Willige Gehilfen
Bankiers unterm Hakenkreuz - das neue Buch von Christopher Kopper.
Von Nina Hesse
Kopper beleuchtet ein dunkles Kapitel der deutschen Wirtschaftsgeschichte: Viele Spitzenbankiers waren tief in die "Arisierung" jüdischer Unternehmen verstrickt, sie stellten die Mittel für Görings Luftrüstungsprogramm bereit und verschafften der SS Millionenkredite für den Ausbau der Konzentrationslager. In vielen Porträts schildert Kopper Schicksale und Karrieren von Top-Bankern dieser Zeit.
Gewinnstreben ist legitim, es ist das anerkannte Ziel der Wirtschaft. Damals wie heute sind die Prioritäten klar. Wenn es etwas zu verdienen gibt oder Verluste drohen, dann werden Skrupel, sofern vorhanden, gerne in irgendeiner Büroschublade verstaut und dort vergessen. Oder wie lässt es sich anders erklären, dass während der NS-Zeit so viele deutsche Unternehmen freudig die Gelegenheiten nutzten, sich billige Arbeitskräfte zu verschaffen, auch wenn die leider nicht ganz freiwillig mit von der Partie waren? Oder dass die großen Banken sich aus eigenem wirtschaftlichem Interesse in die Dienste der Nationalsozialisten stellten? Willig halfen sie der Regierung des Dritten Reichs bei der Umsetzung ihrer Ziele. Denn dabei verdiente es sich nicht schlecht. Besonders von der erzwungenen Übertragung jüdischen Eigentums in nichtjüdische Hände ("Arisierung") profitierten die Geldinstitute gehörig.

Vorauseilender Gehorsam.


Kopper analysiert, wie es so weit kommen konnte - und sieht einen der Gründe dafür in der Bankenkrise der frühen 30er Jahre. Viele große Banken trudelten damals an den Rand des Abgrunds, das Reich musste helfen und sanieren. Hitlers Leute verzichteten zwar darauf, sich in die Bankgeschäfte einzumischen, und auch an einer Verstaatlichung war Hitler nicht interessiert. Doch durch die Krise gewann das Reich die Macht, Einfluss auf die personelle Zusammensetzung der Bankvorstände zu nehmen.
Vor der Machtergreifung der Nazis hielt sich die große Mehrheit der Bankiers auf Distanz gegenüber den Nationalsozialisten, da ihre Vorstellungen über Wirtschaftspolitik weit auseinander gingen. Antisemitismus galt als Absurdität, die sich vermutlich von selbst totlaufen würde. Doch als Hitler ans Ruder kam, hatten die Bankiers wenig Probleme mit dem neuen politischen Kurs - und entfernten in vorauseilender Anpassung an die antisemitische Politik der Reichsregierung jüdische Top-Leute aus ihrem Unternehmen. "Schon im ersten Jahr der NS-Herrschaft wurden fast alle jüdischen Vorstandsmitglieder aus ihren Ämtern gedrängt", berichtet Kopper. "Damit ging eine lange Tradition deutsch-jüdischer Bankiers zu Ende." Für die über 1.000 Privatbanken, die es in den 20er Jahren in Deutschland gab, war die Machtergreifung Hitlers eine Katastrophe - mehr als die Hälfte dieser Banken gehörte jüdischen Eigentümern.

Viele Porträts.


Kopper erzählt in vielen einzelnen Porträts, was damals geschah. Es ist eine Lektüre, die wütend macht. Die jüdischen Mitglieder der Geschäftsleitung wurden vor vollendete Tatsachen gestellt, oft auf kränkende Weise zum Rücktritt gezwungen. Solidarität gab es so gut wie nie, und nur selten hat einer der Kollegen der Geschassten auch nur sein Mitgefühl ausgedrückt. Manche der jüdischen Spitzenbanker schafften es, ins Ausland zu entkommen; dort lebten sie meist mittellos und auf die Hilfe anderer angewiesen. Andere wurden deportiert und kamen in Konzentrationslagern um. Derweil finanzierte allein die Dresdner Bank zahlreiche "Arisierungen" und gründete sogar eine spezielle Arisierungsabteilung, was heute wie eine grausige Parodie des Business-as-usual erscheint. Die SS wurde einer der Großkunden der Dresdner Bank, und auch von den anderen Großbanken lehnte es keine ab, Geschäfte mit den neuen Machthabern zu machen.
Koppers Buch ist spannend geschrieben, detail- und faktenreich, aber ohne Historikerjargon. Etwas schade nur, dass Kopper sich fast ausschließlich auf die Vorstände der Banken konzentriert - der kleine Bankangestellte ist für ihn kein Thema. Doch in manchen Passagen bekommt man einen beklemmenden Eindruck davon, wie damals der Alltag aussah: Der Direktor einer Bochumer Bankfiliale will Zitate aus Mein Kampf in die Betriebsordnung aufnehmen; das Dokument muss ohnehin, das ist gesetzlich vorgeschrieben, in die Sprache des Dritten Reichs umgesetzt werden. Das Betriebsklima wird nicht selten durch politisch oder rassistisch motivierte Denunziationen vergiftet. Und regelmäßig gibt es Anträge von Kunden, die für den Kauf einer eigenartig günstigen Immobilie einen Kredit brauchen. Die jüdischen Vorbesitzer waren enteignet worden, auf der Flucht oder schon deportiert. Da inzwischen überzeugte Gesinnungsgenossen in den Vorständen der Großbanken platziert worden waren, beteiligten sich die Banken ohne Skrupel daran, jüdische Immobilien und Unternehmen zu "arisieren".

Schuld ohne Sühne.


Viele Bankiers, die im Dritten Reich eifrig mitgemischt hatten, konnten ihre Karriere nach dem Krieg erschreckend problemlos fortsetzen: Die "Entnazifizierung" der Bankenelite durch die alliierten Besatzungsmächte und die deutschen Behörden war widersprüchlich, oft inkonsequent und stellenweise, so Kopper, eine Farce. Selbst ehemalige Spitzenfunktionäre kamen ungeschoren davon und wurden allen besseren Wissens zum Trotz zu einfachen Mitläufern erklärt. Andere kamen mit einer kurzen Internierung davon. Hermann Josef Abs, der seine Karriere im Dritten Reich begonnen hatte, konnte sogar in den 50er Jahren zum dominierenden deutschen Bankier und zur Symbolfigur des deutschen Bankgewerbes aufsteigen. "Schuld ohne Sühne" hat Kopper sein bitteres letztes Kapitel genannt. Poetische Gerechtigkeit gibt es eben doch nur im Roman.

Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.

Christopher Kopper:
Bankiers unterm Hakenkreuz,
Carl Hanser Verlag, München 2005,
295 Seiten, 24,90 Euro,
ISBN 3-446-40315-9
www.hanser.de

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: Bankiers unterm Hakenkreuz. Carl Hanser Verlag, München 2005, 295 Seiten, ISBN 3-446-40315-9

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