Erdung der Sinne
Flipcharts gestalten ist nicht jedermanns Sache. Nicht wenige lassen die Finger davon, weil sie sich das Malen mit dem dicken Stift nicht zutrauen. Doch das analoge Medium Flipchart fokussiert die Aufmerksamkeit der Zuhörer und regt ihre Gedanken an. Eine Einführung zeigt, wie man’s lernen kann.
Das kann ich doch nie! Viele schon haben vor dem Anspruch kapituliert, ansprechende Flipcharts zu gestalten. Haben entnervt aufgegeben. Oder gar nicht erst angefangen. Zu krakelig die Schrift, zu unrund die Gestaltung. Und überhaupt: Wie hält man eigentlich den Marker mit der breiten, angeschrägten Spitze?
Dabei gibt es gute Gründe, sich nicht so schnell ins Bockshorn jagen zu lassen. Ein solcher Grund ist das neue Buch Flipchartdesign von Janine Lancker.
Anders als manch andere Ratgeber bietet dieses Buch eine Einführung wirklich von Grund auf. In Theorie und Praxis, ansprechend geschrieben und illustriert.
Einführung von Grund auf
Die Theorie: Die Einleitung und das erste Kapitel bieten eine Reflexion zum Thema Visualisierung, gerade in Zeiten digitalen Wandels. "Die radikale Verdichtung unseres Alltags hat starke Auswirkungen auf die Art und Weise, wie wir Informationen aufnehmen und verarbeiten", sagt Lancker. Und begreift das auch als Chance: In Anbetracht digitaler Reizüberflutung bedeute das Zurückgreifen auf analoge Medien "eine Erdung unserer Sinne", schreibt sie: "Das analoge Medium Flipchart ist in der Lage, die Aufmerksamkeit der Menschen im Raum zu fokussieren, Denkprozesse auf kreative Weise anzuregen und Informationen im Langzeitgedächtnis abzulegen."
Wie man das erreichen kann, ist Gegenstand des Buches. Und "man", das ist dem Anspruch der Autorin nach wirklich jeder. Ein Buch, das ermuntert. Und Spaß bereitet, damit zu arbeiten.
Das Geheimnis des Keilspitzenmarkers
So wendet sich die Praxis vor allem an Beginner ohne Vorerfahrung. Ein "Schnellpfad" richtet sich an Neulinge in der Gestaltung von Flipcharts, die "in kürzester Zeit ein Thema auf dem großformatigen Papier gekonnt darstellen möchten". Auf jeweils wenigen Seiten bietet die Autorin eine Einführung in Regeln zur Gestaltung von Flipcharts und zeigt, was ein ansprechendes Schriftbild ausmacht, wie man Überschriften schreibt, den Inhalten einen Rahmen gibt und Layouts für Themenfelder gestaltet. Nach knapp 80 Seiten sollte man dann so weit sein, textbasierte Flipcharts - also solche ohne gezeichnete figürliche Bildelemente - auf ansprechende Weise gestalten zu können. Dem Zeichnen am Flipchart widmet sich dann das folgende Kapitel. Mit einem gezeichneten Willkommensplakat auf Seite 130 ist man dann bereits durch auf dem Schnellpfad. Der Rest ist eine Sache der Übung.
Noch einmal: Einführung von Grund auf heißt in diesem Fall wirklich von Grund auf. Sicher identifiziert die Autorin die erste Hürde, an der Einsteiger scheitern können. Das ist eben nicht das Malen von Buchstaben, sondern - banaler noch - das richtige Halten des Stifts. Wie man mit einem Marker mit Keilspitze schreibt, erklärt sich eben nicht von selbst. Bei Lancker erfährt man es. In Text und Bild: Ein einfacher Strichtest visualisiert, wie der Stift gehalten und übers Papier geführt wird. Und wer dabei schnell verkrampft, für den hat die Autorin einen guten Ratschlag parat: "Stellen Sie sich vor, Sie halten ein kleines Tier, das Ihnen nicht weglaufen darf, aber auch Luft zum Atmen braucht."
Für Offenheit und Toleranz
Die folgenden Kapitel erweitern die zeichnerische Gestaltung auf szenische Darstellungen sowie auf Dialoge und Gesichter für Mediation, Coaching und Inklusion. Das letzte Kapitel führt dann ein in die hohe Kunst des simultanen Zeichnens, bekannt auch als Graphic Recording oder Graphic Facilitation. Wobei die Autorin auch hier betont, dass das so schwierig nun auch wieder nicht sei.
Lancker ermutigt jedenfalls dazu, die Live-Illustration, wenn man dann das Buch durchgearbeitet hat, doch einmal im kleinen Kreis zu versuchen. Sie rückt auch nicht das Zeichentalent oder eine schnelle Auffassungsgabe in den Mittelpunkt, sondern die Haltung: Professionelles Mitzeichnen ist für sie eine Frage der grundsätzlichen inneren Einstellung zur eigenen Person und zu anderen Menschen. Drei Aspekte sind ihr wichtig: eine unvoreingenommene, offene, wohlwollende Haltung einnehmen, den inneren Kritiker ausschalten, und eins werden mit dem Inhalt des Vortrags.
Überhaupt sind Lancker Werte wichtig. Sie schreibt: "Mein Ansatz steht für Offenheit und Toleranz." Er schließt an die Moderationsmethode an, die auf Beteiligung und Teilhabe setzt.
Zitate
"Professionell gestaltete Flipcharts sind kein ästhetischer Luxus. Es geht nicht darum, Ihre Präsentation ‚aufzuhübschen‘." Janine Lancker: Flipchartdesign
"Sie können in einer Präsentation nicht nicht auf visueller Ebene kommunizieren." Janine Lancker: Flipchartdesign
"Das Ziel jeder Visualisierung sollte es sein, die Wahrnehmung der anderen Menschen zu aktivieren, ihre Aufmerksamkeit zu fokussieren und so einen Prozess der Gedankenbildung in Gang zu setzen." Janine Lancker: Flipchartdesign
"Wenn Sie einmal das Prinzip der Keilspitze verstanden haben, wird es Ihnen Freude bereiten, damit zu schreiben: Die Linien erhalten dann einen sehr ausdrucksstarken Charakter, kräftige, breite Striche laufen an runden Stellen zart aus, gerade Striche enden in dynamischen Schrägen." Janine Lancker: Flipchartdesign
changeX 27.04.2018. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Zum Buch
Janine Lancker: Flipchartdesign. Schreiben und Zeichnen nach der fliplance®-Visualisierungsmethode. Beltz Verlag, Weinheim 2017, 273 Seiten, 34.95 Euro (D), ISBN 978-3-407-36638-2
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