Club der Macher
Was den Kölner Rotonda Business-Club so einzigartig macht?
Von Winfried Kretschmer
In den USA und Großbritannien findet man überall Business-Clubs. Rund 90 gibt es allein in London, rund 150 sollen es in New York sein. Nur in Deutschland dümpelt die Zahl bei einer Hand voll. Die meisten sind elitäre Altherrenzirkel. Nicht der Rotonda Business-Club in Köln. Knapp 1.000 Mitglieder treffen sich dort zu Meetings und Veranstaltungen, nutzen moderne Büroinfrastruktur oder gehen einfach nur gut essen.
"Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann", hat der französische Maler und Schriftsteller Francis Picabia einmal gesagt. Gleiches von einem Bauwerk behaupten zu wollen wäre verwegen. Obwohl die Macher des Rotonda Business-Clubs in Köln genau diese Assoziation im Sinn hatten, als sie das Picabia-Zitat zum Motto ihres Clubs erhoben. Dieser hat sein Domizil im einzigen runden Bürohaus der Stadt, die ansonsten eher mit den beiden spitzen Türmen ihres Doms identifiziert wird. Und der Club steht für einen offenen Diskurs über Themen aus Wirtschaft, Kultur und Politik - einen Diskurs, bei dem das Denken unbedingt die Richtung wechseln soll.

Keine Spur von plüschiger Heimeligkeit.


Einen solchen Richtungswechsel im Denken muss auch vollziehen, wer bei einem Club zuerst an ehrwürdige Räumlichkeiten mit dunkler Holzvertäfelung, Plüsch und tiefen Ledersesseln denkt. Der Kölner Business-Club in dem Rotonda genannten Rundbau entspricht ganz und gar nicht diesem Klischee, das sich vor allem aus der in England verbreiteten Clubkultur speist. Die Welt in Köln sieht anders aus: Besprechungsräume mit funktionaler Einrichtung und moderner Kunst an den Wänden, ein Foyer, das mit wechselnden Ausstellungen zeitgenössischer Fotografen wie eine Galerie anmutet, und ein Lokal, das mit seinem dunklen Eichendielenboden und den modernen Stühlen an den weiß gedeckten Tischen für die Kölner Möbelmesse entworfen worden sein könnte. Alles verbreitet eine betont moderne Ausstrahlung. Keine Spur von plüschiger Heimeligkeit.
Gediegen, edel sind die Begriffe, die zu dem Interieur des Clubs passen, der vor sechs Jahren am 1. Oktober 1999 eröffnet worden ist. Mittlerweile zählt die Einrichtung nahezu 1.000 Mitglieder und hat sich zu einem beliebten Treffpunkt von Unternehmern, Managern und Freiberuflern aus unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen entwickelt. Sie ist zu einer festen und anerkannten Institution im Kölner Wirtschaftsleben geworden.
Zweifellos hat der Club eine Erfolgsstory geschrieben, und das ist schon bemerkenswert in einem Land, das nicht eben als Heimstatt gediegener Clubkultur gelten kann. Wirtschaftsclubs haben eine lange Geschichte. Anders als in England und in den USA gibt es in Deutschland aber keine Clubtradition. Rund 90 Business-Clubs gibt es allein in London, rund 150 sollen es in New York sein. In Deutschland hingegen sind es kaum mehr als eine Hand voll. Der Industrie-Club in Düsseldorf, der Verein Berliner Kaufleute und Industrieller, der Hamburger Übersee-Club und der Club zu Bremen zählen zu den ältesten und renommiertesten Wirtschaftsclubs hierzulande.
Seit jedoch Networking en vogue ist, erfreuen sich Business-Clubs in Manager- und Unternehmerkreisen zunehmender Beliebtheit. Clubs sind in Mode gekommen. Das zeigen einige Neugründungen in den vergangenen Jahren. So entstanden in Berlin mit dem Capital Club und dem China Club gleich zwei exklusive Etablissements, Düsseldorf erhielt mit dem Wirtschaftsclub ebenfalls eine zweite derartige Einrichtung. Doch der Rotonda Business-Club in Köln ist Trendsetter in der aufkeimenden bundesdeutschen Clubkultur.

Business-Treff statt Kindertagesstätte.


Nur zehn Minuten sind es vom Kölner Hauptbahnhof bis zum Barbarossaplatz, an dem das kreisrunde Bürohaus liegt, für das der Architekt Till Sattler im Jahr 2000 den Kölner Architekturpreis erhalten hat. 4.000 Quadratmeter Nutzfläche umfasst das sechsgeschossige Gebäude, das auf einem dreieckigen Grundstück liegt. Das gesamte Untergeschoss nimmt der Business-Club ein, hinzu kommt ein Gastgarten im spitzen Winkel des Grundstücksdreiecks, in dem Teakholzmöbel unter Platanen und Bambusstauden stehen.
Eigentlich sollten hier einmal Kinder spielen; so sahen es jedenfalls die ursprünglichen Planungen für das Gebäude vor. Eine Kindertagesstätte sollte nach dem Wunsch der Stadt hier entstehen - vielleicht keine schlechte Idee in einem Land, in dem der Spagat zwischen Job und Privatem die Geburtenraten drückt. Sie scheiterte indessen an den Mietkosten - und für die Investoren stellte sich die Frage, was mit dem leerstehenden Objekt geschehen sollte. Die Idee eines Clubs entsprang den Bedürfnissen der Unternehmen, die sich in den oberen Geschossen niedergelassen hatten, allesamt Dienstleister mit hohem Besprechungsbedarf: Rechts- und Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Immobilien- und Versicherungsmakler, eine Planungs- und Verwaltungsgesellschaft für Kliniken, ein Ingenieurbüro.
"Wir wollten an unserem neuen Standort einen besonderen Treffpunkt für geschäftliche und private Anlässe schaffen", erinnert sich der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Herbert Zimmer, der die Idee zu einem Business-Club aus den USA mitgebracht hat. Weil eine solche Tradition in Deutschland fehlte, bemühten sich die Initiatoren um eine der hiesigen Mentalität entsprechende Adaption. Zu dem Gründerkreis zählte auch Roland Agne, dessen Immobilienfirma das Bürohaus gebaut hat. "Unser Konzept war ein ganz moderner Club mit einer sehr guten Ausstattung und einer erstklassigen Gastronomie", erinnert er sich. "Eine Millionenstadt wie Köln muss einen solchen Club vertragen", waren sich die beteiligten Unternehmer sicher und warben bei ihren Geschäftspartnern für das Projekt. Am 1. Oktober 1999 wurde der Club als eingetragener Verein gegründet. Ein Jahr später stieß Andreas Grosz, Strategie- und Kommunikationsberater zu dem Initiatorenkreis um Agne, Zimmer und den Rechtsanwalt Olaf Junge. Seither ist er als Programmmacher und Clubmanager die treibende Kraft im Vereinsvorstand.
Für Grosz ist der Club ein "Macherclub": "Es ist ein Ort für Unternehmer aus unterschiedlichen Lebens- und Wirtschaftsbereichen, ein Raum für Menschen, die etwas bewegen wollen", sagt Grosz, der selbst unternehmerisch tätig ist. Er führt seit Jahren ein Büro für Unternehmenskommunikation, engagiert sich für Architektur und Städtebau, Kunst und Kultur. Grosz ist ein ausgesprochener Netzwerker, den, wie er selber sagt, alles interessiert, was sich bewegt. Für ihn soll der Club "Impulsgeber für neue Ideen" sein und "Kreativität und Pioniergeist in Wirtschaft und Gesellschaft" fördern.
Mit einem ausgefeilten Veranstaltungsprogramm zu aktuellen Themen aus Wirtschaft, Politik und Kultur hat Grosz dem Club ein eigenes Profil als Ort gesellschaftlicher Debatten gegeben. "Wir wollen unsere Zukunft aktiv diskutieren und mitgestalten", betont der Clubmanager. Auf dem Programm stehen Vorträge, Diskussionen und Exkursionen zu einem breit gefächerten Themenspektrum. So referiert zum Beispiel Kemal Sahin, der Präsident der Türkisch-Deutschen Handelskammer, über die Zukunft der Beziehungen zwischen beiden Ländern, ein Zukunftsforum beschäftigt sich mit den notwendigen politischen und ökonomischen Weichenstellungen für das Land, eine VIP-Führung gewährt einen Blick hinter die Kulissen der Kunstmesse art Cologne, um nur drei Programmpunkte aus dem zweiten Halbjahr 2005 zu erwähnen. Durchweg gut besucht seien die Veranstaltungen, berichtet Grosz, der gerade den Mix aus ökonomischen, kulturellen und politischen Themen als einen Erfolgsfaktor wertet. "Gerade Ausflüge aus den ökonomischen Zusammenhängen heraus in andere Felder werden gerne angenommen", resümiert er. Zu diesen Ausflügen gehören auch die wechselnden Ausstellungen zeitgenössischer Photographie, die Grosz in Zusammenarbeit mit der Kölner Galerie Thomas Zander organisiert.

Der Mix macht's.


Eine ausgewogene Kombination von Angeboten an die Mitglieder des Clubs macht dessen Erfolgsrezept aus. Das Programm ist dabei nur ein Baustein. Eine sehr gute Gastronomie, ein betont zuvorkommender Service und die Möglichkeit zur Nutzung von Räumlichkeiten für Tagungen und Besprechungen bilden die Basis im Serviceangebot des Business-Clubs. Von Montag bis Freitag steht der Club seinen Mitgliedern offen, geöffnet ist von neun Uhr morgens bis gegen Mitternacht, an Veranstaltungsabenden auch länger. 750 Euro beträgt der Mitgliedsbeitrag derzeit. Dafür kann jedes Mitglied Tagungs- und Konferenzräume für vier bis 100 Personen einschließlich der Ausstattung an Konferenz- und Medientechnik nutzen.
"Ziel ist es, Nutzwerte für unsere Clubmitglieder zu schaffen - ihre Interessen und Bedürfnisse stehen im Mittelpunkt", betont Andreas Grosz. "Es ist ihr Club", sagt er. Für ihn sind es auch Kleinigkeiten, die zählen. So sind im Mitgliedsbeitrag 20 Stunden Parken in der hauseigenen Tiefgarage inbegriffen. Und wer möchte, kann sich im hauseigenen Humidor gleich neben dem Restaurant ein persönliches Zigarrenfach anmieten, um dort seine Zigarren in einem kontrollierten Mikroklima zu lagern. Nicht zuletzt kann man getrost seinen Geldbeutel zu Hause lassen, wenn man in den Club geht, denn bezahlt wird per Mitgliedskarte und Bankabbuchung. In der Summe ein nicht zu unterschätzender Komfort. "Man kommt bei Regen im Anzug ohne Geld", bringt Grosz die Vorteile der Clubmitgliedschaft auf den Punkt.

Der Arbeitscharakter steht im Vordergrund.


Solche Serviceangebote bilden gewissermaßen die i-Tüpfelchen des Clubkonzepts. Das trifft ganz offenbar die Interessen und Bedürfnisse der Mitglieder. Entscheidend für den Erfolg des Business-Clubs ist ein ausgewogenes Verhältnis von Offenheit und Exklusivität: Offenheit für Ideen und für Menschen, die sich aber doch durch gleichgerichtete Interessen auszeichnen. Unterhält man sich mit Clubmitgliedern, so sind es immer zwei Themen, die besonders hervorgehoben werden: erstens die Möglichkeit, Besprechungen und Geschäftsessen in einer gleichermaßen gepflegten wie diskreten Umgebung abhalten zu können. "Hier stimmt das Ambiente in jeder Hinsicht. Der Service um das Team von Küchenchef Michael Strassfeld und Restaurantleiter Andreas Jakobi ist exzellent und das Essen hervorragend", schwärmt zum Beispiel Clubmitglied Franz ten Eikelder, der sich mit seinem Geschäft auf Qualitätsteppiche spezialisiert hat.
Hier im Club ist die Grenze zwischen Geschäft und Essen fließend. Nur wenige Schritte sind es vom Besprechungsraum zum Restaurant; dort stört es auch nicht, wenn mal ein Notizblock auf dem Mittagstisch liegt; umgekehrt bietet das Gastronomieteam seinen Service auch in den Besprechungsräumen an. "Hier kann man sich in einem angenehmen Umfeld und gut betreut treffen und sich besprechen", sagt auch Wolfgang Bornheim, Partner einer auf internationales Steuerrecht spezialisierten Rechtsanwalts- und Steuerberaterkanzlei. Er nutzt den Club bevorzugt, wenn Termine über Mittag gehen. Es sind die feinen Unterschiede, die den Club von einem Hotel oder einem Restaurant abheben. "Hier steht der Arbeitscharakter im Vordergrund", sagt Bornheim. Und die Mitglieder sind unter sich. Man kennt sich. Man weiß, wer da sitzt.
Der zweite Punkt, auf den Mitglieder zu sprechen kommen, sind die Veranstaltungen, die nicht nur interessante Themen bieten, sondern vor allem auch die Möglichkeit, zwanglos miteinander ins Gespräch zu kommen. Das soll auch das Servicekonzept unterstützen. Getränke und Häppchen sind im Eintrittspreis inbegriffen; beides wird serviert. Man muss seine Unterhaltung nicht unterbrechen, um sich an Bar oder Büfett anzustellen. Ganz klar: Kommunikation geht vor.
"Man kommt recht zwanglos mit Leuten ins Gespräch", erzählt Tasso Enzweiler, Geschäftsführer der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, der an dem Club das Veranstaltungsangebot ebenso schätzt wie die Möglichkeit, sich zu Geschäftsessen zu verabreden. Mit dem Club verbindet ihn zudem die Erinnerung an sein MBA-Studium, das er parallel zu seinem Job absolvierte. Abseits von Büro und Familie boten ihm die Clubräume eine "Zufluchtsstätte", wo es sich ungestört lernen ließ. Heute schätzt er vor allem die offene Kultur, die es ermögliche, ungezwungen und unkompliziert miteinander in Kontakt zu kommen. Das sei das Entscheidende, sagt er. "Allmählich entsteht ein Kommunikationsnetzwerk, aber relativ locker und spielerisch, nicht so verkrampft." Es ist die Balance zwischen Verschiedenheit und Homogenität der Mitgliedschaft, die dies möglich macht.
Für Andreas Grosz ist mit der Marke von 1.000 Mitgliedern, die bald erreicht sein dürfte, die Aufbauphase abgeschlossen. Danach gelte es, den Spannungsbogen und das Niveau zu halten, betont er. Auf dem Programm steht ferner eine stärkere überregionale Vernetzung. Erste Schritte dorthin sind die Kooperation mit dem Wirtschaftsclub in Düsseldorf und der Beitritt zum Netzwerk der International Associate Clubs, ein Schritt, der den Rotonda-Mitgliedern nun auch die angeschlossenen Clubs des Netzwerks öffnet. Zehn sind es mittlerweile in Deutschland.

Sein Leben in die Hand nehmen.


Clubs waren in ihrem Ursprung Keimzellen der Emanzipation des Bürgertums. In ihnen entwickelte und formierte sich bürgerliches Selbstverständnis in der mehrdimensionalen Rolle des Staats- und Wirtschaftsbürgers, der zugleich Träger eines kulturellen Selbstverständnisses ist. An diese Wurzeln knüpft Andreas Grosz an, wenn er die Kernaufgabe, die Mission des Clubs so definiert: "Der rote Faden ist, unternehmerischem Denken und Handeln Vorschub zu leisten. Und das ist auch mein persönliches Credo: Sein Leben in die Hand nehmen und weitestgehend die Dinge mit organisieren." Es ist kein Zufall, dass dieses Selbstverständnis und der Wunsch, es gemeinsam zu leben, in Zeiten stürmischen Wandels eine Renaissance erfährt.

Winfried Kretschmer, Journalist und Autor, arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.

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Winfried Kretschmer ist Autor, Redakteur & Macher bei changeX.

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