Flucht aus Schema F

Raus aus Schema F - das neue Buch von Gitta Jacob
Rezension: Katja Reichgardt

Wohl jeder benimmt sich mal daneben. Reagiert übertrieben, fährt aus der Haut, tritt auf, dass er sich im Nachhinein über sich selbst wundert. Wirklich schlimm ist das meist nicht. Schlimm ist, sagt eine Psychotherapeutin, dass es immer wieder die gleichen Reaktionsmuster sind, dass wir immer wieder dieselben Fehler machen, dass wir scheinbar gar nichts dazulernen. In ihrem Buch weist sie den Weg raus aus solchen Schema-F-Momenten.

cv_jacob_140.jpg

Egal, ob in einer Partnerschaft, im Berufsalltag oder während Familientreffen - immer wieder geraten wir in Situationen, in denen wir uns widersprüchlich verhalten. Im Nachhinein empfinden wir die gezeigte Reaktion dann selber als übertrieben und peinlich und ärgern uns über unser Verhalten. Jeder kennt das wohl. Doch während einige aus solchen Fehlern lernen und bei der nächsten kritischen Situation besonnener reagieren, fällt es anderen sehr viel schwerer, aus ihren gewohnten Verhaltensmustern auszubrechen und sich weiterzuentwickeln. Warum ist das so? Wieso sind es immer wieder die gleichen Reaktionsmuster, die Ärger machen? Und wie lassen sich solche Schema-F-Momente vermeiden? 

Gitta Jacob, eine der einflussreichsten deutschen Psychotherapeutinnen, zeigt in ihrem neuen Ratgeber, wie sich mit solchen schädlichen Mustern brechen lässt - wie die Flucht aus Schema F gelingen kann. Dabei hat die Autorin ein eingängiges Beispiel gefunden: Sie vergleicht die Seele des Menschen mit einem gut gefüllten Kleiderschrank, in dem sich über die Jahre neben einigen Lieblingsteilen auch hässliche, ungeliebte Kleidungsstücke angehäuft haben - Stücke, die wir nie zu tragen wagen. Da ist dann ausmisten gefragt. Gitta Jacob sagt nun: Genauso wie der Kleiderschrank lässt sich auch die Seele "ausmisten".


Ursprung in der Kindheit


Hier kommt nun der Ansatz der Schematherapie zum Tragen. Viele Handlungsweisen nach Schema F haben demzufolge ihren Ursprung in der Kindheit. Hier erlebte Ausgrenzung, Vernachlässigung oder Unsicherheit bahnt sich auch im Erwachsenenalter immer wieder ihren Weg in die Gefühlswelt. Eltern können solche Gefühle genauso prägen wie Freunde oder Geschwister. Dabei gibt es hier unterschiedliche Modi, die sich in unterschiedlichen Mustern manifestieren. Gitta Jacob und andere Vertreter der Schematherapie sprechen von "Kind-" oder "Elternmodi". Menschen, bei denen diese Verhaltensweisen besonders ausgeprägt sind, fühlen sich schnell angegriffen oder ausgegrenzt. Sie reagieren dann - statt überlegt und erwachsen - mit Wut und Trauer, wie Kinder eben.  

Jacob beschränkt sich aber nicht nur auf die Analyse solcher Verhaltensmuster. Sie begreift die Erkenntnis der eigenen Schwächen als ersten Schritt zu einem besseren Ich. Kurz gesagt: Wer sein inneres Schema erkennt, kann emotionale Balance finden und die eigene Persönlichkeit besser entfalten.


Wege raus aus Schema F


Um emotionale Stolperfallen zu umgehen und das, für die widersprüchlichen Reaktionen verantwortliche Kind in einem zu entdecken, gilt es zunächst, kritische Situationen Revue passieren zu lassen. Wer in der Liebe oder im Beruf immer wieder die gleichen Fehler macht, findet in Jacobs Buch anschauliche Beispiele für typische Verhaltensmuster.  

Wer etwa als Kind oder als Jugendlicher einen Elternteil durch Scheidung oder Tod verloren hat, hat auch oft im Erwachsenenalter mit Verlustängsten zu kämpfen, die sich in irrationalen Wutausbrüchen äußern können, beispielsweise, wenn man sich vom Partner oder der besten Freundin vernachlässigt fühlt. Wer wiederum von seinen Eltern verwöhnt wurde und überbehütet aufgewachsen ist, verlässt sich oftmals auch später bei Problemen auf andere (anstelle der Eltern), statt die Dinge selber in die Hand zu nehmen.  

Anhand zahlreicher lebensnaher Beispiele wie diesen lassen sich eigene Kindmodi einschätzen und bestimmen. Oder um es mit Jacobs Kleiderschrankmetapher zu sagen: lässt sich die Kleidersammlung genau inspizieren. Aber wie trennt man sich von den ungeliebten Kleidungsstücken, den schädlichen Mustern unserer Kindmodi? Jacob liefert auch dafür die passenden Anleitungen und Checklisten, mit deren Hilfe eine Annäherung an das innere Kind und an die unangenehme Trigger-Situation möglich werden soll. Am Ende der Reise soll ein Bewusstsein für die eigenen Stärken und ein neues Selbstbewusstsein stehen, das so gar nicht in das Schema F passt.


Authentische Berichte und Beispiele aus dem Alltag


Fazit: Gitta Jacob konnte bereits mit ihren vorherigen Büchern ein Bewusstsein für die moderne Schematherapie schaffen. Deren Etablierung wird sie auch mit ihrem neuen Buch weiter vorantreiben. Der Leser wird in Raus aus Schema F aber keineswegs mit psychologischen Fachwörtern überhäuft. Stattdessen führt Jacob langsam und anhand authentischer Berichte und Beispiele aus dem Alltag an das Thema heran.  

Mit Zusammenfassungen, Checklisten und Lösungsvorschlägen zeigt sie anschaulich, welche Kindmodi es gibt, und bringt Beispiele, wie sie jedem aus seinem Alltag geläufig sind. So begegnet man in ihrem Buch Verhaltensmustern, die man von sich selbst, von Freunden, Familienmitgliedern oder Arbeitskollegen kennt - und so besser einzuordnen lernt. Die geradlinige Sprache und die zahlreichen Praxisberichte und -beispiele machen das Lesen zu einem kurzweiligen Vergnügen mit Lerneffekt.  


Zitate


"Warum können wir nicht anders? Das Problem ist nicht, dass wir hin und wieder scheitern und uns danebenbenehmen. Scheitern ist nicht schlimm. Scheitern gehört zur Entwicklung des Menschen wie Sonne und Wasser zum Wachsen von Geranie und Gummibaum. Schlimm ist, dass solches Scheitern immer wieder in ähnlicher Weise geschieht, dass wir immer wieder dieselben Fehler machen, dass wir scheinbar gar nichts dazulernen." Gitta Jacob: Raus aus Schema F

"Dabei gibt es Strategien, mit denen wir die Kontrolle zurückgewinnen können: Wege aus der Zwangsjacke. Bewährte Methoden, die Ihnen helfen, die eigene Persönlichkeit zu entfalten - in diesem Buch werden sie beschrieben. Wenn Sie diesen Weg mit mir einschlagen möchten, heißt die erste Station: Selbsterkenntnis." Gitta Jacob: Raus aus Schema F

"So wie wir Kleider besitzen, in denen wir uns wohlfühlen, so haben wir alle auch innere Anteile, die weder unreif (Kindmodi) noch unangemessen (Elternmodi) sind, sondern gesund. Orientieren wir uns an dieser Vorgabe, gelingt es uns, unser Leben gut zu organisieren, die richtigen Entscheidungen zu treffen, Probleme zu lösen und Beziehungen zu pflegen." Gitta Jacob: Raus aus Schema F

 

changeX 14.06.2017. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

Artikeltools

PDF öffnen

beltz

Verlagsgruppe Beltz

Weitere Artikel dieses Partners

Das soziale System im Blick

Ein Interview mit den Autorïnnen des Mini-Handbuchs Systemisches Coaching zum Interview

Spielend nachdenken

Was bitte ist ein Soziodrama? - ein Interview mit Christoph Buckel, Uwe Reineck und Mirja Anderl zum Interview

Die Kraft innerer Bilder

Olaf-Axel Burow und Christel Schmieling-Burow über das Potenzial innerer Bilder zum Interview

Ausgewählte Links zum Thema

Quellenangaben

Zum Buch

: Raus aus Schema F. Psychische Muster erkennen und die eigene Persönlichkeit entfalten. Beltz Verlag, Weinheim und Basel 2017 2017, 259 Seiten, 16.95 Euro (D), ISBN 978-3-407-86451-2

Raus aus Schema F

Buch bestellen bei
Osiander
genialokal
Amazon

Autorin

Katja Reichgardt
Reichgardt

Katja Reichgardt ist freie Journalistin in Berlin. Sie schreibt als freie Mitarbeiterin für changeX.

nach oben