zwei Titel im Jahr erscheinen sollen.
"Unsere Intention ist es, ein wirklich breites allgemeines Publikum
mit diesen Büchern zu erreichen", erklärt Britta Kroker,
Programmleiterin des Campus Verlages. "Wir wissen, dass das
Fortbildungsbedürfnis bei Fach- und Führungskräften sehr hoch ist
und sie einen großen Teil ihrer Freizeit in Lektüre von
Fachliteratur investieren. Dabei fällt es sicher leichter, am Abend
noch zum Wirtschaftsroman zu greifen als zum herkömmlichen
Fachbuch."
Viele der zukünftigen Campus-Romane werden aus der Feder von
Eliyahu Goldratt stammen. Britta Kroker glaubt, daß es eine gute
Investition für den Verlag war, das Gesamtwerk des
Managementberaters zu erwerben: "Goldratt ist der Vater des
Wirtschaftsromans, er hat meines Wissens nach die ersten dieser
Bücher geschrieben. Doch obwohl die meisten Autoren dieses Genres
Amerikaner sind, spielen Wirtschaftsromane in Amerika kaum eine
Rolle. Dieses Mal setzen Europa und Asien den Trend."
Der Termin machte den Wirtschaftsroman in Deutschland bekannt.
Vorreiter dieses neuen Genres waren in
Deutschland
Wagnis Führung von Gerhard Nagel und natürlich Tom DeMarcos
Bestseller
Der Termin, beide im Hanser Verlag erschienen. "Aus den USA
kam der Trend zum erzählten Sachbuch und wir haben gedacht, warum
machen wir sowas nicht auch", erzählt Hanser-Lektor Martin Janik
von den Anfängen. "Mit
Wagnis Führung haben wir es dann durchgezogen: Vorne im Buch
war der Roman in schwarz abgedruckt, hinten in blauer Schrift der
Sachbuchteil, auf den es im erzählten Teil immer wieder Verweise
gibt." Der Erfolg ermutigte den Verlag, auf dieser Schiene
weiterzufahren - allerdings weniger sachbuchlastig, da sich die
Leser in erster Linie für den Roman begeisterten.
Der Termin, geschrieben von einem der bekanntesten Berater
mit Schwerpunkt Projektmanagement bei der Softwareentwicklung,
erwies sich als idealer Nachfolger. Mr. Tompkins, ein soeben
"freigesetzter" Manager, wird von einer exotischen Schönheit
gekidnappt und lässt sich überreden, die Softwareindustrie des
kleinen Landes Morovien aufzubauen. Da er eine gigantische
Entwicklungsmannschaft zur Verfügung hat, teilt er sie in 18 Teams
auf, drei für jedes Produkt, und probiert an ihnen verschiedene
Projektmanagement-Methoden aus. Im Wettlauf miteinander und mit
einem unmöglichen Termin versuchen sie ihren Auftrag zu erfüllen.
Was auf den ersten Blick nach einem Buch mit wenig Bodenhaftung
klingt, ist ein Roman voller skurriler Figuren, Witz und Ironie,
der oft überraschende Management-Erkenntnisse vermittelt. Für den
Lerneffekt sorgen neben der eigentlichen Handlung Mr. Tompkins
Tagebucheinträge am Schluss jedes Kapitels, in denen er für sich
zusammenfasst, was er durch die Ereignisse gelernt hat.
Auch Hanser plant, die Wirtschaftsroman-Reihe fortzusetzen.
"Wir würden gerne mehr davon machen, aber brauchbare Manuskripte
sind schwer zu finden", seufzt Martin Janik. "Mein Eindruck ist,
dass die Autoren krass unterschätzen, wie schwierig es ist, einen
Roman zu schreiben. Man muss eine echte Doppelbegabung sein, etwas
von Handlungsführung und Charakterisierung und dergleichen
verstehen und gleichzeitig etwas vom Wirtschaftsthema, über das man
schreibt."
An den Schnittstellen tut sich etwas.
Der neue Trend ist ein Beispiel dafür, dass spannende Bücher zur Zeit häufig an Schnittstellen entstehen. Sachbuch und Belletristik verschmelzen: "Erzählte Sachbücher sind absolut im Trend. Nicht nur in der Wirtschaft, vor allem auch im historischen und naturwissenschaftlichen Sachbuch", erklärt Britta Kroker. Auch Sachbücher und Ratgeber mit journalistischen Elementen, gar in Reportageform, kommen in Mode. Bei Hanser werden demnächst in der neuen Reihe "New Economy" drei solcher Bücher erscheinen, in denen am Beispiel einer Firma jeweils ein Thema erläutert wird. Auch die meist getrennten Lektorate Wirtschaft und Computer stellten fest, dass sie auf einmal häufig gemeinsam Bücher machen müssen, weil Titel über E-Commerce beide Bereiche einbeziehen. Noch hat die dritte Verschmelzung nicht stattgefunden, noch gibt es keinen Roman zum Thema E-Commerce. Aber bis diese Lücke geschlossen wird, ist es vermutlich auch nur eine Frage der Zeit.
Lesen Sie unsere Besprechung zu Eliyahu Goldratts Buch: Das Ziel Teil II
Eliyahu Goldratt/Jeff Cox:
Das Ziel. Ein Roman über Prozessoptimierung,
Campus Verlag 2001, 376 Seiten, 49,80 Mark
Tom DeMarco:
Der Termin. Ein Roman über Projektmanagement,
Hanser Verlag 1998, 266 Seiten, 39,80 Mark
Sylvia Englert, Journalistin und Buchautorin, ist Redakteurin bei changeX.
www.campus.de
www.hanser.de
www.goldratt.com
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Zu den Büchern
Eliyahu Goldratt/Jeff Cox: Das Ziel.. Ein Roman über Prozessoptimierung.. Campus Verlag, Frankfurt am Main 1900, 376 Seiten, ISBN 3-593-36701-7
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Eliyahu Goldratt / Jeff Cox: Das Ziel. Ein Roman über Prozessoptimierung. Campus Verlag, Frankfurt am Main / New York 2001, 376 Seiten, ISBN 3-593-36701-7
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