EXPEDITION ins Unbekannte

Ein Kongress begibt sich auf die Suche nach der New Generation.

Die New Generation tickt anders. Aber wie? Das wollte der Kongress EXPEDITION 2002 herausfinden, der vergangene Woche in der Lokhalle in Göttingen stattfand. Unter dem Motto "Management meets New Generation" trafen dort Personal- und Bildungsverantwortliche aus verschiedenen Unternehmen und Organisationen auf 60 geladene Vertreter der jungen Generation. Ein spannendes, aber wenig spannungsreiches Zusammentreffen.

Jan Steffen will Spaß. Nicht nur in der Freizeit, vor allem bei der Arbeit. Zu 80 Prozent müsse die Spaß machen, sagt der 23-Jährige, der beim Otto Versand eine kaufmännische Ausbildung absolviert, "sonst fühle ich mich nicht wohl bei der Arbeit und bringe nicht die Leistung, die ich bringen könnte." Ganz ähnlich sieht es Hatice Suyabatmaz, ebenfalls 23 Jahre alt. Die junge Türkin macht bei einem Kölner Computerunternehmen eine Ausbildung zur Fachinformatikerin und steht kurz vor der Abschlussprüfung. Für sie ist es das Wichtigste, dass sie sich wohl fühlt in dem Unternehmen, in dem sie arbeitet. "Wenn die Atmosphäre nicht stimmt, dann habe ich in der Firma nichts verloren", sagt sie selbstbewusst.
Zwei Zufallsbeispiele. Hatice und Jan waren Teilnehmer des Kongresses EXPEDITION 2002, der am 18. und 19. April in der Lokhalle in Göttingen stattgefunden hat. "Management meets New Generation" lautet das Motto. Das Ziel war es, Manager und Vertreter der New Generation zu einem Meinungsaustausch zusammenzubringen und ihnen die Möglichkeit zu geben, einander kennen und verstehen zu lernen. 100 junge Leute zwischen 20 und 30 hatte die Kongressorganisation über ein Bewerbungsverfahren im Internet ausgewählt, 60 waren dann nach Göttingen gekommen - als Vertreter der New Generation. Doch kann man überhaupt von der New Generation sprechen? Hatice bejaht das. Sie sieht sich als Repräsentantin einer Generation, die sehr wohl gemeinsame Werte und unterscheidbare Wesenszüge aufweist. Meist spricht sie in der Wir-Form. Wir, die New Generation. "Wir haben eine andere Einstellung zur Arbeit", das ist für sie der zentrale Unterschied.

Die New Generation tickt anders.


Wenn man so will, ist Hatice eine typische Vertreterin ihrer Generation. Wie sie sich gibt, was sie denkt und sagt, entspricht jedenfalls genau dem Bild, das die Jugendforschung von diesen jungen Leuten zeichnet. Deren Forschungsergebnisse standen denn auch am Beginn des Kongresses. Richard Münchmeier, Professor an der Freien Universität Berlin und Mitautor der Shell-Jugendstudien hatte das einleitende Referat übernommen. "Wie tickt die New Generation", lautete sein Thema, und es war nicht überraschend, dass sie deutlich anders tickt als die Alterskohorten vor ihr. Es handele sich um "eine sehr selbstsichere junge Generation, die für sich in Anspruch nimmt, etwas zu können, und sich Power zuschreibt", betonte Münchmeier. Seine Ergebnisse in Kurzform: In Zeiten der Massenarbeitslosigkeit genießen für die jungen Leute Arbeit und Beruf einen hohen Stellenwert - nur muss die Arbeit so gestaltet sein, dass sie den anderen zentralen Werten nicht zuwiderläuft: Spaß, Autonomie und Authentizität. Die alten Gegensätze zwischen Arbeit und Freizeit, zwischen Arbeit und Leben gelten nicht mehr, so der Berliner Jugendforscher. Arbeit ist Leben - und muss konsequenterweise Spaß machen und der persönlichen Weiterentwicklung dienen. Parallelen zu den Werten der New Economy sind sicher kein Zufall.

Die Old Economy gibt den Ton an.


Dabei hatten nicht wenige geglaubt, der Spuk sei vorbei, die New Economy erledigt. Zu ihnen zählt Klaus Friedland, Vorstandsmitglied der Continental AG, die neben Siemens, der Dekra Akademie und der Synergie GmbH zu den Veranstaltern des Kongresses gehörte. Friedland eröffnete die Veranstaltung mit einem selbstgefälligen Abgesang auf die New Economy-Rebellen und machte damit deutlich, dass auf dem Kongress die Old Economy den Ton angab.
Die passende Antwort darauf lieferte der Berliner Publizist Warnfried Dettling mit einem warnenden Grundsatzreferat über den Wandel, den, so seine These, wir als epochalen Einschnitt begreifen müssen. Und den wir nicht auf Globalisierung, Individualisierung und Digitalisierung reduzieren dürfen. Weniger beachtet, aber deshalb nicht weniger wirkungsmächtig seien die demographische Entwicklung in Form einer wachsenden Überalterung der Gesellschaft und die Machtumverteilung zwischen den Geschlechtern. Ob dieser "umstürzende Wandel" in den Niedergang führe oder aber als Chance genutzt werden könne, das hänge davon ab, wie die Gesellschaft damit umgehe, lautete Dettlings Botschaft an die rund 300 Teilnehmer des Kongresses. "Die Arbeitsgesellschaft wird bunter werden", prophezeite er. Die Herausforderung für die Unternehmen liege darin, mit der Verschiedenartigkeit der Menschen konstruktiv umzugehen.

Allerweltsthemen und ein Mangel an Diskussionskultur.


Solche Fragen konkret zu diskutieren war Aufgabe der drei parallelen Foren zu den Themenbereichen "Recruiting & Binding", "Entwicklung & Förderung" sowie "Work-Life-Balance". Dabei hätte allerdings eine stärkere thematische Fokussierung gut getan, denn hier tummelten sich doch etliche Allerweltsthemen, die einem landauf, landab auf Tagungen und Kongressen egal welchen Themas begegnen. Eine starre Ablaufplanung dieser als "Diskussionsinseln" angekündigten Runden ließ zudem nur wenig Raum für Gespräche. "Da hieß es zehn Minuten Diskussion, und das war es dann", kritisiert Teilnehmer Jan Steffen.
Ein drittes Highlight am ersten Tag bildete das abendliche Plenum unter dem Motto "querläufer", zu dem Dirk Buschmann, Mitbegründer und Vorstandsmitglied des IT-Start-ups Knowledge Intelligence AG und Titus Dittmann, der Vorstandsvorsitzende der Titus AG und Entrepreneur des Jahres 2001, auf die Bühne kamen. Die beiden verhalfen der Show zu ihrem Recht und boten eine kurzweilige Selbstinszenierung erfolgreichen Unternehmertums. Da kam dann auch zum Tragen, was die anderen Referate schmerzlich vermissen ließen: Spaß. Die plappernde Zweimannshow war dann auch der Publikumserfolg des Kongresses - und lieferte zudem zumindest eine interessante Einsicht. Dittmann, der mit der Vermarktung von Skateboards und den zugehörigen Accessoires ein beachtliches Unternehmen aufgebaut hat, sorgte nämlich mit seiner Definition von Querdenken für Irritation. Das sei grundsätzlich nichts anderes als Normen zu hinterfragen, statt sie zu akzeptieren, bloß weil sie existierten, klärte Dittmann seine Zuhörer auf. Und holte den Begriff damit aus höheren philosophischen Sphären zurück in den Alltag - was manchem zu bodenständig war.

"Work and life is a challenge - we keep the balance."


Solchen Schwung wie den beiden Entrepreneuren hätte man auch dem eigens verpflichteten DJ gewünscht. Den spannungsreichen Gegensatz der Generationen auch kulturell einzufangen glückte ihm nicht: Seine auf Ausgleich bedachte Musikauswahl hörte sich in etwa so an wie das Stauprogramm der Verkehrssender zum Urlaubsbeginn: für jeden etwas. Weniger Mainstream hätte gut getan. Das galt auch für die Spiel- und gymnastischen Einlagen im Rahmenprogramm. Sie gerieten so, wie man sich die morgendliche Motivationsrunde bei Wal Mart vorstellt. Zwar massierten sich die Teilnehmer brav wechselseitig den Nacken und wiederholten in rhythmischem Sprechgesang die Parolen, die der Trainer als vermeintliche Kernaussagen aufgeschnappt hatte - Motto: "Work and life is a challenge - we keep the balance." Die rechte Begeisterung wollte dabei jedoch nicht aufkommen.

Lehrreich für die Manager.


Der zweite Tag war dann wiederum den thematischen Foren vorbehalten, und diesmal wurde ausführlich geredet und diskutiert. Doch von einem Generationenkonflikt war nichts zu spüren. Den gibt es nach den Erkenntnissen des Jugendforschers Richard Münchmeier seit geraumer Zeit nicht mehr - jedenfalls nicht in der Schärfe, in der ihn die älteren Generationen noch durchlebt haben. Dass die New und die Old Generation aber doch deutlich anders ticken, lässt sich als ein Ergebnis des Kongresses festhalten. Das nahm auch Hatice Suyabatmaz als ihr persönliches Resümee mit nach Hause. Sie erlebte die Manager als eine fremde Spezies, die teilweise über Probleme diskutierte, die für die Jungen gar nicht mehr vorhanden waren. Zum Beispiel die Forderung nach lebenslangem Lernen. "Wir sehen es so", sagt sie, "wir wollen lernen, wir müssen nicht lernen." Lernen als Selbstverständlichkeit, nicht als Zwang. Den Lerneffekt des Kongresses sieht sie auch in erster Linie auf Seiten der Old Generation. "Das war lehrreich für die Manager", sagt Hatice und ist richtig stolz, dass man sie ernst genommen hat. Als New Generation.

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