Bloß keine durchgestylten Antworten
Living at Work-Serie | Folge 31 | - Betty Zucker über die junge Generation und Change-Prozesse im Unternehmen.
Wandel kann anstrengend sein. Netzwerken ist angesagt. Sich zur Marke entwickeln. Und vor allem mit Unsicherheiten fertig werden. Die neuen Helden sind jene, die sich mit Ausdauer und Beharrlichkeit in Krisen und Veränderungen zurechtfinden. Meist gehören sie der jüngeren Generation an. Denn diese ist sehr selbstständig aufgewachsen und weiß, was sie nicht will. Unternehmen tun sich keinen Gefallen, wenn sie sie mit Hierarchie und schlechter Kommunikation ausbremsen.
Der Wandel der Arbeitswelt ist
nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel. Globalisierung,
Digitalisierung, Change Management überrollen uns. Wir leben wie
auf Treibsand. Denn die Turbulenz wird zur Permanenz, die
Problemlösung immer komplexer. Wer da bestehen will, muss ein
Netzwerk-Könner sein. Clubleben und Mittagessen mit diesem und
jenem reichen nicht mehr. Wir müssen wechselnde Beziehungen
managen können. Das ist alles andere als trivial. Denn ständig
verändern sich die Konstellationen. Konkurrenten werden plötzlich
Partner, Chefs Kollegen, Mitarbeiter Vorgesetzte.
Der Ruf, den man sich erarbeitet, spielt eine wichtige
Rolle. Ist man kooperativ und hilft anderen, hat man etwas zu
bieten, und worin ist man exzellent? Jeder muss seine eigene
Marke entwickeln: Was kann ich? Wie unterscheide ich mich von
anderen? Wie würden Kollegen - aber besser noch die Feinde und
Konkurrenten (denn Neid muss man sich erarbeiten) - mich
beschreiben? Die Marke steht für das Können, für Werte und Ziele.
Sich selbst zu positionieren ist ein wichtiger Bestandteil der
Treibsandtauglichkeit in diesem permanenten Wandel. Und abgesehen
davon: Es steigert das persönliche Selbstbewusstsein. Das ist
ebenso wichtig heute, denn es bietet die innere Stabilität und
Sicherheit, die kein Arbeitgeber mehr bieten kann, auch wenn er
wollte.
Die neuen Helden sind jene, die sich mit Ausdauer und
Beharrlichkeit in Krisen und Veränderungen zurechtfinden, und
dafür werden sie bewundert. Diese neuen Helden sind anders
gestrickt als die alten, die für mutige Taten gefeiert wurden wie
die "tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten".
Optimistisches Denken, sich in verschiedensten Netzen und
Umfeldern bewegen zu können, und ihre eher pragmatische,
lösungsorientierte Herangehensweise an Probleme, gepaart mit dem
Bewusstsein, dass nichts mehr selbstverständlich und stabil ist -
all das ermöglicht ihnen, mit den Wechselfällen des Lebens
umzugehen. Dazu gehört das Scheitern. Scheitern ist für die neuen
Helden kein Tabu, sie sind Stehaufmännchen. Neu an diesen Könnern
ist: Sie suchen weniger Macht, sondern die Freiheit, Ideen und
Vorstellungen einbringen und umsetzen zu können. Tendenziell ist
die junge Generation eher antiautoritär erzogen. Sie mussten tun,
was sie wollten. Heute wissen sie vor allem, was sie
nicht wollen. Und dazu gehört das Kämpfen in und mit
herkömmlichen Arbeitskorsetts, mit den 1.000 guten Gründen, warum
dieses oder jenes nicht geht. Denn Könner wollen sich abstrampeln
in den vielen sich herauskristallisierenden Möglichkeiten. Sie
wollen Erlebnisse und Ergebnisse, und dass ihr Beitrag daran
honoriert wird.
Der Nachwuchs folgt anderen Regeln.
Viele dieser Könner gehören zur
Generation X: Sie sind zwischen 1965 und 1980 geboren. Fernsehen
und MTV war für sie selbstverständlich, in die Computerwelt sind
sie hineingewachsen, politische, ökonomische und technologische
Umwälzungen gehörten für sie zum Alltag - vom Mauerfall bis zum
Internet. Die Generation X ist die erste Generation, die ein
anderes Kompetenzverständnis hat: Sie erkennt Autorität nicht an,
nur weil einer in der Hierarchie näher zum lieben Gott steht. Der
Grund: Viele sind Schlüsselkinder oder hatten Eltern, die mit
sich und ihren Beziehungskisten beschäftigt waren. Sie mussten
lernen, sich selbst zu organisieren und taten es vor allem in
Peer Groups beziehungsweise Communities. Die Vorbildfunktion der
oft physisch wie psychisch abwesenden Eltern fiel weitgehend weg.
Daher sind sie sehr autonom. Sie brauchen und akzeptieren aber
klare Rahmenbedingungen, um dann darin starke Eigenverantwortung
zu übernehmen. Sie sind mit Ungewissheiten und Widersprüchen
aufgewachsen, ja dies kennen sie am besten und können damit
umgehen.
Die junge Generation unterscheidet nicht mehr zwischen
Arbeit und Freizeit, der "Schlepptop" ist ihr treuer Begleiter.
Diese Generation fragt: Wie kann ich meine Employability erhöhen?
Sie will leistungsgerechte, flexible Bezahlung, Arenen für die
Performance am Arbeitsplatz und neue Arbeitsformen, die
Ergebnisse in den Mittelpunkt stellen - jenseits der Präsenz im
Büro. Wollen Unternehmen ihre Leistungsfähigkeit und -willen
nutzen, so müssen sie sich darauf einstellen. Fordernde und
fördernde Projekte, ehrliches Feedback (und zwar "just in time")
sowie offene Kommunikation sind wichtig. Wenn das fehlt, kann es
krachen. Unmotiviert und frustriert verlassen die jungen Leute
das Unternehmen. Meist nach etwa 18 Monaten. Schade. Für beide
Seiten.
Kommunikation ist der Schlüssel zum Wandel.
Während die Jungen mit dem Wandel
umgehen gelernt haben, scheint in vielen Firmen die Komplexität
zur Perplexität zu führen. Restrukturierungen bestimmen die
Tagesordnung. Alles soll besser, schneller, billiger werden.
Effizienter, innovativer, durchschlagskräftiger und natürlich bis
morgen. Change ist und bleibt das Thema. Aber wohin soll der
Wandel gehen? Jeder sagt etwas anderes.
Um einen Change-Prozess sinnvoll managen zu können, braucht
es klare Ziele. Das ist leichter gesagt als getan. Ein Projekt
jagt das andere. Das alte ist noch nicht abgeschlossen, da muss
schon das neue vorbereitet werden. Durchblick zu behalten wird
immer schwieriger, manchmal fehlen sogar die Kennzahlen, denn vor
lauter Change kommt das Rechnungswesen mit den notwendigen
Umstellungen des Reportings gar nicht nach. Ein Blindflug ist die
Folge und Verantwortlichkeiten sind schwer auszumachen. Abgesehen
davon: Die Leute werden müde. Ich kenne Mitarbeiter, die
innerhalb von zwei Jahren fünf Chefs hatten. Das laugt aus. In so
einer Situation werden Fehler unvermeidbar. Manchmal mit Folgen
in dreistelliger Millionenhöhe.
Es gibt kein Patentrezept, was man dagegen tun kann.
Wichtig werden Leute, die auch mal Nein sagen. Bloß: Wer Nein
sagt, gilt oft als Verhinderer, als Bremser. Also trappen viele
mit. Was bleibt, sind Desorientierung und Müdigkeit.
Change-Prozesse werden nicht nur von Führungskräften
gesteuert, sondern in der Realität von allen Beteiligten
mitgemanagt - von Mitarbeitern, Kunden, Konkurrenten und
Beratern. Oft kommt es dabei zu Kommunikationspannen. Viele
verwechseln Kommunikation mit Information. "Wir reden doch den
ganzen Tag - warum klappt es trotzdem nicht?", heißt es dann.
Führungskräfte vergessen, dass es eben nicht funktionieren kann,
beim Breakfast Meeting 40 Folien im Querformat an die Wand zu
projizieren und dann "Noch Fragen?" in die Runde zu werfen. Bis
die Teilnehmer das verdaut haben, eilen sie schon zum nächsten
Meeting und präsentieren weitere Folien. Aber: Gesagt ist nicht
"gehört". Gehört bedeutet nicht "verstanden", verstanden nicht
"einverstanden" und "einverstanden" bedeutet noch lange nicht
"umsetzen".
Zuhören lernen.
Zuhören ist wichtiger, statt
vorschnell durchgestylte, im "wording" ausgefeilte Antworten zu
liefern - letztlich, um sich vor Auseinandersetzungen zu
schützen. Beispiel: Mobilfunk. Keiner weiß bislang, wie
gesundheitsschädigend Elektrosmog wirklich ist - trotz der mehr
als mittlerweile 20.000 Studien. Statt ehrlich darüber zu reden,
wird gesagt: Grenzwerte garantieren Sicherheit. Aber die
Verbraucher wissen intuitiv, dass das so nicht stimmt, reagieren
verunsichert, aggressiv und wütend. Statt zu blocken, müsste das
Management gemeinsam mit den verschiedenen Interessenvertretern
inklusive der Verbraucher Lösungen entwickeln. Das würde
Vertrauen stiften und mittelfristig wesentlich mehr bringen. Zum
Beispiel würde es das Klagepotenzial begrenzen, das ein wichtiger
Grund dafür ist, dass viele Versicherungen Risiken im
Zusammenhang mit elektromagnetischen Feldern nicht decken. Und
das wiederum hemmt die weitere Entwicklung.
Ähnlich funktioniert es im Unternehmen. Die herrschende
Kommunikation des Managements ist oft eindimensional. Sie
kommuniziert nur scheinbar. Die Menschen mit ihren
seelisch-emotionalen Bedürfnissen werden nicht angesprochen. Ein
Management, das sich im verbalen Baukasten der "Kommunikation"
verkapselt, statt Klartext zu reden, trägt wenig dazu bei, Kräfte
zu mobilisieren. Wie soll zum Beispiel der beschworene Teamgeist
entstehen, wenn schlechte Kommunikation die Gräben zwischen oben
und unten vertieft? Deshalb blüht Unternehmensberatung: Es fällt
leichter, wenn Dritte die heißen Kartoffeln vermeintlich aus dem
Feuer holen, als sich selbst in die direkte Diskussion zu
begeben.
Übersicht aller bereits erschienenen Beiträge der "Living at Work-Serie".
English version: PDF-File.
Betty Zucker sammelte viele Jahre Erfahrungen im Management von Banken in der Schweiz und in den USA. Von 1989 bis 1999 gehörte sie zur Geschäftsleitung des Schweizer Gottlieb Duttweiler Instituts in Rüschlikon. Als Chefin ihrer eigenen Firma berät die Ökonomin und Psychotherapeutin seit 1999 Unternehmen und politische Organisationen, die sich verändern. Ihr Buch Denn sie wissen, was sie nicht tun. Manager in turbulenten Zeiten, ist bei Ueberreuter erschienen. Ihr neuestes Buch Ganz blass vor Spaß. Manager in turbulenten Zeiten ist 2003 im Werd Verlag Zürich erschienen.
Zum changeX-Partnerportrait: Koelnmesse GmbH.
www.orgatec.de
Vom 19. bis 23. Oktober 2004 |
© changeX Partnerforum [06.08.2004] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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