"Rosy" und die Entdeckung der DNA

Rosalind Franklin, die neue Biografie von Brenda Maddox.

Von Nina Hesse

Ohne die brillanten Röntgenfotos der jungen Physikerin wäre es James Watson nicht geglückt, die Struktur der DNA zu enträtseln. Doch in die Geschichte ist Rosalind Franklin als diejenige eingegangen, die die Entdeckung erst einmal verhinderte. Ihre Biografin schildert die Ereignisse aus ihrer Sicht.

Wenn man in einem Sachbuch-Bestseller als aggressives Biest verewigt worden ist, hält sich das üble Image lange. Als Die Doppel-Helix, James Watsons Bericht über die Entdeckung der Struktur des Erbguts erschien, war "the dark lady of DNA", Rosalind Franklin, schon nicht mehr am Leben und konnte sich nicht mehr wehren. Auch nicht dagegen, dass sie später zu einer feministischen Ikone erhoben wurde. Brenda Maddox Biografie hat sich nun auf die Fahne geschrieben, die berühmten Szenen, die sich bei der Entdeckung der DNA-Struktur abspielten, auch mal aus ihrer Perspektive zu erzählen. Herausgekommen ist nicht nur eine spannende neue Sichtweise auf die berühmten Geschehnisse und das Porträt einer außergewöhnlichen Frau. Sondern auch der faszinierende Bericht darüber, welche aberwitzigen Hindernisse begabte junge Frauen noch vor wenigen Jahrzehnten überwinden mussten, um in der Wissenschaft arbeiten zu können. Eines kann und will Maddox gar nicht bestreiten: Rosalind war eine schwierige Persönlichkeit. Sie war streitbar und eigensinnig, hatte eine scharfe Zunge und eine oft überhebliche Art. Doch vielleicht waren es genau diese Eigenschaften, mit denen es die intelligente junge Frau schaffte, sich in die Männerdomäne Physik vorzuarbeiten?

Ein Mädchen boxt sich durch.


Rosalind wuchs in England auf, sie war der Spross einer wohlhabenden jüdischen Familie. Schon mit sechs Jahren löste sie zum Spaß komplizierte Rechenaufgaben - und zwar richtig. Den Franklins war es fast peinlich, dass nicht einer ihrer drei Jungen, sondern das kleine Mädchen der gescheiteste ihrer Sprösslinge war. Mit neun Jahren wurde Rosalind ins Internat verfrachtet. Mit Ehrgeiz und Wissensdurst schaffte es das hübsche, sportliche Mädchen dort zur Klassenbesten, besonders in den Naturwissenschaften. In weiser Voraussicht schickte ihr Vater sie auf eine Schule, die Mädchen auf einen Beruf vorbereitete - was damals längst nicht selbstverständlich war.
Rosalind hatte sich in den Kopf gesetzt, in Cambridge Physik zu studieren. Damals wurden Frauen nicht als Universitätsangehörige und vollwertige Studenten akzeptiert; sie durften zwar studieren, bekamen aber bei ihrem Abschluss keinen akademischen Grad dafür. Es gab eine Frauenquote - aber die legte fest, dass der Anteil der weiblichen Studenten zehn Prozent nicht überschreiten durfte! Zu den traditionellen Festessen der Fakultät waren Frauen nicht zugelassen. In Amerika war es damals nicht besser. So musste eine Physikerin, die eingeladen worden war, den Beschleuniger der Uni Princeton zu benutzen, das Experimentiergebäude im Schutze der Nacht betreten, weil Frauen dort keinen Zutritt hatten (angeblich stellten sie eine Ablenkung dar).
Rosalind scherte sich nicht darum. Auch nicht darum, dass der Krieg begonnen hatte und ständige Alarme und die Flucht in den Luftschutzkeller zum Alltag gehörten. "Die schlechtesten Kriegsnachrichten fielen mitten in die Vorbereitungen für den wichtigen ersten Teil ihres Examens", berichtet Brenda Maddox. Rosalinds Spezialgebiet wurde die Röntgenkristallographie - den Aufbau von Molekülen mit Hilfe von Röntgenstrahlen zu untersuchen.

Das schlechteste Team der Wissenschaftsgeschichte.


Ehrlich, hartnäckig, aber auch temperamentvoll und rechthaberisch, so blieb Rosalind ihren Kommilitonen im Gedächtnis. Sie erwies sich als brillante Experimentatorin. Romantik interessierte sie dagegen nicht besonders, ihre Ansichten waren eher puritanisch. "Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, wie man mit Männern umgeht und wie man es anfängt", seufzte eine ihrer Freundinnen. Das wurde anders, als sie eine Stelle an einem Laboratorium in Paris annahm (wo es ihr ausgesprochen gut gefiel). Sie verliebte sich hoffnungslos in ihren Chef Jacques Mering und war lange mit ihm befreundet. Zudem wurden Frauen nun, im Jahr 1948, von der Universität Cambridge endlich als Universitätsangehörige anerkannt, ehemalige Studentinnen wie Rosalind bekamen rückwirkend ihren akademischen Grad verliehen. Es war eine gute Zeit für Rosalind.
Die Wende kam, als sie mit einem Stipendium nach England zurückkehrte. Sie hatte inzwischen eine Abneigung gegen alles Englische entwickelt, haderte mit ihren Kollegen und fühlte sich am King's College überhaupt nicht wohl. Sie wurde von ihrem Chef dem Forschungsgebiet Biophysik und der aufregenden Arbeit an den Erbgutmolekülen zugewiesen. Doch dieser Chef beging auch den großen Fehler, sie mit dem auf dem gleichen Gebiet forschenden, stillen und zurückhaltenden Maurice Wilkins zusammenzuspannen. Die Atmosphäre zwischen den beiden verschlechterte sich schnell - sie konnten sich schlicht nicht ausstehen. Schließlich kam es über Zuständigkeitsfragen zum offenen Zerwürfnis, es gab keine Kommunikation mehr zwischen den beiden. Die Idee der Doppel-Helix lag förmlich in der Luft, doch die Forscher am King's College waren zu sehr damit beschäftigt, sich untereinander zu bekämpfen. Anfang 1953 kündigte Rosalind endlich. Genau in dem Jahr, in dem das Rennen um die DNA in die heiße Phase ging. Wilkins schrieb hochgestimmt an einen Kollegen: "... die dark lady verlässt uns nächste Woche und ich plane eine Generaloffensive auf die geheimen Festungen der Natur ... endlich können wir mit voller Kraft loslegen!" Doch es war schon zu spät. Goodbye Nobelpreis!

Keine Chance ohne ihre Fotos.


Rosalind fertigte in aufwendiger Arbeit die Röntgenfotos an, die zur Grundlage der berühmten Entdeckung wurden. Erbgutmoleküle zu fotografieren erforderte einen komplizierten Versuchsaufbau und Belichtungszeiten bis zu 100 Stunden. Watson und Crick, denen es schließlich gelang, die Struktur der DNA zu entschlüsseln, experimentierten nicht selbst, sondern profitierten von den Anregungen aus dem King's College und tüftelten an Modellen herum. Ohne Rosalinds Wissen bekam James Watson eines ihrer Fotos zu sehen, das bei ihm die zündende Idee auslöste. Sie selbst glaubte nicht an eine Helixstruktur und mochte Spekulationen nicht. Während sie noch nach handfesten Beweisen suchte, erkannten Watson und Crick intuitiv das Geheimnis der Doppelspirale.
Watson kommt nicht sehr gut weg bei Maddox. Sie porträtiert ihn als linkisch und schlampig, ein Typ, der trotz seiner Versuche keinen Erfolg bei Frauen hat. Einer, der die Forscher am King's College nervt, weil er dort oft neugierig herumhängt. Über Rosalind stellte er so manche Vermutung an und lag jedes Mal daneben. Ein interessanter Kontrapunkt zu Watsons eigenem, sehr persönlichen Bericht.
Rosalind erfuhr nicht, welche Rolle ihre Fotos bei der Entdeckung der DNA-Struktur gespielt hatten, und auch die Öffentlichkeit bekam davon so gut wie nichts mit. Die junge Physikerin war glücklich in ihrem neuen Job, ihr Team war ihr ganzer Stolz und ihre Ersatzfamilie. Sie hatte Erfolg als Forscherin. Doch dann kam der Krebs, 1956 wurden bei ihr zwei große Tumore diagnostiziert. Sicher auch, weil sie bei ihrer Arbeit mit der Röntgenstrahlung viele Sicherheitsvorkehrungen missachtet hatte. Sie lebte noch zwei Jahre, ließ sich die Krankheit lange nicht anmerken. Sie starb mit nur 38 Jahren und erlebte es nicht mehr mit, dass Watson und Crick der Nobelpreis verliehen wurde. Immerhin: Heute ist nicht nur ihr Beitrag zur Verhinderung dieser Leistung bekannt, sondern auch ihr wissenschaftlicher Anteil an der Entdeckung.

Brenda Maddox:
Rosalind Franklin.
Die Entdeckung der DNA oder der Kampf
einer Frau um wissenschaftliche Anerkennung,

Campus Verlag, Frankfurt/New York 2003,
308 Seiten, 25,60 Euro,
ISBN 3-593-37192-8
www.campus.de

Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.

© changeX Partnerforum [08.05.2003] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.


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: Rosalind Franklin. . Die Entdeckung der DNA oder der Kampf einer Frau um wissenschaftliche Anerkennung. . Campus Verlag, Frankfurt/New York 1900, 308 Seiten, ISBN 3-593-37192-8

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