Abschied von der One-Man-Show
Erfolg durch professionelles Delegieren - das neue Buch von Jürgen W. Goldfuss.
Die Berge von unbeantworteter Post, nicht gelesenen Infos und geheimnisvollen Notizen wachsen zu Montblanc-Höhe und dringende Termine sitzen Ihnen krakengleich im Nacken - willkommen im Hamsterrad! Zu viel Arbeit und zu wenig Zeit sorgen immer noch dafür, dass Führungskräfte schon ausgepowert sind, bevor sich ihr eigentliches Potenzial überhaupt entfalten konnte. Sicher ist: Wer sich ständig im Detail verzettelt und aus falschem Stolz meint, alles selber machen zu müssen, ist auf dem sicheren Weg ins karrieremäßige Aus.
Wer nicht abgeben kann, fürchtet sich nicht nur vor Kontrollverlust, sondern sitzt auch dem Irrglauben auf, Delegieren schade dem persönlichen Image und dem Karriereschub. Dabei übersieht er, welche enormen Chancen und Freiräume für Chef und Mitarbeiter auf diese Weise tagtäglich verbaut werden. Nur wer es schafft, da lässt der Autor keinen Zweifel, eigene Grenzen rechtzeitig zu erkennen, andere zu überzeugen und für die Übernahme neuer Aufgaben zu gewinnen, dem gelingt es auch, Wissen und Know-how auf eine breite Basis zu stellen und durch unterschiedlichste Denkansätze neue Ideen zu fördern. So entstehen nicht nur wichtige Freiräume und positive Synergieeffekte, sondern wer gezielt fordert und fördert, entdeckt bei so manchem Mitarbeiter schlummernde Talente und verborgene Potenziale.
Ressourcen ans Tageslicht.
Um so weit zu kommen, gilt es,
einige Grundregeln zu beachten, denn nur wer verinnerlicht hat,
dass Führen nicht mehr herrschen oder aufpassen bedeutet, sondern
vielmehr seine Mitarbeiter zu selbstständigem Arbeiten zu
befähigen, ist auf einem guten Weg. Aber um entscheiden zu
können, welche Aufgabe für die richtige Person zum optimalen
Zeitpunkt delegiert werden kann, sollte man seine Kollegen schon
genau kennen. Auf welche Berufserfahrung blicken sie zurück,
welche persönlichen Ziele sind ihnen wichtig, welche Hobbys
pflegen sie? Alles Informationen, die entscheidend sein können,
wenn es darum geht, verborgene Ressourcen ans Tageslicht zu holen
und festzustellen, welche Kollegen im Team besonders gut
zusammenpassen könnten. Gelingt es dem Chef dann noch, ein gut
funktionierendes Vertrauensverhältnis aufzubauen, Ziele und
Erwartungen klar zu kommunizieren und bei allem Ehrgeiz den Humor
nicht zu verlieren, dann stehen die Chancen gut, dass seine
Mitarbeiter ihm bereitwillig und motiviert zur Seite stehen.
Schließlich gewinnen auch sie durch neue Herausforderungen an
Erfahrung und Wissen.
Jürgen W. Goldfuss bietet den grundsätzlich
delegierungswilligen Führungskräften mit seinem Ratgeber die
Möglichkeit zu einer breit angelegten Bestandsaufnahme.
Zahlreiche Checklisten, Analyseinstrumente und Abbildungen sollen
dabei helfen, eine kritische Distanz zu eingefahrenen Strukturen
und Abläufen zu gewinnen und ein Gewinn bringendes Abgeben der
richtigen Aufgaben an den richtigen Mitarbeiter zu
ermöglichen.
Vorbei an den Stolperfallen.
Dabei vergisst er auch nicht, dass im wirklichen Leben die Stolperfallen und Fettnäpfchen schon reihenweise parat stehen, um beim Delegieren nach Plan für unerwartete und unangenehme Überraschungen zu sorgen. Woran zum Beispiel kann es liegen, dass Mitarbeiter eben nicht freudestrahlend in die Hände klatschen, sondern dankend ablehnen, wenn eine neue Aufgabe an sie herangetragen wird? "Die Motivation Ihrer Mitarbeiter sinkt dramatisch, wenn Sie nur Mickey-Mouse-Aufgaben' abgeben, also nur kleine, unbedeutende Tätigkeiten", warnt Goldfuss. Auch wer meint, er könnte fünf vor zwölf mal eben entscheidende Projekte an andere abtreten, hat beste Chancen, einen Korb zu bekommen, denn, so betont der Autor, "mitten im Orkan kann man niemandem die Navigation beibringen". Und wer sich nach dem Motto "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser" ständig überwachend einmischt, riskiert Unmut, denn schließlich sollte es darum gehen, Ziele zu erreichen und nicht den Weg vorzuschreiben.
Auch das Umfeld zählt.
Das, was Goldfuss als Luxusversion
des Delegierens bezeichnet, nämlich Empowerment, setzt allerdings
noch mehr voraus als nur einen gut geschulten Chef. Um wirklich
einem Stellvertreter die Verantwortung und gleichzeitig alle
Entscheidungsbefugnisse übertragen zu können, muss natürlich auch
das Unternehmen mitspielen. In einer Firma, in der immer noch
traditionelle, hierarchisch geprägte Denkmodelle im Vordergrund
stehen, ist die Gefahr groß, dass Delegieren als mangelnde
Leistungsbereitschaft oder gar Faulheit interpretiert und
abgestraft wird. So werden Angsthasen und Misserfolgsvermeider
produziert, die aus Gründen des Selbstschutzes jedes Risiko
ausschließen wollen. Schade, denn wie Goldfuss durchaus
anschaulich schildert, könnte durchaus ein Ruck durch so manche
Firma gehen, wenn Mitarbeiter in ihrer Eigenverantwortlichkeit
gestärkt würden. Schließlich dürfte es inzwischen kein Geheimnis
mehr sein, dass die Bereitschaft jedes Einzelnen, sich mit seinen
Möglichkeiten voll in ein Unternehmen einzubringen, die beste
Garantie für eine erfolgreiche Zukunft ist.
Offenheit und Transparenz bringen es zudem mit sich, dass
übergeordnete Ziele bekannt sind, sich kreative Ideen in die
richtige Richtung entwickeln können und die Mitarbeiter ihr
Know-how genau dort zur Verfügung stellen können, wo es benötigt
wird. Der Autor bezeichnet dies als Waterline-Prinzip: Entsteht
im gemeinsamen Boot ein Loch unterhalb der Wasserlinie, gilt es,
die Alarmglocke zu läuten und mit dem Abdichten zu beginnen. Wenn
jedoch kaum jemand weiß, wo sich diese Linie befindet, oder das
einströmende Wasser aus Unsicherheit gar ignoriert wird, stehen
die Chancen schlecht.
Wer nun Angst vor nassen Füßen bekommt und hektisch
anfängt, großzügig aber unüberlegt nach dem Gießkannen-Prinzip
Aufgaben zu verteilen, den fordert der Autor zu Besonnenheit und
der notwendigen Professionalität auf: "Delegieren darf nicht
zwischen Tür und Angel', im Vorübergehen geschehen, sondern muss
mit einer professionellen Übergabe- und Übernahmeprozedur
ablaufen. Delegieren heißt: Zwei Seiten schließen eine
Vereinbarung, (...) den Delegationsvertrag." Klar definierte
Verantwortlichkeiten, Zielvorgaben und Einigkeit über den
zeitlichen Rahmen sollen dabei helfen, gemeinsam voranzukommen
und einen erfolgreichen Abschluss zu erreichen.
Keine Patentrezepte.
Alles in allem präsentiert der Autor des Bestsellers Endlich Chef - was nun? mit diesem weiteren Ratgeber zwar keine Patentrezepte, dafür aber jede Menge Denkanstöße und Beispiele für diejenigen, die interessiert daran sind, individuelle Lösungen zu erarbeiten und erfolgreich auf den Weg zu bringen. Wem es gelingt, sich durch die Checklisten und die Aufgabenstellungen hindurchzuarbeiten, wird mit einer systematischen Aufschlüsselung seiner Situation belohnt. Und das könnte tatsächlich für viele der erste Schritt zu einer anderen Delegationskultur sein, die dem Einzelnen die Chance bietet, in Freiheit zu arbeiten, mit seinen Aufgaben zu wachsen und neue Fähigkeiten entwickeln zu können.
Jürgen W. Goldfuss:
Erfolg durch professionelles Delegieren.
So entlasten Sie sich selbst und fördern Ihre
Mitarbeiter,
Campus Verlag, Frankfurt/New York 2003,
203 Seiten, 17.90 Euro
ISBN 3-593-37210-X
www.campus.de
Petra Günzel ist freie Mitarbeiterin von changeX.
Zum changeX-Partnerportrait: Campus Verlag.
© changeX Partnerforum [09.12.2003] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
changeX 09.12.2003. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
Artikeltags
Campus Verlag
Weitere Artikel dieses Partners
Mit harten Bandagen. Die Autobiografie - das neue Buch von Carly Fiorina. zur Rezension
Der Unternehmer als Chef, Manager, Privatperson - das neue Buch von Peter May. zur Rezension
Der gewinnorientierte Manager - das neue Buch von Hermann Simon, Frank F. Bilstein und Frank Luby. zur Rezension
Zum Buch
Jürgen W. Goldfuss: Erfolg durch professionelles Delegieren. So entlasten Sie sich selbst und fördern Ihre Mitarbeiter. Campus Verlag, Frankfurt am Main / New York 2003, 203 Seiten, ISBN 3-593-37210-X
Buch bestellen bei
Osiander
genialokal
Amazon