Auf die Plätze, fertig … Coach?
Immer mehr Menschen machen sich als Coach selbständig. Doch ist der Markt denn nicht längst gesättigt? Das fragten wir Christiane Richter und Peter Reitz, Autoren eines Ratgebers zum Thema. Die beiden Kenner der Coaching-Szene geben Entwarnung und liefern Hinweise für die ersten Schritte in die Selbständigkeit.
Christiane Richter und Peter Reitz leiten gemeinsam das Institut für Coaching & Kompetenz. Von ihnen ist unlängst das Buch Jetzt werde ich Coach! Praxiswissen für Einsteiger bei Beltz erschienen.
Sehr viele Menschen lassen sich zu allen möglichen Fragen ihres Lebens coachen. Der Coaching-Markt boomt, Coaching ist der Megatrend in der Weiterbildung. Stimmt das noch?
Christiane Richter: Neben der Bildungs- und Wissensgesellschaft leben wir sicher auch in einer sogenannten Beratungsgesellschaft. Davon zeugen schon die vielen Ratgeber, die es zu jedem Thema zu kaufen gibt. Bei Coaching würde ich aber nicht von einem Boom sprechen, dazu ist es zu individuell. Zwar gibt es mittlerweile Beratungsformen, die den Begriff "Coaching" inflationär nutzen, wie zum Beispiel Finanz-Coaching oder Erziehungs-Coaching, doch unterscheidet sich diese Fachberatung komplett von dem Coaching im Personal- beziehungsweise Businesssektor, in dem wir uns bewegen.
Also eher keine trüben Aussichten! Sehen Sie denn weitere Wachstumschancen für den Markt?
Peter Reitz: Ein klares Ja. Coaching ist nicht nur eine Möglichkeit, Veränderungsprozesse von Menschen professionell und zielorientiert zu gestalten. Viele Firmen haben verstanden, dass die Persönlichkeit der Mitarbeiter ganz erheblich zum Erfolg beiträgt. Hier kann Coaching ausgezeichnete Dienste leisten. Während sich noch vor circa 20 Jahren nur große Firmen einen Coach für ihre Führungskräfte geleistet haben, ist dieser Trend mittlerweile auch bei kleineren Firmen und ebenfalls bei Privatpersonen angekommen. Auch viele Führungskräfte absolvieren mittlerweile eine Coachingausbildung, um mit Belastungen und Verantwortung besser umgehen zu können. Sich selbst gut einschätzen und führen zu können, ist eine gute Basis, um andere führen zu können.
Dazu kommt die Vielfalt an Möglichkeiten, die das Berufsleben heute mit sich bringt. Ob es nun um die Wahl einer Ausbildung, eines Studiums oder um weitere Karriereschritte geht - hier ist eine große Entscheidungskompetenz gefragt, bei der viele gerne die Hilfe eines Karrierecoachs in Anspruch nehmen.
Welche Coaching-Themen sind im Moment besonders gefragt?
Peter Reitz: Die Themen im Coaching sind so vielfältig wie die Klienten, die sie mitbringen. Von daher ist es schwierig, von momentanen Highlights zu sprechen. Wie aber eben schon angedeutet, ist der Strukturwandel in der Arbeitswelt, der sich oft durch Unbeständigkeit und Kurzlebigkeit ausdrückt, ein großes Thema. In diesem Zusammenhang sind auch die Outplacement-Beratung und die (Neu-)Platzierung von Mitarbeitern sehr gefragt.
Dem gegenüber steht das Thema Burnout für eine reale Bedrohung für das eigene Wohlbefinden und die persönliche Leistungsfähigkeit. Hier wächst, zusammen mit dem betrieblichen Gesundheitsmanagement, ein neues Bewusstsein: nämlich dass Mitarbeiter und deren Identifikation mit dem Unternehmen das Potenzial und die Schlagkraft einer Firma ausmachen und dass dort investiertes Geld nicht nur kurzfristige Effekte hat. Darüber hinaus haben nach wie vor Themen wie Konfliktbewältigung, Kommunikationskultur und Selbstvertrauen ihren Platz.
Wer wird eigentlich Coach? Wie können wir uns den durchschnittlichen Coach vorstellen?
Christiane Richter: Grundsätzlich sind es Menschen, die sich für psychologische Zusammenhänge interessieren und die andere Menschen bei der Lösung von Konflikten unterstützen möchten. Im Idealfall interessieren sie sich für Persönlichkeitsentwicklung und sind bereit, zunächst an sich selber zu arbeiten, bevor sie sich an die Arbeit mit Klienten wagen.
Ich möchte versuchen, ein Bild eines durchschnittlichen Coachs zu skizzieren, sofern das überhaupt möglich ist. Am Beginn ist er oder sie zwischen 30 und 45 Jahren alt, hat in aller Regel ein Studium beziehungsweise eine Berufsausbildung abgeschlossen und verfügt über mehrere Jahre Berufserfahrung. Der typische Coach schlägt eine Coaching-Laufbahn ein, da er in seinem beruflichen Umfeld bereits viel mit Menschen zu tun hatte und nun sein Wissen mit Coaching-Kompetenz erweitern möchte. Er verfügt über eine hohe Empathie, ist offen für neue Denkrichtungen und besitzt die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Regelmäßige Weiterbildung gehört zu seinem Arbeitsalltag. Aber keine Sorge - darüber hinaus ist er ein ganz normaler Mensch mit blinden Flecken und den gleichen Alltagsproblemen, die viele von uns umtreiben.
Wie sollte man vorgehen, wenn man als Coach den Schritt in die Eigenständigkeit gehen möchte?
Peter Reitz: Möchte sich jemand als Coach selbständig machen, sollte er sich aus unserer Sicht überlegen, ob er sich auf den Markt der Ratgeber-Coaches begibt, oder ob er seine Kunden bei der Entwicklung ihrer Persönlichkeit unterstützen möchte, die sie in der letzten Konsequenz eher unabhängig von Ratgebern macht.
Sinnvoll aus unserer Erfahrung sind eine umfassende Standortanalyse der eigenen Kompetenzen und der Blick in die eigene Erwerbsbiografie. Zu schauen, wo ich bereits Erfahrungen und Feldkompetenz mitbringe, macht es oft einfacher, einen beruflichen Schwerpunkt zu wählen. So wäre es beispielsweise denkbar, dass ein Personaler als Karrierecoach arbeitet. Erworbenes Fachwissen und entsprechende Praxis steigern die Glaubwürdigkeit gegenüber Kunden. Eine Spezialisierung als Coach hilft auch, das eigene Angebot weniger austauschbar zu machen und sich klar zu profilieren. Das fällt vielen schwer, ist aber unabdingbar. Für eine solche Standortbestimmung eignet sich übrigens hervorragend ein Coaching.
Eine weitere Voraussetzung ist unserer Meinung nach eine solide Ausbildung, in der Methodenkompetenz, Praxis, Selbsterfahrung und Persönlichkeitsentwicklung im Vordergrund stehen. Dazu kommt ein fundiertes Konzept, das die eigene Planung übersichtlich gestaltet und schrittweise Erfolge sichtbar macht.
Was empfehlen Sie, wenn der Erfolg ausbleibt? Durchhalten oder einen harten Schnitt?
Christiane Richter: Wir sagen klar: Wer als Coach in die Selbständigkeit geht, sollte mit mindestens drei Jahren konsequenter Aufbauarbeit rechnen. Dazu braucht man schon einiges Durchhaltevermögen. Das kann selbstverständlich auch schneller gehen, etwa wenn die Gründung schon nebenberuflich vorangetrieben wurde oder bereits wichtige Kontakte zu Auftraggebern bestehen.
Sollte der Erfolg ausbleiben, sollte man aber nicht gleich aufgeben, sondern sich mithilfe eines Unternehmercoachs folgende Fragen stellen: Wurde eine konkrete Marktanalyse durchgeführt? Welche Nische besetze ich? Welche Netzwerke kann ich aufbauen und gegebenenfalls Kooperationspartner gewinnen? Welche Unternehmerqualitäten muss ich vielleicht noch ausbauen?
Es wäre aber auch mutig, die Notbremse zu ziehen, wenn sich für die betreffende Person nicht der gewünschte Erfolg einstellt.
Näheres zu den Interviewpartnern:
Christiane Richter ist Diplom-Ingenieurin und Erwachsenenbildnerin mit mehr als 20 Jahren Berufserfahrung. Seit ihrer Ausbildung zum zertifizierten Personal- und Businesscoach unterstützt sie sowohl Fach- und Führungskräfte als auch Privatpersonen bei der Bewältigung von Konflikten. Zusätzlich arbeitet sie als ausgebildete Hypnosetherapeutin in eigener Praxis.
Peter Reitz arbeitet seit fast 20 Jahren freiberuflich, davon mehr als zehn Jahre im Bereich Lehre, Kompetenzentwicklung und Coaching. Er hat Psychologie studiert und ist systemisch ausgebildet. In der Nähe von Frankfurt am Main betreibt er die change-active-Akademie, ein Weiterbildungsinstitut für Beratung und Therapie.
changeX 03.06.2016. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Christiane Richter, Peter Reitz: Jetzt werde ich Coach!. Praxiswissen für Einsteiger. Beltz Verlagsgruppe, Weinheim 2016, 204 Seiten, 29.95 Euro, ISBN 978-3-407-36610-8
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Autor
Jacob HochreinJacob Hochrein ist Pressereferent Sachbuch und Fachbuch bei der Verlagsgruppe Beltz.