Am Montag darauf schreitet der Aufsichtsrat zur Tat. Man einigt sich auf die übliche Sprachregelung: "Aus gesundheitlichen Gründen." Der Aufsichtsratsvorsitzende und frühere Linde-Chef Hans Meinhardt hatte seinerseits zwei Wochen vorher auf der Hauptversammlung des Unternehmens angekündigt, sein Mandat in den nächsten Monaten zu übergeben. Der Kronprinz steht schon bereit: Thomas Middelhoff, der frühere Bertelsmann-Vorstand, dessen Finanzjongleur-Qualitäten seit dem AOL-Deal bei Bertelsmann in Branchenkreisen wohlbekannt sind. Und die er zwei Jahre später mit dem Verkauf der Karstadt-Immobilien eindrucksvoll unter Beweis stellen wird.
Urban fährt an jenem Montag sofort nach Belgien. Abschalten. Er ist für niemanden erreichbar. Zunächst fühlt er sich wie befreit "aus einer Situation, in der ich nicht mehr gewinnen konnte". Aber hinter der Fassade brodelt es. Urban ist menschlich enttäuscht, will aber nicht reden. "Ich wollte es mit mir selbst abmachen." Nicht einmal seine Frau Angelika und enge Freunde lässt er an sich heran. Nach außen versteinert sein Gesicht. "Doch innen kochte die Suppe fast über." Noch heute kann er kaum sitzen bleiben, wenn er über diese Zeit spricht. Er hebt die Arme, die Stimme wird laut, rastlos rennt er kreuz und quer durchs Büro. Plötzlich hält er inne, dreht sich um und lässt eine Frage los, die man in Gesprächen mit Urban häufig zu hören bekommen hat: "Was hätte ich denn tun sollen?"
Unterdessen bricht nach Urbans Demission das übliche Mediengetöse aus. "Urban fehlte das Rezept, um den Umsatz- und Gewinnrückgang des Handelskonzerns aufzuhalten", titelt die Financial Times Deutschland. Und die Süddeutsche stellt lapidar fest: "Allein gegen alle. Urban als Sanierer gescheitert."
Hintergrund: Urban übernimmt im Oktober 2000 den Vorstandsvorsitz der KarstadtQuelle AG. Die Geschäfte laufen zunächst nach Plan. 2001, verkündet er auf der Hauptversammlung, ist das "beste Jahr der Konzerngeschichte". Doch am Horizont ziehen dunkle Wolken auf. Europas größter Waren- und Versandhauskonzern schlittert allmählich tiefer in die Krise. Umsatzrückgang und Verluste nagen am Siegerimage. Urban versucht, strategisch dagegen zu halten. "Challenge" heißt sein ambitioniertes Aktionsprogramm. Die Idee fußt auf zwei Beinen: Verkaufsflächen an Partner mit guten Namen untervermieten. Und in zukunftsfähige Lifestyle-Bereiche investieren. Urban geht ein Joint-Venture mit der Café-Kette Starbucks ein und beteiligt sich am Deutschen Sportfernsehen (DSF). Er erwirbt überdies den Textilfilialisten SinnLeffers, die Golfbedarf-Kette Golf House sowie mehrere Fitness-Clubs.
Doch Konsumkrise, Euro-Umstellung und Rabattschlachten im Handel sind stärker. Die Rechnung geht nicht auf. Im ersten Quartal 2004 kommt es dann besonders dick. Urban muss als Quartalsergebnis ein Minus von 4,4 Prozent und eine Vervierfachung des Verlustes bekannt geben. Die Großaktionäre sind sich uneins. Madeleine Schickedanz, die wichtigste Eigentümerin von KarstadtQuelle, hält zu Urban. Sie ist von den Sanierungsplänen, die dieser noch am 18. März 2004 dem Aufsichtsrat unterbreitet hat, überzeugt. Ihnen zufolge sollen weitere 3.000 Arbeitsplätze abgebaut und neue Partner für schwächelnde Innenstadtflächen verpflichtet werden. Von den 180 Warenhäusern sollen überdies nur 120 in der bisherigen Form weiter bestehen.
Urban zeigt sich kämpferisch. Sein Leitspruch für 2004: "Jetzt erst recht!". Auf der anderen Seite opponiert die Gruppe um Margarete Riedel. Die Nichte Madeleines entstammt dem Familienzweig Dedi aus erster Ehe von Gustav Schickedanz und verfügt über 12,2 Prozent der Aktien. Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Die Riedels wollen mehr Rendite sehen. Ein klassischer Familienzwist. Und Aufsichtsratschef Hans Meinhardt gilt nicht unbedingt als treuer Gefolgsmann von Urban.
Während Urban an einer langfristigen Vision des Geschäftsmodells Warenhaus schmiedet und sich zu diesem Zweck intensiv bei der europäischen Konkurrenz in Großbritannien (Selfridge's) und Frankreich (Lafayette) umsieht, sorgt die Konsumflaute hierzulande weiter für miese Nachrichten. Das kurzfristige Drehen des Tankers KarstadtQuelle will einfach nicht gelingen. Doch das Grundproblem lautet anders: Urban will langfristig-unternehmerisch denken, wird aber von kurzfristigen Erfolgsinteressen im Zaum gehalten. Heute weiß er: "Es geht im Shareholder-Kapitalismus immer um kurzfristige Lösungen, nie um langfristige. Wer da nicht mitspielt, hat keine Chance."
Rollos runter und verschanzen.
Die ersten Monate nach der
Entlassung vergehen wie im Flug. Gegenüber den Medien ist Urban
weiter stumm. Obwohl der öffentliche Druck auf ihn steigt. In
dieser Zeit ereilt mich eine Anfrage von Detlev Samland von
Pleon, der früheren PR-Agentur Kohtes Klewes. Samland ist der
damalige Kommunikationsberater von Urban und glaubt, dieser müsse
unbedingt ein Buch zur Rehabilitation seiner Person schreiben.
Thema: "Die Zukunft des Warenhauses". Ich treffe Urban zum ersten
Mal in Düsseldorf im Sommer 2004.
Wer mit Urban spricht, muss sich warm anziehen. Man wird
von seinem Blick und seinem schnörkellosen Gesprächsstil förmlich
in den Sessel gedrückt. Schwächen sollte man nicht sichtbar
werden lassen. Über eine Stunde hört er sich meine Konzepte und
Ideen an. Er sitzt konzentriert da, obwohl man ständig das Gefühl
hat, der Mann schwebe momentan in ganz anderen Sphären. Dann
kommt die Absolution: "Das gefällt mir. Wir machen das!" Aus.
Punkt. Meeting beendet. Kein weiterer Dialog. Was ein Trugschluss
ist: Denn von diesem Ausspruch an gehört man zur Familie. Schon
eine Stunde später klingelt erstmals mein Handy. "Über mich und
meine Zeit bei KarstadtQuelle kein Wort. Haben Sie verstanden?"
Misstrauisch, argwöhnisch, fast ein wenig feindlich ist der
Tonfall.
Inzwischen wächst der mediale Druck auf Urban. Ende Juni
lädt der neue Aufsichtsratschef Thomas Middelhoff zur
Abschiedsparty seines Vorgängers Meinhardt nach Bielefeld. Nur
ein kleiner Kreis ist geladen, darunter Großaktionärin Madeleine
Schickedanz, der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Wolfgang Pokriefke
und auch Christoph Achenbach, der neue Vorstandsvorsitzende.
"Eine persönlicher Affront", wie Urban heute noch Achenbachs
Berufung kommentiert. Ein paar Tage später zieht Middelhoff in
Urbans Ex-Büro. Achenbach, zuvor nur für das Versandgeschäft von
Quelle und Neckermann zuständig, schwört im umgebauten Casino der
Karstadt-Zentrale in Essen-Bredeney die Mitarbeiter der ersten
und zweiten Führungsebene auf neue Zeiten ein. Notiz am Rande:
Achenbach wird nicht mal ein Jahr im Amt bleiben.
Der Mai 2004 ist ein Desaster, heißt es bei Karstadt, der
Umsatz rauscht mit zweistelligem Minus weiter in den Keller. Die
Probleme sind bekannt: Mehr als 80 Prozent des Umsatzes von knapp
über 15 Milliarden Euro wird in Deutschland erzielt. Doch dort
herrscht Konsumflaute. Immer weniger der 180 Häuser in den
Innenstädten werfen noch Gewinne ab. Und das, obwohl die Kosten
schon dramatisch reduziert und mehrere tausend Stellen gestrichen
wurden. Die Warenhäuser sind nicht das einzige Problem: Auch die
konzerneigenen Textilfilialketten Sinn-Leffers und Wehmeyer
machen Verluste. Im Versandhandel sieht es noch schlechter aus.
Die zweimal jährlich erscheinenden Produktkataloge bei Quelle und
Neckermann haben es nach dem Wegfall des Rabattgesetzes besonders
schwer. "Konkurrent Otto ist Quelle längst meilenweit enteilt",
schreibt die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung.
Unterdessen sitzt Wolfgang Urban in seinem Kölner Anwesen
und sieht tatenlos den Mediensturm heranbrausen. Ausgelöst wird
er durch den neuen Karstadt-Chef Christoph Achenbach, der "die
fehlende Entschluss- und Umsetzungsfreudigkeit der früheren
Führung" rügt. Obwohl er selbst ein Bestandteil war. In der
Mitarbeiterzeitung schreibt er: "Unsere Ausgangslage hat sich in
den vergangenen Monaten auf breiter Front deutlich
verschlechtert." Gleichzeitig kündigt er einen weiteren
Stellenabbau bis 2006 an: 6.000 Stellen im stationären Handel,
2.500 im Versandhandel von Quelle und Neckermann.
Am 30. September kommt es dann zum zweiten Showdown für
Urban. Bundeskanzler Gerhard Schröder macht das frühere
Management in scharfer Form für die Krise des Unternehmens
verantwortlich. Bei Karstadt habe es "Management-Fehler in ihrer
krassesten Form und Unfähigkeit bis zum geht nicht mehr gegeben".
Schröder hatte sich einige Tage zuvor mit dem neuen
Aufsichtsratschef Thomas Middelhoff getroffen. Am nächsten Tag
stehen Fernsehteams vor Urbans Einfahrtstor. Mikrofone ragen über
den Zaun, Fotografen lauern an der Einfahrt auf Schnappschüsse.
Angelika Urban ruft Freunde an, was man tun solle. "Rollos runter
und verschanzen", lautet die Empfehlung. Bei verschlossenen Türen
und Fenstern beobachten die Urbans im Fernsehen, wie sie
demontiert werden. Am nächsten Morgen lässt Kanzleramtschef Frank
Steinmeier telefonisch ausrichten, der Kanzler habe es dezidiert
nicht so gesagt und gemeint. Man bitte aber um Verständnis, dass
ein Rückzieher nicht möglich sei. Business as usual.
Wolfgang Urban sieht seine Bilderbuchkarriere in wenigen
Tagen in tausend Scherben zerbersten. Wie ein Film läuft in
diesen Tagen sein Leben vorüber. Angefangen hatte der heute
60-Jährige vor vielen Jahren beim Bielefelder
Nähmaschinenhersteller Phönix. Als Lehrling in der Produktion.
"Eine Zeit, die mich mehr als alle anderen geprägt hat. Zu sehen,
was die einfachen Arbeiter wirklich bewegt", sagt er heute. Die
weiteren Stationen: Facharbeiterbrief 1964,
Kaufmannsgehilfenbrief 1967. Über den 2. Bildungsweg arbeitet
sich der in Schlesien geborene Urban weiter nach oben.
Diplom-Betriebswirt (FH) 1973. "Eigentlich wollte ich weiter
studieren", doch auf Empfehlung eines Professors landet er in der
Buchhaltung bei Kaufhof in Köln. Schnell werden Vorgesetzte auf
ihn aufmerksam. Mit Siebenmeilenstiefeln rennt er in Richtung der
Chefetagen. Und damit mitten hinein in die Krise.
Denn bereits Ende der 1970er Jahre ist längst nicht mehr
alles Gold, was glänzt. 1978 macht Kaufhof erstmals Verlust. "Ein
riesiger Konflikt wurde sichtbar. Wir mussten an eine Zukunft
glauben, von der wir eigentlich nicht mehr überzeugt sein
konnten. Das Warenhaus war damals bereits ein Problem." Managen
in einem Umfeld, das dem Ende geweiht war, lautet Urbans Devise
für die nächsten Jahre. Er richtet sich dennoch auf hohem Niveau
ein. Wie ein Berserker arbeitet er an kleinen Verbesserungen im
Tagesgeschäft. "Wenn man jeden Tag über dem Abgrund schwebt, hat
man wenig Zeit für hochtrabende Visionen", beschreibt er das
Dauerdilemma im deutschen Einzelhandel.
1987 wird Urban in den Vorstand der Kaufhof AG berufen. Von
Finanzen über Personal bis hin zur Öffentlichkeitsarbeit
bekleidet er in den folgenden Jahren nahezu alle
Vorstandsbereiche. Und Kaufhof expandiert heftig durch
Firmenzukäufe. An der Spitze mit einem "exzellenten" Team um Jens
Odewald und Urban. 1985 beteiligen sie sich an Saturn-Hansa, 1988
kaufen sie Media-Markt, 1993 die Warenhausgruppe Horten und
weitere Firmen. "Die erfolgreichste Zeit in meinem Berufsleben.
Der Wille zur Höchstleistung trieb uns an. Alles, um das
Unternehmen fit für die Zukunft zu machen." Und mit dem
legendären Erwin Conradi stand ein Meisterdompteur und
Einpeitscher an der Spitze des Unternehmens. Urban spricht immer
noch mit Hochachtung von ihm.
Im März 1996 kommt es zur endgültigen Fusion von Kaufhof
und Asko mit der Metro Gruppe. Seit 1980 hielt die Metro
Cash&Carry bereits Mehrheitsanteile bei der Kaufhof AG. Urban
wird Co-Sprecher des Vorstandes und ist ab sofort zuständig für
Controlling und Finanzen. Doch von nun an geht's bergab. "Die
Metro-Kultur war völlig anders," beschreibt Urban diese Phase und
ergänzt: "Metro, Kaufhof und Asko saßen an einem Tisch. Da konnte
es nur einen Gewinner geben." Metro-Chef Conradi setzt sich
durch. Erste Vorwürfe machen die Runde. Conradi sagt, Urban sei
zwar eine integre Persönlichkeit, allerdings auch übereifrig und
jemand, der sich bisweilen verzettele. Das Ende vom Lied: Conradi
entzieht Urban die Ressorts Finanzen und Controlling. "Wie das
Ende einer Ehe", bilanziert Urban heute.
Es hält sich bis heute das Gerücht, dass Conradi vorzeitig
erfahren hatte, dass Urban schon auf dem Absprung in Richtung
KarstadtQuelle war. Und recht hatte er. Im März 1998 geht Urban
als Mitglied des Vorstandes in die Schickedanz-Holding Stiftung
nach Fürth, um ein Jahr später in den Karstadt-Vorstand
aufzurücken. Dort trifft Urban auf den Vorstandsvorsitzenden
Walter Deuss, der Urbans Berufung von Anfang an ablehnend
gegenübersteht. Die Folge: Deuss tritt vorzeitig zurück. Urban
übernimmt den Chefsessel. Mit Segen der Familie
Schickedanz.
Die Mühlsteine, die ihn zermalmen.
Wer mit Wolfgang Urban heute im
"Ruhestand" spricht, wundert sich manchmal über dessen
aufbrausende Art. Wie aus heiterem Himmel wird die Stimme laut,
komplexe Argumente werden zu einfachen Wahrheiten gebündelt und
fertig ist das Statement. Als "Workaholic in Rage" hat ihn die
Süddeutsche einmal bezeichnet. "Ja, ich war bisweilen sehr
massiv. Habe Leute unter Leistungsdruck gesetzt und bin sehr laut
geworden", erwidert er heute. "Ich habe den Druck weitergegeben,
in der Hoffnung, ich würde es doch noch hinkriegen", ergänzt er.
"Ich habe der Realität nicht ins Auge gesehen." Urban wird bei
solchen Sätzen ruhig und die Stimme immer leiser. Bis dahin, dass
sein Gemurmel fast lautlos versandet und man ihn nicht mehr
versteht.
Sein Selbstbild hingegen ist klar und eindeutig: Er sieht
sich als treuer Parteisoldat, dem nichts anderes übrig blieb, als
das tagesaktuell Mögliche zu realisieren. Für die ganz großen
Visionen blieb ihm nie ausreichend Zeit. Ein Selbstbild, das in
der rauen Medienwirklichkeit wie ein Kartenhäuschen
zusammenfällt. Dort herrscht eher das Bild vor, dass er mit der
harten Hand Conradis im Nacken gut war, ohne straffe Führung
jedoch versagt hat. Ein rastloser Aktionist, ein aufbrausender
Rastelli, der Mitarbeiter zu jeder Tages- und Nachtzeit anrief,
um mit ihnen über neue Ideen zu diskutieren und hautnah
informiert zu sein.
Es gibt aber noch eine weitere Interpretation: Urban ist
der klassische Held im modernen Konzerndrama, der zwangsläufig
untergehen muss. Im Grunde werden Vorstandsvorsitzende heute
neben dem kurzfristigen Shareholder-Denken von zwei weiteren
Mühlsteinen beschwert. Erstens vom Glauben, mehr selbstständiger
Unternehmer als optimierender Manager zu sein. Was jedoch mit dem
vorgegebenen Rollenbild kollidiert. Vorstände vergessen, dass sie
der Rendite der Eigentümer zu dienen haben. Denn im
Konzernkapitalismus regieren Aktienkurse und
Finanzquartalsberichte. Im Sperrfeuer kurzfristiger
Erfolgsmeldungen haben langfristige unternehmerische Visionen
immer seltener Platz. Gefragt ist heute der bilanzhungrige
Manager-Maschinensoldat!
Zweitens benötigen Eigentümer biegsame Marionetten im
operativen Geschäft. Diese müssen tun, was ihnen angeschafft
wird. Sind sich die Shareholder über den Geschäftskurs einmal
uneins, geraten Vorstände in Entscheidungsdilemmata. Mehreren
Herren kann man schließlich schlecht dienen. Urban zermalmen
beide Kraftströme: Der Zwang zum kurzfristigen Managerdenken und
der Zwist unter den Gesellschaftern. Hinzu kommt die
hemdsärmelige Kumpelmentalität des einfachen Arbeiters, der sich
von ganz unten nach ganz oben gearbeitet hat. Pommes mit Mayo
sind ihm heute noch lieber als jedes Haute-Cuisine-Gedöns. Das
wird in der schicken, stromlinienförmigen Business-Welt der
Middelhoff&Co. nicht goutiert.
Die Zukunft des Warenhauses.
Das Manuskript für das Buch ist
mittlerweile fertig gestellt. In unzähligen Gesprächen und
Interviews hat sich Urbans Vision für das Warenhaus
herausgeschält. Er hatte viel Zeit, darüber gründlich
nachzudenken. Ob es jemals publiziert wird, steht in den Sternen.
Urban hat es auch für sich selbst geschrieben. Als
Selbstvergewisserung, dass ihn 25 Jahre
Kaufhof-Metro-Karstadt-Welt nicht blind gemacht haben. Die These
des Buches ist eindeutig: "Innenstädte werden sich in Zukunft
völlig neu organisieren - als zusammenhängender Erlebnisraum mit
Einkaufsstätten, Kultur- und Sporteinrichtungen, Gastronomie und
anderen Treffpunkten." Dort sieht Urban ganz neue Spiel-,
Arbeits- und Lebensstätten entstehen. Die neuen Alten
beispielsweise funktionieren die alten Warenhaustempel zur Wohn-
und Lifestyle-Welt um. Mit Fitness- und Gesundheitseinrichtungen,
mit Restaurants und Wohlfühloasen. Mitten in der Stadt. Kurze
Wege, hohe Angebotsqualität. Die Bedürfnisse der Menschen wollen
unmittelbar befriedigt werden. Der Warenhaus-Generalist, der
alles für alle anbietet, hat für ihn ausgedient. "Das neue
Geschäftsmodell basiert auf der Kooperation von Spezialisten, die
jeder für sich Spitzenklasse sind."
Urban setzt deshalb auf hoch qualifizierte Erlebnishäuser.
"Die Welt kann viel mehr produzieren, als sie konsumieren kann.
Noch mehr vom immer Gleichen auszustoßen und abzusetzen ist
absurd - auch wenn es noch so billig auf den Markt geschleudert
werden kann. Wenn billig hierzulande der letzte Wohlstandsanker
ist, dann wird es höchste Zeit, die Augen zu öffnen und nach
vorne zu blicken. Wenn die Kostenvorteile aus dem globalen
Wettbewerb weiterhin in Form von Preisstürzen verbrannt werden,
mag der Kunde zwar profitieren - aber zu welchem Preis? Der
deutsche Einzelhandel jedenfalls wird daran zugrunde gehen - und
mit ihm viele Arbeitsplätze und Zukunftschancen. Wenn sich ein
Industrieland wie Deutschland seinen Wohlstand durch die
Billiglöhne der Dritten Welt subventionieren lassen muss, dann
ist das ein Armutszeugnis. Wenn sich der Standort Deutschland
aber seiner Innovationskraft und seiner reichen, aber
brachliegenden Wissensressourcen erinnert, und diesen ganz
spezifischen Globalisierungsvorteil in den wirtschaftlichen
Fortschritt investiert, dann ist damit allen gedient."
Wolfgang Urban ist derzeit viel unterwegs. In der
Unternehmenswelt ist sein Ruf weitaus besser als in der
Wirtschaftspresse. Vorstandskollegen haben es ihm hoch
angerechnet, dass er nach seinem Ende bei KarstadtQuelle nicht
schmutzige Wäsche gewaschen hat. Gejuckt hat es ihn oft in den
Fingern. Ich erinnere mich indes an einen Anruf am Weihnachtstag
2004. Um die Mittagszeit. Urban erzählt von der Machtlosigkeit,
noch einmal irgendetwas bewegen zu können, ein Gefühl, das ihn
tagsüber immer wieder überfällt. Er redet eine dreiviertel Stunde
ohne Punkt und Komma. "Glauben Sie mir! Von einer Sekunde auf die
andere ist man weg. Das ist die ganze Erkenntnis des Lebens."
Vielleicht aber ist es auch erst der Anfang.
Foto: � Hartmut Nägele
Peter Felixberger ist Chefredakteur und Geschäftsführer von changeX.
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Peter FelixbergerPeter Felixberger ist Publizist, Buchautor und Medienentwickler.