Zukunft D2030
Mit einem ersten Set von Szenarien startet die Initiative D2030 in den zweiten Online-Dialog. Die gemeinnützige Initiative will einen unabhängigen Zukunftsdiskurs in Deutschland etablieren. Offen und politisch unabhängig. D2030 soll dazu beitragen, vernetztes und langfristiges Denken in sozialen, ökonomischen und politischen Entscheidungsprozessen zu verankern. Die Initiative startet in die zweite Runde.
Deutschland verändert sich - aber in welche Richtung? Kommt es zu einer Zuspitzung wirtschaftlicher und politischer Krisen? Können der Rechtsstaat und die Demokratie dem wachsenden Druck standhalten? Oder entwickelt sich die Wirtschaft weiter gut, während die Zivilgesellschaft zu neuer Stärke findet? Wird Deutschland in alte Fehler zurückfallen oder sich neu erfinden?
Die Wahrheit liegt bekanntlich meistens irgendwo in der Mitte. Aber wie ist das mit der Zukunft? Die gemeinnützige Initiative D2030 hat sich darüber intensiv Gedanken gemacht und nach einem ersten Online-Dialog Einflussfaktoren und Zukunftserwartungen zu alternativen Szenarien von Deutschland im Jahr 2030 verdichtet. Vier Rohszenarien mit insgesamt acht Varianten sind bereits fertig. Noch bis Ende Mai können sie in einem offenen Online-Dialog bewertet und kommentiert werden.
So ungefähr könnte die Zukunft aussehen. Oder ganz anders.
So könnte Deutschland 2030 aussehen: Nachdem die Digitalisierung den globalen Arbeitsmarkt kräftig durchgerüttelt und viele Jobs überflüssig gemacht hat, ist die deutsche Wirtschaft im radikal beschleunigten Wettbewerb zurückgefallen. Ehemalige Weltmarktführer sind von disruptiven Konkurrenten aus dem Ausland zurückgedrängt worden. Die zahlreichen Verlierer der digitalen Transformation suchen ihr Heil in der weitgehenden Abschottung des Landes und einer autoritären Politik. Während die Ausgaben für innere und äußere Sicherheit in die Höhe schnellen, ziehen sich viele Menschen ins private Biedermeier-Idyll zurück.
Oder so: Deutschland hat die erste Welle einer digitalen und gesellschaftlichen Transformation erfolgreich bewältigt. Alteingesessene mittelständische Unternehmen und neu gegründete Start-ups haben die Chance beim Schopf ergriffen und prägen eine neue Wirtschafts- und Arbeitswelt. Manche Aufgaben, die 2017 noch gut bezahlt waren, werden mittlerweile von Software oder Robotern übernommen. Aber in der flexiblen und sozial gut abgesicherten Projektwelt der 2030er-Jahre bieten sich ständig neue Arbeits- und Verdienstchancen. Dafür, dass ein Großteil der Menschen diese auch wahrnehmen kann, sorgt ein modernisiertes Bildungssystem. Und Gesellschaft und Politik fragen immer häufiger nach den Kompetenzen, Wünschen und Meinungen des Einzelnen. Gleichzeitig ist ein neuer gesellschaftlicher Zusammenhalt entstanden, der allerdings weniger auf einem versorgenden und bevormundenden Staat fußt, sondern vielmehr auf einer aktiven Zivilgesellschaft.
Weiter auf dem Pfad des Immer-Mehr vom Ewig-Gleichen?
Doch was wird aus der ökologischen Krise, dem hohen Ressourcenverbrauch und dem Klimawandel? Gelingt es, wirtschaftlichen Wohlstand und ökologische Stabilität zu vereinbaren? Oder bewegt sich Deutschland 2030 immer noch auf dem Pfad des Immer-Mehr vom Ewig-Gleichen? Wie lange noch wird das Ideal von der stetigen Steigerung des Bruttoinlandsprodukts bei gleichzeitig weitgehender Aufrechterhaltung des gesellschaftlichen Status quo - das Prinzip einer dynamischen Stabilisierung also, wie es der Soziologe Hartmut Rosa treffend nennt - das Leben in Deutschland und in anderen Ländern prägen? So lange, bis radikale ökologische Reformen greifen und - nicht ohne Zwang - der Übergang in eine regionalisierte Subsistenzwirtschaft eingeleitet wird? Auch eine mögliche Zukunft in Deutschland 2030: Jeder Dritte ist im Nebenberuf Gärtner, und der gesetzlich geförderte, biofaire Supermarkt hat den Aldi verdrängt. Die Globalisierung muss erst mal ein bisschen warten.
So ungefähr könnte die Zukunft aussehen. Oder ganz anders. Das ist eben eine Herausforderung seriöser Zukunftsforschung: Ganz genau kann man nie sagen, wie es kommt. Und das liegt vor allem an der Komplexität sozialer Systeme, wie Niklas Luhmann gesagt hätte. Oder einfacher: Daran, dass wir Menschen niemals genau voneinander wissen, wer was als Nächstes tun und wie er oder sie sich verhalten wird. Aber wir können eine Bestandsaufnahme machen von dem, was ist, und eine faktenbasierte Abschätzung dessen, was sein könnte. Nur stehen zwischen Wirklichkeit und Möglichkeit, zwischen Gegenwart und Zukunft eben immer wir Menschen. Wir sind gefragt, wir sind am Zug. Als Autorinnen und Autoren unseres Lebens, als Gestaltende unserer Zukunft. Als Denkende und Empfindende, als Hoffende und Fürchtende. Und deshalb funktioniert die gemeinsame Gestaltung von Zukunft am besten in einem offenen und möglichst breiten Dialog.
Welche Zukunft hätten’s denn gern?
Dazu wird nun eine entscheidende Expertise benötigt: Ihre! Sind die alternativen Zukunftsbilder überhaupt realistisch? Was sollte noch angepasst werden? Wie nah sind sie an der Gegenwart? Welche mögliche Zukunft erscheint Ihnen wie wahrscheinlich? Was würden Sie sich wünschen - und was um jeden Preis verhindern wollen? Seit dem 27. April läuft der zweite Online-Dialog über Deutschlands Zukunft. Einen Monat lang haben alle, die ein Wörtchen mitreden wollen bei der Gestaltung unserer Zukunft, Gelegenheit, sich in diesen Dialog einzubringen. Auf einer Zukunftskonferenz am 6. und 7. Juli in Berlin werden die Szenarien weiter diskutiert und verfeinert.
Eine wünschenswerte Zukunft muss gestaltet werden - und dazu kann es gewiss nicht schaden, sich ein Bild von ihr zu machen. Ziel der Initiative D2030 ist es, der allgemeinen Orientierungs- und Ideenlosigkeit im Angesicht einer unsicheren Zukunft sicht- und greifbare Alternativen entgegenzustellen. Auf der Basis der D2030-Szenarien können Politik, Unternehmen und Zivilgesellschaft einen konkreten Eindruck davon erhalten, wie Deutschland sich entwickeln könnte - und reale Handlungsoptionen gewinnen.
changeX 19.05.2017. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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changeX RedaktionEin Beitrag der changeX-Redaktion.