Gelungener Selbstversuch
Living at Work-Serie | Folge 20 | - Wilhelm Klümper über das Büro als Chefsache.
Chefs wollen, dass ihre Mitarbeiter motiviert und produktiv arbeiten. Das hängt auch von der Arbeitsatmosphäre ab. Es ist an der Zeit, dass sich das Management stärker in die Gestaltung von Büros einklinkt. Ermutigende Beispiele gibt es bereits, zum Beispiel das "Spherion" von Deloitte & Touche in Düsseldorf. Das große gläserne Haus wirkt wie ein eigenes Hightech-Dorf, in dem die Büroarbeit etwas spielerisch Leichtes bekommt.
Die Planung von neuen Büros liegt
in der Regel in den Händen von Architekten oder Innenarchitekten.
Zwar werden dabei auch Fachhändler zu Rate gezogen, im
Mittelpunkt steht zumeist jedoch wie eh und je die Auswahl des
Mobiliars. Ganzheitliche Planung der Bürowelten, wie sie
exzellente Hersteller, Fachhändler und geschulte Büroberater
anbieten, wird immer noch zu selten nachgefragt. Auf der anderen
Seite stehen die Chefs. Sie sehen es als ihre Aufgabe, sich um
Kosten, Bilanzen, Merger, Hire and Fire, aber nicht um
vermeintlichen "Kleinkram" zu kümmern. Zum Beispiel um die Frage,
wie die Büros auszusehen haben. Das im Betrieb zu verfolgen und
zu koordinieren wird allenfalls in irgendeine Abteilung
delegiert.
Doch gute Manager wissen, welche Unternehmensziele sie
verfolgen. Dazu brauchen sie die entsprechenden Gebäude und
Arbeitsmöglichkeiten für ihre Mitarbeiter. Fähige Beschäftigte
müssen durch ein angenehmes Ambiente und optimale Bedingungen im
"Lebensraum Büro" motiviert und im Unternehmen gehalten werden:
oberstes Gebot vorausschauender Manager angesichts der
bevorstehenden demografischen Katastrophe. Kurz, es ist Zeit für
eine neue, sehr viel engere Kooperation zwischen Chef und
Architekt.
Gelungenes Beispiel: das "Spherion".
Das 22.000 Quadratmeter große
"Spherion" in Düsseldorf ist eines der raren Bürogebäude, die vom
Chef mitgestaltet wurden. Dr. Michael Göttgens, Geschäftsführer
der mit 1.000 Beschäftigten größten Niederlassung der
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte & Touche, hat
gemeinsam mit dem Düsseldorfer Architekturbüro Deilmann &
Koch das Bürogebäude von der Stunde null an geplant und
gestaltet. Mit spannendem Resultat: Das mit 3.500 Quadratmetern
größte freitragende Glasdach in Deutschland überspannt die
transparenten, gläsernen Bürogebäude und ein 30 Meter hohes
Atrium.
Warum sind Besprechungsräume zumeist kahl und wirken kühl,
fragte sich Dr. Michael Göttgens bei der Planung des Spherions.
Gemeinsam mit einem Kollegen setzte er sich eine Stunde vor eine
weiße Wand, um auf andere als die eingefahrenen Gestaltungsideen
zu kommen. "Wir wollten wissen, was passiert, wenn wir einfach
nur so dahocken." Das Ergebnis ist eine selbst entworfene
warmbraune Wandvertäfelung, in die der Flachbildschirm für
Präsentationen eingelassen ist.
Auch vermeintlich Nebensächliches selbst in die Hand zu
nehmen scheint beim Deloitte-&-Touche-Manager nichts
Ungewöhnliches zu sein, von der Bauzeichnung bis zur Klobürste
planten sie alles akribisch. Für den Architekten Jürgen Koch war
es ein Glückstreffer, mit dem Chef der späteren Büronutzer
gemeinsam ans Werk gehen zu können: "Das haben wir nicht oft,
dass wir quasi von der Stunde null an unsere Ideen ständig
rückkoppeln können. Das ist aber gut für uns Architekten, denn
wir bauen schließlich Immobilien, in denen sich Menschen und
Organisationen wohl fühlen müssen."
Vereint unter einem Dach.
Um den wirtschaftlichen Erfolg zu
sichern, setzt Deloitte & Touche auf zufriedene Beschäftigte.
"Wir sind Dienstleister und sind ohne unsere Mitarbeiter gar
nichts", sagt Göttgens. Überdies stecke sein Unternehmen eine
Menge Geld in die Schulung der Belegschaft, das verloren sei,
wenn diese nicht langfristig an den Betrieb gebunden werde.
Angesichts der demografischen Entwicklung komme hinzu, dass es in
Zukunft immer schwieriger werde, gute Leute auf dem Arbeitsmarkt
zu bekommen. "Beim Kampf um Talente wollen wir die Nase vorn
haben. Und ein Argument ist sicherlich ein attraktiver
Arbeitsplatz in einem schönen Bürogebäude."
Aber nicht allein hehre Philanthropie war Göttgens Motiv,
die Büroplanung zur Chefsache zu machen. Manager pflegen in der
Regel knallhart zu kalkulieren. So hatte sich als wenig sinnvoll
erwiesen, dass die vier Geschäftsbereiche des Unternehmens
(Steuerberatung, Corporate Finance, Managementberatung und
Wirtschaftsprüfung) unkoordiniert im gesamten Düsseldorfer
Stadtgebiet untergebracht waren. Ein Problem, das vielen
Unternehmen bekannt vorkommen dürfte - doch nicht jede Firma
findet das geeignete Gebäude, um die verstreuten Einheiten
zusammenzulegen. "Jeder Spezialist ist häufig auf das Know-how
einer anderen Abteilung angewiesen. Das kann man hier auf ganz
schnellen Wegen erledigen", so Göttgens. Und so gruppieren sich
vier siebengeschossige Baukörper, die durch verschiedenfarbige
Fassadenbänder gekennzeichnet sind, um das gewaltige,
lichtdurchflutete Atrium. Wer kurzfristig Rat vom Kollegen einer
anderen Abteilung benötigt, kann rasch über eine Brücke die
Nachbargebäude erreichen. "Alles ist hier auf schnellen, direkten
Informationsaustausch angelegt", so Göttgens. Zentrum der
Kommunikation ist jedoch das vor Wind und Wetter geschützte,
großzügige 30 Meter hohe Atrium mit Kaffeebar, Bibliothek mit
dicken Steuerrecht-Wälzern sowie Schulungs- und Konferenzzentrum.
Das durch das Glasdach einfallende Tageslicht zeichnet wechselnde
Licht-, Farb- und Schattenspiele.
Glas und Licht.
Wenngleich das Bürogebäude überaus
großzügig erscheint, ist bei der Fläche pro Mitarbeiter
eingespart worden. Verbrauchte rein rechnerisch ein Kollege vor
dem Umzug ins Spherion 23 Quadratmeter, so sind es jetzt
lediglich 15. "Diese enorme Flächeneffizienz haben wir auch durch
die vielen Glasfronten erreichen können", sagt Koch. Dadurch kann
der vorhandene Raum optimal genutzt werden, bei Mitarbeitern
unbeliebte "dunkle Ecken" gibt es keine. Denn das eindringende
Tageslicht wird überdies durch ein Lichtlenkungssystem weit in
das Innere der Büros geleitet, die mit gläsernen Trennwänden
ausgestattet sind. Bei Büroimmobilien können von der Bruttofläche
in der Regel 85 Prozent als Nettofläche genutzt werden. Im
Spherion sind es 95 Prozent.
Zeitgemäß ist im Spherion auch, das darin
unterschiedlichste Bürokonzepte verwirklicht sind - jeder sollte
bekommen, was er für seine Arbeit braucht. Es gibt die Zelle, das
Zwei- und Mehrpersonenbüro hinter Glas sowie eine stattliche
Anzahl an Besprechungsräumen. Lounge und Kaffeebar sind
Marktplätze für spontane und ungezwungene Kommunikation.
Um die Arbeitsplätze möglichst kompakt zu organisieren,
entwickelten die Architekten gemeinsam mit Göttgens eine
Workstation, die eine vertikale Organisation von Bildschirm,
Leuchte und Ablagen oberhalb des Arbeitsplatzes erlaubt. Somit
lassen sich die Schreibtische von der Wand lösen und für
Besprechungen frei in beliebigen Positionen aufstellen. Die
Büro-Trennwände sind selbstredend flexibel.
Dem Deloitte-&-Touche-Chef und den Architekten ist mit
dem Spherion ein großer Büro-Wurf gelingen. Das große gläserne
Haus wirkt wie ein eigenes Hightech-Dorf, wo die Büroarbeit etwas
spielerisch Leichtes bekommt. Hier herrscht eine Atmosphäre,
große Dinge zielstrebig anzupacken.
Aber sind die Mitarbeiter eigentlich vom Chef in seine
akribischen Planungen mit einbezogen worden? Göttgens verneint:
"Kaum, denn wer zu viel fragt, bekommt zu viele Antworten. Die
Geschmäcker sind viel zu verschieden. Und Entscheidungen zu
treffen ist mein Job."
Übersicht aller bereits erschienenen Beiträge der "Living at Work-Serie".
English version: PDF-File.
Wilhelm Klümper ist Chefredakteur der Zeitschrift Mensch & Büro.
Zum changeX-Partnerportrait: Koelnmesse GmbH.
www.orgatec.de
Vom 19. bis 23. Oktober 2004 |
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