Vorauseilender Gehorsam.
Kopper analysiert, wie es so weit
kommen konnte - und sieht einen der Gründe dafür in der
Bankenkrise der frühen 30er Jahre. Viele große Banken trudelten
damals an den Rand des Abgrunds, das Reich musste helfen und
sanieren. Hitlers Leute verzichteten zwar darauf, sich in die
Bankgeschäfte einzumischen, und auch an einer Verstaatlichung war
Hitler nicht interessiert. Doch durch die Krise gewann das Reich
die Macht, Einfluss auf die personelle Zusammensetzung der
Bankvorstände zu nehmen.
Vor der Machtergreifung der Nazis hielt sich die große
Mehrheit der Bankiers auf Distanz gegenüber den
Nationalsozialisten, da ihre Vorstellungen über
Wirtschaftspolitik weit auseinander gingen. Antisemitismus galt
als Absurdität, die sich vermutlich von selbst totlaufen würde.
Doch als Hitler ans Ruder kam, hatten die Bankiers wenig Probleme
mit dem neuen politischen Kurs - und entfernten in vorauseilender
Anpassung an die antisemitische Politik der Reichsregierung
jüdische Top-Leute aus ihrem Unternehmen. "Schon im ersten Jahr
der NS-Herrschaft wurden fast alle jüdischen Vorstandsmitglieder
aus ihren Ämtern gedrängt", berichtet Kopper. "Damit ging eine
lange Tradition deutsch-jüdischer Bankiers zu Ende." Für die über
1.000 Privatbanken, die es in den 20er Jahren in Deutschland gab,
war die Machtergreifung Hitlers eine Katastrophe - mehr als die
Hälfte dieser Banken gehörte jüdischen Eigentümern.
Viele Porträts.
Kopper erzählt in vielen einzelnen
Porträts, was damals geschah. Es ist eine Lektüre, die wütend
macht. Die jüdischen Mitglieder der Geschäftsleitung wurden vor
vollendete Tatsachen gestellt, oft auf kränkende Weise zum
Rücktritt gezwungen. Solidarität gab es so gut wie nie, und nur
selten hat einer der Kollegen der Geschassten auch nur sein
Mitgefühl ausgedrückt. Manche der jüdischen Spitzenbanker
schafften es, ins Ausland zu entkommen; dort lebten sie meist
mittellos und auf die Hilfe anderer angewiesen. Andere wurden
deportiert und kamen in Konzentrationslagern um. Derweil
finanzierte allein die Dresdner Bank zahlreiche "Arisierungen"
und gründete sogar eine spezielle Arisierungsabteilung, was heute
wie eine grausige Parodie des Business-as-usual erscheint. Die SS
wurde einer der Großkunden der Dresdner Bank, und auch von den
anderen Großbanken lehnte es keine ab, Geschäfte mit den neuen
Machthabern zu machen.
Koppers Buch ist spannend geschrieben, detail- und
faktenreich, aber ohne Historikerjargon. Etwas schade nur, dass
Kopper sich fast ausschließlich auf die Vorstände der Banken
konzentriert - der kleine Bankangestellte ist für ihn kein Thema.
Doch in manchen Passagen bekommt man einen beklemmenden Eindruck
davon, wie damals der Alltag aussah: Der Direktor einer Bochumer
Bankfiliale will Zitate aus
Mein Kampf in die Betriebsordnung aufnehmen; das Dokument
muss ohnehin, das ist gesetzlich vorgeschrieben, in die Sprache
des Dritten Reichs umgesetzt werden. Das Betriebsklima wird nicht
selten durch politisch oder rassistisch motivierte Denunziationen
vergiftet. Und regelmäßig gibt es Anträge von Kunden, die für den
Kauf einer eigenartig günstigen Immobilie einen Kredit brauchen.
Die jüdischen Vorbesitzer waren enteignet worden, auf der Flucht
oder schon deportiert. Da inzwischen überzeugte
Gesinnungsgenossen in den Vorständen der Großbanken platziert
worden waren, beteiligten sich die Banken ohne Skrupel daran,
jüdische Immobilien und Unternehmen zu "arisieren".
Schuld ohne Sühne.
Viele Bankiers, die im Dritten Reich eifrig mitgemischt hatten, konnten ihre Karriere nach dem Krieg erschreckend problemlos fortsetzen: Die "Entnazifizierung" der Bankenelite durch die alliierten Besatzungsmächte und die deutschen Behörden war widersprüchlich, oft inkonsequent und stellenweise, so Kopper, eine Farce. Selbst ehemalige Spitzenfunktionäre kamen ungeschoren davon und wurden allen besseren Wissens zum Trotz zu einfachen Mitläufern erklärt. Andere kamen mit einer kurzen Internierung davon. Hermann Josef Abs, der seine Karriere im Dritten Reich begonnen hatte, konnte sogar in den 50er Jahren zum dominierenden deutschen Bankier und zur Symbolfigur des deutschen Bankgewerbes aufsteigen. "Schuld ohne Sühne" hat Kopper sein bitteres letztes Kapitel genannt. Poetische Gerechtigkeit gibt es eben doch nur im Roman.
Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.
Christopher Kopper:
Bankiers unterm Hakenkreuz,
Carl Hanser Verlag, München 2005,
295 Seiten, 24,90 Euro,
ISBN 3-446-40315-9
www.hanser.de
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Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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