Wir sind Umsetzungszwerge
"Das (noch) Unmögliche denken" ist das Leitmotiv der Konferenz Ideenmanagement in Hamburg. In einer Reihe von Interviews geben die Referenten einen Ausblick auf ihren Vortrag. In Folge 1 Prof. Dr. Waldemar Pelz.
Prof. Dr. Waldemar Pelz ist Professor für internationales Management und Marketing an der Technischen Hochschule Mittelhessen in Gießen. Auf der Konferenz Ideenmanagement spricht er zum Thema "Umsetzungskompetenz im Ideen- und Innovationsmanagement. Was wir von innovativen Unternehmern lernen können".
Herr Pelz, Sie nennen Ideen- und Innovationsmanagement in einem Atemzug. Schaut man in die Literatur, sind das zwei getrennte Bereiche - da geht es entweder um Ideen- oder um Innovationsmanagement. Ist das auch in den Unternehmen so?
Diese Trennung besteht, wie Sie es treffend bemerkt haben, vorwiegend in den Lehrbüchern. In der Praxis innovativer Unternehmen kennt man diese Unterscheidung kaum. Es gilt der Grundsatz: Ohne Ideen keine Innovationen und ohne Innovationen keine (relevanten) Ideen.
Wie sieht die Praxis aus?
Aus unserem Forschungsprojekt, bei dem wir viele Gespräche mit Geschäftsführern mittelständischer Weltmarktführer - "Hidden Champions" - geführt haben, konnten wir lernen, dass es sich um einen kontinuierlichen Prozess handelt, bei dem kein Glied in der Kette fehlen darf. Diese Kette beginnt mit der Suche nach Ideen und endet mit der Erfolgskontrolle der implementierten Idee.
Zu Ihrem Vortrag: Was genau ist unter "Umsetzungskompetenz" zu verstehen?
Es ist die Fähigkeit, Chancen, Absichten und Ideen in messbare Resultate umzusetzen. An "guten" Ideen hat es noch nie gefehlt; schließlich ist die menschliche Kreativität eine der wenigen unerschöpflichen Ressourcen. Der wichtigste Engpass ist immer die Umsetzung, also die Überwindung typischer menschlicher "Schwächen". Deswegen sagt der Volksmund so oft: "Wir sind Wissensriesen, aber Umsetzungszwerge."
Und Sie sagen, diese Umsetzungskompetenz ist im Management meist unterbelichtet?
Ja, das ist sie. Nach einer Studie der Uni St. Gallen und der London Business School verfügen nur rund zehn Prozent aller Manager über diese Fähigkeit. Das zeigen auch unsere Forschungsprojekte. Umsetzungsstarke Manager erkennen, worauf es ankommt, und verzetteln sich nicht; sie fokussieren ihre ganze Aufmerksamkeit und ihre Emotionen bewusst auf ein Ziel, das einen tieferen Sinn hat als nur Ansehen, Geld, Karriere oder (technisches) Interesse. Sie folgen einer unternehmerischen Ethik, bei der materieller Erfolg (notwendige) Folge und nicht Ziel der Arbeit ist. Umsetzungsstarke Manager sind - zu Recht - von ihren Fähigkeiten überzeugt, haben ein starkes Durchhaltevermögen und können sehr effizient mit unvermeidlichen Rückschlägen und emotionalen Belastungen umgehen.
Kann man Umsetzungskompetenz lernen?
Ja, das kann man. Voraussetzung ist eine professionelle Diagnose der genannten Kompetenzen. Dazu haben wir einen Test entwickelt und mit rund 10.000 Teilnehmern validiert. Jede der fünf Teilkompetenzen ist durch acht konkrete und beobachtbare Verhaltensbeschreibungen definiert. Der Test zeigt, welche dieser Verhaltensweisen man zur täglichen Gewohnheit machen sollte, bis man ein "Umsetzungsriese" wird. Und das lohnt sich. Umsetzungsstarke Menschen sind sowohl finanziell als auch persönlich wesentlich erfolgreicher als der Durchschnitt. Ein Beispiel: Zur Umsetzungsstärke gehört die Fähigkeit, sich selbst (und andere) in eine positive Stimmung zu versetzen. Dazu gibt es mindestens 100 Methoden, die nachweislich funktionieren. Und man fragt sich, warum dies so selten praktiziert wird.
"Was wir von innovativen Unternehmen lernen können", lautet der zweite Satz im Titel Ihres Vortrags - gibt es hierzu eine Kernbotschaft?
Neben der Umsetzungskompetenz ist es die effektive Organisation des Innovationsprozesses - also das, was Innovationsführer "schon immer" machen. Wenn jemand behauptet, es gäbe etwas wirklich Neues im Innovationsmanagement, dann wäre er ein Kandidat für den ersten Nobelpreis für Betriebswirtschaft, den es nicht gibt, weil alles, was man über Management wissen kann, schon lange bekannt ist - man muss es nur tun.
Welche weiteren Lektionen lassen sich der Praxis innovativer Unternehmen entnehmen? Erzählen Sie uns ein Beispiel?
Man könnte es die Zehn Gebote des Innovationsmanagements nennen. Zum Beispiel hat der Geschäftsführer eines erfolgreichen Unternehmens das siebte Gebot wie folgt formuliert: "Wir leben von neuen Produkten, und das heißt, der Bedarf kann noch gar nicht geweckt worden sein, weil der Kunde noch nicht weiß, dass man in der Richtung denken kann." Oder nehmen Sie das fünfte Gebot: "Im Innovationsteam sind Entwickler, Produktmanager und Vertriebsmitarbeiter dabei, also die Schlüsselpersonen - dann kommen noch Einkäufer, Produktion und Arbeitsvorbereitung dazu."
Besonders bemerkenswert ist das neunte Gebot: "Wir geben die Informationen über die Ziele an die Mitarbeiter weiter. Nur so entstehen ja die Ideen, die dann umgesetzt werden." Diese Aussage ist deswegen so bemerkenswert, weil nach seriösen Schätzungen nur rund ein Viertel der Innovationsmanager und der oberen Führungskräfte die Unternehmensziele kennt und deren Sinn versteht.
Noch mal nachgefragt: Gibt es bei diesen innovativen Unternehmen eine Kluft zwischen Ideen- und Innovationsmanagement oder ist das kein Thema?
Eindeutig kein Thema. Bei sehr großen Unternehmen kann es sinnvoll sein, diese Bereiche rein organisatorisch zu trennen. Dann muss man aber mit allen Mitteln verhindern, dass sie ein Eigenleben entwickeln und Ideen zum Selbstzweck werden.
Beispiel: In einem Unternehmen wurden in fünf Jahren rund zehn neue Alternativen zum klassischen Lenkrad entwickelt, und keiner der Entwickler hatte jemals einen Kontakt zu (potenziellen) Kunden. Vielmehr hat man jahrelang über die Nützlichkeit theoretisiert und unzählige Studien und Berechnungen angestellt nach dem Motto "Analyse bis zur Paralyse".
Wohin geht die Entwicklung beim Ideen- und Innovationsmanagement? Welches sind die Herausforderungen der nächsten, sagen wir fünf Jahre?
Es scheint sicher zu sein, dass der Druck und die Erwartungen an die Leistungsfähigkeit der Unternehmen und ihrer Mitarbeiter drastisch zunehmen werden, weil die Gesundheits-, Sozial- und Energiekosten kaum zu bremsen sind. Die Lösung kann nur aus der unerschöpflichen Ressource Kreativität kommen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der derzeitige Konjunkturaufschwung erlahmt und die strukturellen Probleme wieder ins Bewusstsein rücken.
Das bereitet Ihnen Sorge?
Sorge bereiten mir nicht die innovationsfähigen Unternehmen. Und die schwächeren werden gezwungen sein, das zu praktizieren, was der gesunde Menschenverstand erfordert; die Krise wird hier zur Chance. Sorge bereiten mir fehlende Basisinnovationen und Technologien, die von Unternehmen nicht finanzierbar sind. Und hier liegt das Kernproblem bei den staatlich gelenkten, bürokratisch und behördenartig organisierten Hochschulen in Deutschland. Für diese Organisationen gibt es weder einen "Zwang" noch einen wirksamen Anreiz, ihren gesellschaftlichen Auftrag besser zu erfüllen. Eine Lösung dieses Problems erfordert ein Verantwortungsbewusstsein, das über eine Wahlperiode hinausgeht.
changeX 21.02.2014. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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changeX RedaktionEin Beitrag der changeX-Redaktion.