Führen lässt sich lernen

Einstieg in die Führungsrolle - der Ratgeber von Helmut Hofbauer und Alois Kauer
Rezension: Jost Burger

Wer in eine Führungsposition kommt, braucht jede Menge Hilfe und praktische Ratschläge. Denn die ersten 100 Tage sind nicht nur für das Ansehen einer Regierung entscheidend, sondern auch für Leute, die zum ersten Mal ein Team, eine Abteilung oder eine Filiale leiten.

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Die erste Aufgabe mit Führungsverantwortung - das klingt oft glamouröser, als sich die frisch Beförderten fühlen. Der Chef will Ergebnisse sehen, die Kunden erwarten Kontinuität, wer gerade noch Kollege war, ist verunsichert - und wie man das alles meistern soll, weiß man selbst nicht so recht. Dabei ist es gerade zu Beginn einer solchen Aufgabe wichtig, das Richtige zu tun. Zu schnell werden in solchen Situationen die Weichen falsch gestellt.  

Das wissen auch Helmut Hofbauer und Alois Kauer. Mit ihrem - nunmehr in der vierten Auflage vorliegenden - Ratgeber Einstieg in die Führungsrolle. Praxisbuch für die ersten 100 Tage haben sie ein Standardwerk für frischgebackene Führungskräfte geschaffen, das sich diesen Herausforderungen widmet. Nicht im Allgemeinen und Grundsätzlichen, sondern konkret und praxisnah. Oder in den Worten der Autoren: "Dieses Buch bietet Modelle, Empfehlungen und Hinweise sowie Tools und Checklisten." Damit könne die angehende Führungskraft ihre Entscheidungsgrundlagen analysieren - aber: "Die Schlussfolgerungen für Ihre Handlungen und Entscheidungen müssen Sie am Ende für sich treffen."


Leitplanken fürs handelnde Denken


Sprich, das Buch bietet jede Menge Leitplanken fürs handelnde Denken. Über die Kapitel "Sie gehen in Führung" und "Startvorbereitung" beziehungsweise dem "Startblock", dem anschließenden "Sprung ins Wasser", der "Reifeprüfung" und schließlich dem "Boxenstopp" folgt es dem inneren und äußeren Prozess der ersten 100 Tage in der neuen Verantwortungsposition.  

Konkrete Beispiele? Kapitel eins - "Sie gehen in Führung" - etwa stellt die Frage, was gute Führungskräfte eigentlich ausmacht. Man erwartet seitenweise Visionen. Mitnichten: Auf wenigen Seiten werden Kompetenzen wie Fachkompetenz, Methodenkompetenz oder soziale Kompetenz dargestellt und die nötigen persönlichen Eigenschaften abgehandelt - wie zum Beispiel die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen oder eine gewisse Kontinuität und Integrität im Handeln. Der entscheidende "Tipp"-Kasten jedoch hat zur Aussage: Kein Mensch kann das alles. Bringen Sie die Anforderungen der Stelle und ihre eigene Persönlichkeit in Deckung und schauen Sie dann, wo Entwicklungsbedarf besteht.  

Sehr praxisnah - im selben Kapitel - auch die Beleuchtung der Transition von der Fach- zur Führungskraft. Wer führt, so könnte man das zusammenfassen, darf nicht mehr alles selbst machen. Doch welches Fachwissen ist weiterhin wichtig, um Kollegen oder Kunden beraten zu können? Anders gesagt: Wie gewichte ich die Führungs-, wie die Fachtätigkeit? Inwieweit gelingt der Schritt zur Führungskraft, die ihre Fachkompetenz auf einer strategischen Ebene einbringt?


Führen ohne Macht


Das passt gut zum in der vierten Auflage neu eingefügten Kapitel "Laterale Führung: Führen ohne Macht". Laterale Führung heißt "Führen ohne Weisungsbefugnis". Angesprochen sind die Projektleiter, die Produktmanager und die Teamleiter, die unsere Arbeitswelt immer stärker prägen - und die schon immer eine erste Bewährungsprobe für zukünftige "echte" Führungskräfte sind. Wer lateral führt, muss seine Interessen und - vorgegebenen - Ziele durch Argumente und Verhandlungen durchsetzen. Er muss koordinieren, ohne befehlen zu können. Bestenfalls hat er beratend oder als Vorbereiter von Entscheidungen Einfluss auf Personalentscheidungen. Dennoch brauchen auch lateral Führende ein klares Bild von den Ansprüchen an ihre Führung, sie übernehmen Verantwortung, müssen jonglieren zwischen Fach- und Führungsaufgaben. Alles Dinge - da schließt sich der Kreis -, die man auf der nächsten Karrierestufe von ihnen verlangt.  

Apropos erste Führungserfahrung: Selten wird das Thema "Startpositionen" so praxisnah und konzis abgehandelt wie von den Autoren. Sie arbeiten klar heraus, wie man in so eine Situation "gerät": als Neuer, der von außen kommt. Als jemand aus einer anderen Abteilung. Als Aufsteiger aus der Stellvertreterposition. Als High Potential des Traineeprogramms. Oder als Kollege, der zum Chef wird. Wie verhält man sich da? In all diesen Fällen wird es richtig konkret. Wer zum Beispiel im kommenden Monat Chef der ehemaligen Kollegen wird, sollte schleunigst beginnen, freundliche Distanz aufzubauen. Der sollte nichts aus Mitarbeitersicht versprechen, was er als Chef nicht halten kann. Er sollte aber auch ein offenes Ohr haben für Verbesserungsmöglichkeiten, die ihn aus dem Noch-Kollegenkreis erreichen.


Symbolisch Führen


Vielleicht sollte er - oder sie natürlich - auch das Büro neu streichen lassen. Das ist eine mögliche Handlung, die im Abschnitt "Symbolische Führung" vorgestellt wird. Dabei geht es um den Symbolwert von Handlungen, die der neue Chef in den ersten Tagen und Wochen unternimmt. Ein neu eingerichtetes Chefbüro steht für Aufbruch und Veränderung. Eine offene Tür für die Kommunikationspolitik. Und wer seine Abteilung die Urlaubsplanung erstmals selbständig machen lässt, symbolisiert damit: Ich vertraue euch und erwarte auch sonst gute Teamarbeit.  

Ein sehr schönes Instrument für den "Boxenstopp" heißt "Mein persönlicher Nachruf". Wo es andere Autoren dabei belassen, von der Notwendigkeit einer Vision zu schreiben, laden die Autoren den gerade gekürten, aber schon halbwegs sattelfesten Jungchef ein, zu träumen. Die Rückkehr an die jetzige Stelle, nachdem man weitergezogen ist, solle man sich vorstellen. Als unsichtbarer Zuhörer - der mitbekommt, dass alle positiv und mit ganz konkreten Erinnerungen über ihn sprechen. Das wird für jeden anders sein. Denn er wird aus dem imaginierten Mund der lobenden Kollegen die eigenen und situationsbedingten Kriterien und Vorstellungen von guter Führung hören. Wirkungsreicher werden solche "Psychotechniken" selten vorgestellt.  

Übrigens kommen am Ende auch noch Führungskräfte zu Wort, mit denen die Autoren über die Erfahrungen als Neulinge als Chefs gesprochen haben. Schon für diese Erfahrungsberichte lohnt sich das Buch. Bieten sie doch spannenden Stoff, aus der Praxis der anderen für die eigene Situation zu lernen. Um nichts anderes geht es - höchst wirksam - im ganzen Buch, weswegen man getrost zuraten kann: Unvorbereitet sollte man nicht in die Führungsposition wechseln. Wer dieses Buch liest, der braucht aber kein anderes mehr lesen.  


changeX 07.12.2012. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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Zum Buch

: Einstieg in die Führungsrolle. Praxisbuch für die ersten 100 Tage. Carl Hanser Verlag, München 2012, 300 Seiten, 29.90 Euro, ISBN 978-3-446-43188-1

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