Hoffnung!
Moderne Helden und Vorbilder - zwei neue Bücher aus dem J. Kamphausen Verlag.
Von Nina Hesse
Meckern ist leicht und lässt sich ohne Ausbildung und Eignung praktizieren. Mut und praktische Nächstenliebe zu beweisen ist schon weitaus schwerer. Vorbilder und Projekte, die Hoffnung machen, finden sich in zwei neuen Büchern. Sie stellen Helden des Alltags vor - Menschen in aller Welt, die sich entschieden haben, die Zukunft aktiv mitzugestalten und anderen zu helfen.
Helden - das sind doch die Leute, die unter Lebensgefahr unglaublich hohe Berge erklimmen oder sich in kleinen Booten auf den Amazonas hinauswagen, in Gebiete, die noch nie ein Mensch erforscht hat? Oder Leute, die in Filmen und Konzerten zeigen, was sie können, die Stars, deren Gesicht man rund um den Globus kennt?
In zwei Büchern des J. Kamphausen Verlags geht es um eine andere Art von Helden. Denen nämlich, die kaum einer kennt und die doch schon viel Gutes bewirkt haben und bewirken.

1. Moderne Helden.


"Dieses Buch zeigt Menschen, die sich ohne Show oder Siegespose einmischen, ihre Ziele, die weit über die eigenen Bedürfnisse hinausgehen, entschlossen verfolgen und die Welt aktiv mitgestalten." Mit je einem Foto und einem kurzen Beitrag oder Interview werden sie auf je etwa zwei, drei Seiten vorgestellt, im Anhang erfährt man mehr über ihre Projekte.
Wenn man darin herumschmökert, die anrührenden Geschichten dieser Menschen liest, schafft man es, nach all den deprimierenden Schlagzeilen und Fernsehbildern, wieder, an das Gute im Menschen zu glauben. Und man bekommt Lust, sich selbst stärker zu engagieren für die Ziele, an die man glaubt, und sich nicht mit der obligatorischen Spende an Weihnachten zu begnügen. Denn, wie Gärtnermeister Ortwin Schneider schreibt: "Man bekommt auch viel zurück, wenn man was für andere tut. Daher mache ich gerne viele Dinge für andere - einfach weil es Spaß macht."

Mit Leidenschaft und Hartnäckigkeit.


Die Auswahl der Helden ist den Autoren sehr gut gelungen, die Menschen, die sie vorstellen, kommen aus vielen verschiedenen Bereichen. Naturwissenschaftlerinnen, Feuerwehrmännern, Institutsleitern, Verkäuferinnen und auch dem einen oder anderen Prominenten begegnet man. Offen und nachdenklich geben sie Auskunft über ihre Beweggründe, über Ereignisse, die sie geprägt haben, über ihre Sicht auf den Sinn des Lebens. Leonie Heine, eine Kinderkrankenschwester, erzählt: "Als ich als 13-jähriges Mädchen das erste Mal in Südafrika war und dort das Krankenhaus einer Missionsstation auf dem Lande besuchte, war ich so tief beeindruckt von dem, was ich dort sah, dass in mir der tiefe Wunsch entstand, eines Tages dort oder an einem ähnlichen Ort zu helfen." Heute arbeitet sie für "Ärzte ohne Grenzen" in einem Flüchtlingslager in Westafrika.
Für die Fotografin Nomi Baumgartl war ihr schwerer Autounfall der Wendepunkt. Er riss sie aus ihrem Beruf, der auch ihre Passion war, und stürzte sie in eine schwere Krise. Doch sie schaffte es, sich daraus hervorzuarbeiten. "Ich sehe es als meine Aufgabe an, den Menschen das zu schenken oder sie an das zu erinnern, was sie verloren glaubten", schreibt sie. "Wir leben jetzt! Viele Menschen können erst dann ihre Lebenskraft wahrnehmen, wenn sie ein Bewusstsein dafür entwickeln, wie kostbar jeder Augenblick ist." Die Interviewer fragen: "Was würden Sie den Menschen schenken?", und ihre Antwort ist: "Ein Lächeln auf den Lippen!"
Für Gerhard Wegner war die Entscheidung weniger schmerzhaft. "Ich saß nachts am Strand und begann über die letzten 50 Jahre nachzudenken. An diesem Morgen fällte ich die Entscheidung, mehr zu tun. Irgendwie denke ich, hat jeder eine Aufgabe auf dieser Welt, die er zu erfüllen hat, um die Welt ein Stückchen besser zu machen." Seine Wahl fiel auf den Schutz eines verkannten, inzwischen vom Aussterben bedrohten Tiers: des Hais. 200 Millionen der Raubfische werden im Jahr von Menschen brutal getötet.
Noch viele andere faszinierende Menschen gibt es in Moderne Helden zu entdecken. Vera Bohle zum Beispiel, die das Minenräumen zu ihrem Beruf gemacht hat. Sie ist sich dessen bewusst, dass Fehler in diesem Beruf tödlich sein können. "Doch mit jeder geräumten Fläche kehrt in den Krisengebieten wieder ein Stück Normalität ein und dafür lohnt es sich." Den Winzer Thomas Schauer, der zu einem Thema, das ihm wichtig war, ein großes Filmprojekt aus dem Boden gestampft und damit bewiesen hat, wie es durch Gewitztheit und Entschlossenheit gelingen kann, das Unmögliche möglich zu machen.
Und auch einige Prominente haben es in die Liste der Helden geschafft, weil sie ihre Bekanntheit nutzen, um auf Missstände aufmerksam zu machen oder Projekte zu gründen. Alfred Biolek erinnert, was für eine Katastrophe Aids für Afrika ist, Peter Maffay erzählt von seiner Tabaluga-Stiftung für traumatisierte Kinder und Rüdiger Nehberg über seine Kampagne für die Yanomami-Indianer. Doch da man von diesen Vorhaben schon gehört hat, ist es fast spannender zu lesen, was eine Krebsforscherin von ihrer Arbeit erzählt, warum die Mutter eines behinderten Kindes eine Delfintherapie-Stiftung organisiert oder was für eine skurrile Begebenheit den Kriminologen Christian Pfeiffer dazu gebracht hat, mit Freunden den Hilfsverein Brücke e. V. zu gründen.

Nachdenken über die Welt.


Mit Fragen wie "Was hält die Welt zusammen?", "Was ist im Leben wirklich wichtig?", "Wie nehmen Sie die Welt wahr?" steuern die Autoren ihre Helden behutsam in die Nachdenklichkeit und erlauben einen faszinierenden Einblick in die Art, wie unterschiedlich Menschen denken.
Zukunftsforscher Matthias Horx meint: "Es geht im Leben um Er-Lösung des eigenen Potenzials ... Mich beeindruckt immer, wozu Menschen an Großartigem fähig sind, wenn sie sich aus den Fesseln ihrer Vergangenheit befreien. Umgekehrt leide ich auch immer, wenn ich das Gefühl habe, dass Menschen unter ihren Möglichkeiten bleiben." Musiker Thomas D. schreibt: "Der Sinn des Lebens ist dabei das Leben selbst. Das Ende jeglicher Philosophie ist das Einatmen-Ausatmen." Für den Kung-Fu-Meister und Feng-Shui-Experten Howard Choy hat dagegen alles, was er in seinem Leben macht, eine Verbindung zum Qi, einer universellen Lebenskraft. Eva Koglin, eine junge Mutter von fünf Kindern, sagt: "Viele Menschen sind ständig auf der Suche nach irgendwas oder fragen sich nach dem Sinn des Lebens. Wenn man Kinder hat, stellt man sich diese Frage nicht mehr."
Auch die Einsichten, die die Interviewpartner durch ihre Arbeit gewonnen haben, sind Thema. Ruth Jüttner von Amnesty International schreibt: "Was mich persönlich beeindruckt hat, ist die Kraft und die Fähigkeit, zu vergeben. Es sind diese Menschen, die jahrelang im Gefängnis gesessen haben oder nach grausamen Bürgerkriegen und Unterdrückung es schaffen, die Hand zur Vergebung auszustrecken und sich für den Frieden einzusetzen."

2. Vorbilder. Menschen und Projekte, die hoffen lassen.


Einer der vorgestellten Helden - und das Zentrum des Buches Vorbilder - ist ein bescheidener deutsch-schwedischer Briefmarkenhändler, der seine Sammlung verkauft und sein ganzes Vermögen in die Gründung eines Preises gesteckt hat. Zuerst versuchte Jakob von Uexküll das Nobelpreiskomitee von der Notwendigkeit eines Umweltnobelpreises zu überzeugen, doch die winkten ab. Also rief von Uexküll den Right Livelihood Award, der schnell als "Alternativer Nobelpreis" bekannt wurde, ins Leben. Right Livelihood lässt sich etwa als "verantwortungsvolle Lebenshaltung" übersetzen. Der Preis zielt darauf ab, "dem Norden dabei zu helfen, die Weisheit zu finden, sein Wissen besser anzuwenden, und dem Süden dabei, das Wissen zu finden, um seine althergebrachte Weisheit einzubringen".
Seit 1980, also schon seit einem Vierteljahrhundert, wird der - inzwischen weltweit anerkannte - Preis für Projekte im Bereich Umwelt und Menschenrechte verliehen, über 100 Menschen aus 48 Ländern sind damit gefördert worden. Der Preis sorgt dafür, dass die Arbeiten der Preisträger bekannt werden und Unterstützung erhalten. Er steht für Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit, für die Möglichkeit, die Welt positiv zu verändern. Im Zeitalter der Globalisierung wird er stärker denn je gebraucht, denn da die nationalen Regierungen sich immer hilfloser zeigen, bleibt es Organisationen wie der Right Livelihood Foundation überlassen, wichtige Initiativen voranzubringen.
Das Buch Vorbilder berichtet umfassend über Preis und Preisträger und liefert eine Menge Hintergrundinformationen: Wie werden die Kandidaten vorgeschlagen, überprüft und in der Jury diskutiert? Welche Gründe hatte von Uexküll, einen so großen Teil seines Privatvermögens in diesen Preis zu investieren? Es ist eine Fundgrube von Materialien für jeden, der sich für das Thema Frieden und Umwelt interessiert.
Jeder Preisträger wird in Bild und einer Reportage und mit einer Kontaktadresse vorgestellt, im Anhang gibt es Auszüge aus ihren Reden, in denen sie ihre Projekte und Beweggründe selbst schildern. Ausgezeichnet worden sind zum Beispiel das Volk von Palau und High Chief Ibedul Gibbons für ihren jahrelangen Kampf um das Recht auf Freiheit von Atomwaffen; Wangari Maathai und die Grüngürtelbewegung in Kenia (die später auch mit einem Friedensnobelpreis gewürdigt wurde); José Lutzenberger, einer der vielseitigsten Umweltaktivisten Lateinamerikas; der Jurist Juan E. Garcés für seine langjährigen Bemühungen, die Straffreiheit des früheren chilenischen Diktators Pinochet zu beenden, die Politikerin Petra Kelly für ihr Eintreten für Abrüstung, Umweltschutz und Gerechtigkeit sowie Arna Mer-Khamis von "Care and Learning" für ihr leidenschaftliches Eintreten für den Schutz und die Bildung der Kinder Palästinas.
Wer Vorbilder sucht - Menschen, die mit Zivilcourage und Gewissen handeln -, der findet sie hier.

Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.

Michael Fuchs / Steffen Gill (Hrsg.):
Moderne Helden,
J. Kamphausen Verlag, Bielefeld 2005,
181 Seiten, 20 Euro,
ISBN 3-89901-055-8

Jürgen Streich:
Vorbilder.
Menschen und Projekte, die hoffen lassen.
Der Alternative Nobelpreis,

J. Kamphausen Verlag, Bielefeld 2005,
453 Seiten, 20 Euro,
ISBN 3-89901-057-4

www.weltinnenraum.de
www.moderne-helden.de
www.rightlivelihood.org

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Zu den Büchern

: Moderne Helden. J. Kamphausen Verlag, Bielefeld 2005, 181 Seiten, ISBN 3-89901-055-8

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: Vorbilder. Menschen und Projekte, die hoffen lassen. Der Alternative Nobelpreis.. J. Kamphausen Verlag, Bielefeld 2005, 453 Seiten, ISBN 3-89901-057-4

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